Mieterstrom

Welches Betreibermodell
ist das richtige?

Die Wohnungswirtschaft steht vor einem Paradigmenwechsel: Photovoltaikanlagen werden durch gesetzliche Vorgaben zunehmend zur Pflicht, gleichzeitig gibt es immer wieder politische Diskussionen um die Einspeisevergütung. Abschaffen oder nicht?

Fakt ist: Seit dem 25. Februar dieses Jahres gibt es zumindest keine Vergütung mehr für neue PV-Anlagen in Zeiten negativer Strompreise. In diesem Spannungsfeld etablieren sich Mieterstrom (oder auch die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung) als alternative Betriebsmodelle. Doch welches der beiden Modelle passt zu welchem Wohnungsunternehmen? Eine fundierte Entscheidung erfordert die Berücksichtigung von Ressourcen, Risikobereitschaft und strategischen Zielen.

Vom Kostenfaktor zum Geschäftsmodell

Mieterstrom wandelt eine potenzielle Kostenposition in ein profitables Geschäftsmodell um: Während die Einspeisevergütung kontinuierlich sinkt und ggf. abgeschafft wird, bietet die lokale Vermarktung von Solarstrom an die eigenen Mieter attraktive Renditen. Der Verkauf von Photovoltaik-Strom erfolgt in der Regel zu 20–30 Cent pro Kilowattstunde bei Gestehungskosten von nur 10 Cent. Zusätzlich unterstützen andere Förderinstrumente wie z. B. der Mieterstromzuschlag die Wirtschaftlichkeit. Mieterinnen und Mieter profitieren von günstigeren Strompreisen – mindestens 10 % unter dem Grundversorgungstarif. Zudem erhalten sie die Möglichkeit, aktiver Teil der Energiewende zu werden – ein wichtiger Aspekt für eine moderne Mieterschaft. Wohnungsunternehmen wiederum profitieren von gesteigerter Attraktivität ihrer Immobilien, erfüllen festgelegte ESG-Kriterien und schaffen neue Einnahmequellen, die zudem zur Werterhaltung und -steigerung der Liegenschaften beitragen.

Die vier Hauptmodelle im Überblick:

Die Wahl des passenden Betreibermodells hängt maßgeblich von den verfügbaren Ressourcen, der Risikobereitschaft und den strategischen Zielen ab. Für die Wohnungswirtschaft relevant sind insbesondere die folgenden vier Modelle:

1. Dachpachtmodell: Risikoarm mit überschaubaren Erträgen

Im Dachpachtmodell verpachtet das Wohnungsunternehmen seine Dachflächen an externe Partner oder lokale Energieversorger. Diese übernehmen sämtliche Investitionen, den Betrieb der Photovoltaikanlagen und die Stromversorgung der Mieter. Das Wohnungsunternehmen erhält eine Pachtgebühr – in der Regel zwischen 10 und 30 Euro pro installiertem Kilowatt Leistung jährlich, bei Quadratmeter-Berechnung bis zu 5 Euro pro Quadratmeter. Eine Mitarbeit bei der Kundengewinnung wird ggf. zusätzlich vergütet.

Vorteile: Minimaler Aufwand, kein Investitionsrisiko, sofortige Einnahmen ohne operative Verantwortung

Nachteile: Geringste Einnahmemöglichkeit aller Modelle, langfristige vertragliche Bindung an einen externen Partner bei überschaubaren Erträgen

Geeignet für: Kleinere Wohnungsunternehmen ohne verfügbare Ressourcen für das Mieterstrommodell

2. Lieferkettenmodell: Beteiligung ohne Vollverantwortung

Das Lieferkettenmodell ermöglicht eine mittlere Wertschöpfungstiefe. Das Wohnungsunternehmen investiert in die Photovoltaikanlage und agiert als Anlagenbetreiber, während ein externer Partner den lokal verbrauchten Strom abkauft und die komplette energiewirtschaftliche Abwicklung übernimmt. Hierbei profitieren Immobilienbesitzer von den Investitionsvorteilen einer eigenen Anlage, ohne die volle Versorgungsverantwortung zu tragen.

Vorteile: Höhere Rendite als beim Dachpachtmodell, Kontrolle über die Investition, reduzierte operative Komplexität

Nachteile: Risiko Anlagenbetrieb + Kundengewinnung/Solarmenge, die vor Ort verbraucht wird, liegt beim Wohnungsunternehmen

Geeignet für: Mittelgroße Wohnungsunternehmen, die ins Mieterstromgeschäft einsteigen möchten, ohne eigene Vertriebskapazitäten aufzubauen

3. Eigenbetrieb: Maximale Kontrolle und Rendite

Im Eigenbetrieb übernimmt z. B. eine dem Wohnungsunternehmen angegliederte Betreibergesellschaft die Stromversorgung der Mieter. Dieses Modell bietet die höchsten Renditen und ermöglicht die vollständige Kontrolle über die Wertschöpfungskette.

Vorteile: Höchste Einnahmequellen, vollständige Kon­trolle, schnellste Amortisation

Nachteile: Höchster Aufwand, energiewirtschaftliche Komplexität, Bedarf an spezialisiertem Personal

Geeignet für: Größere Wohnungsunternehmen mit eigenen Servicegesellschaften oder der Bereitschaft zum Aufbau entsprechender Kapazitäten

4. Externe Unterstützung für eine erfolgreiche Umsetzung

Mittlerweile gibt es neben lokalen Energieversorgern wie dem örtlichen Stadtwerk auch spezialisierte Unterstützung für kleine und mittlere Wohnungsunternehmen, die das Thema Mieterstrom nicht alleine umsetzen können oder wollen. Zu ihnen zählt z. B. die ServiceHaus GmbH, eine Tochtergesellschaft der kommunalen GBG Unternehmensgruppe aus Mannheim, die seit 2022 erfolgreich Mieterstromprojekte im Eigenbetrieb umsetzt. Um Skaleneffekte zu nutzen, bietet ServiceHaus mittlerweile bundesweit Abrechnungs- und Projektierungsdienstleistungen an und tritt in der Metropolregion Rhein-Neckar auch als Anlagenbetreiber auf.

Auf Genossenschaften hat sich beispielsweise die StadtWatt eG spezialisiert, die derzeit 23 Wohnungsgenossenschaften mit rund 50.000 Wohneinheiten vereint. StadtWatt übernimmt als energiewirtschaftlicher Dienstleister sämtliche Prozesse für ihre Mitglieder, während diese sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Von der Beratung, was den Aufbau von Photovoltaik angeht, über die Verrechnung und Vermarktung der vor Ort erzeugten Energiemengen als StadtWatt-Mieterstrom. So profitieren die Mieter von günstigem Solarstrom direkt von ihrem Dach.

Im Hintergrund kommt die Solarize-Software zum Einsatz. Sie ist Dreh- und Angelpunkt: In ihr laufen alle Fäden für eine saubere und unkomplizierte Abrechnung zusammen. Sie überwacht die Leistung der Anlage, misst die verschiedenen Stromflüsse, verteilt die Strommengen und rechnet diese verbrauchsgenau ab.

Erfolgsfaktoren und Grundvoraussetzungen

Unabhängig vom gewählten Modell müssen für eine erfolgreiche Umsetzung einige Anforderungen erfüllt werden. Eine hohe Direktverbrauchsquote ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit – idealerweise sollten mindestens 50 % des erzeugten Stroms lokal verbraucht werden. Moderne Messkonzepte mit virtuellen Summenzählern ermöglichen dabei eine kostengünstige und flexible Umsetzung, insbesondere bei Bestandsgebäuden. Eine automatisierte Abrechnungssoftware wie unsere Solarize- App wird dabei zum unverzichtbaren Baustein, um die Komplexität von bis zu 96 täglichen Messwerten pro Haushalt zu bewältigen. Unsere Software sorgt für automatisierte, rechtssichere Abrechnungen unter Berücksichtigung aller energiewirtschaftlichen Anforderungen.

Fazit: Individuell passende Lösungen entwickeln

Die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs haben zwar rechtliche Unsicherheiten geschaffen. Allerdings betrifft dies besonders gebäudeübergreifende Quartierslösungen. Klassische Mieterstromprojekte innerhalb einzelner Gebäude bleiben realisierbar. So entwickelt sich Mieterstrom vom interessanten Add-on zum strategisch relevanten Geschäftsfeld der Wohnungswirtschaft. Die Wahl des richtigen Betreibermodells erfordert eine ehrliche Bewertung der eigenen Kapazitäten und Ziele. Während Pachtmodelle einen risikoarmen Einstieg ermöglichen, bieten Eigenbetrieb und Lieferkettenmodell höhere Renditen bei entsprechend größerem Aufwand.

Entscheidend für den Erfolg sind erfahrene Partner, die die komplexen energiewirtschaftlichen Prozesse beherrschen. Mit der richtigen Strategie und den passenden Partnern  wird Mieterstrom zum lukrativen Baustein zukunftsfähiger Geschäftsmodelle – und macht Wohnungsunternehmen und ihre Mieterschaft zu aktiven Gestaltern der Energiewende.

Entscheidungskriterien für die Praxis

Große Wohnungsunternehmen mit eigenen Servicegesellschaften sollten Mieterstrom als eigenständiges Geschäftsfeld entwickeln

Mittelgroße Unternehmen können durch Einkaufsgemeinschaften oder das Lieferkettenmodell Synergieeffekte nutzen

Kleine Wohnungsunternehmen finden in spezialisierten Contracting-Dienstleistern die optimale Lösung

Das kostenlose Whitepaper von Solarize „Lokale Stromvermarktung für Wohnungsunternehmen“ gibt es unter www.solarize.de/whitepaper-wowi
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 10/2024 Dezentrale Energieversorgung

Neue Einnahmequelle Mieterstrom

Was viele Wohnungsunternehmen beim Thema Mieterstrom meist vor Augen haben, ist dessen Komplexität in der Abrechnung. Diese lässt sich bei 96 täglichen Messwerten pro teilnehmendem Haushalt zwar...

mehr
Ausgabe 1-2/2025 Virtueller Summenzähler

Technologie für nachhaltige Wohnungsunternehmen

In diesem Spannungsfeld hat sich die lokale PV-Stromvermarktung in Form von Mieterstrom oder der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung mittlerweile zu einer attraktiven Lösung entwickelt, die...

mehr
Ausgabe 11/2019 Photovoltaik auf dem Dach

Mieterstrom: Der Turbo für die Energiewende

Es klingt fast wie im Märchen: alle gewinnen, keiner verliert. Worum geht es genau? Wohnungsunternehmen, die bislang in die Energiewende investieren sowie beispielsweise eine Photovoltaikanlage...

mehr
Ausgabe 1-2/2021 Erneuerbare-Energien-Gesetz

Sonnige Aussichten für Mieterstrom

Die Idee war schon immer gut: günstiger und sauberer Strom, direkt auf dem Dach von Mehrfamilienhäusern produziert und an die Wohnparteien geliefert – das ist eigentlich eine...

mehr
Ausgabe 11/2018 Photovoltaikanlage

Mieterstrom von nebenan

Im beliebten Münchener Stadtteil Schwabing wächst seit 2013 auf dem 24,3 Hektar großen Gelände der ehemaligen Funkkaserne ein neues Stadtquartier: der Domagkpark. Das Quartier wird von...

mehr