Glaswände

Mehrwert für das Quartier

Das Wohn- und Geschäftshaus „Belvedere“ markiert die architektonisch prägnanteste Adresse des Quartiers Paul-Gerhardt-Allee in München: Der Neubau von allmannwappner im Auftrag der MünchenBauträger GmbH zeigt, wie städtebauliche und architektonische Qualitäten berücksichtigt werden können.

Zwischen dem Münchner Hauptbahnhof und dem rund acht Kilometer westlich davon gelegenen München-Pasing reihen sich auf ehemaligen Bahnflächen fünf neue Wohngebiete aneinander. Zuletzt entstand das Quartier Paul-Gerhardt-Allee in München-Obermenzing mit rund 2.400 Wohnungen, Einzelhandels- und Dienstleistungsflächen. Als westlicher Quartierseingang mit vorgelagertem Stadtplatz nimmt der Neubau von allmannwappner eine besondere städtebauliche Lage ein.

Mit einer Nutzungsdurchmischung und einem halböffentlich zugänglichen Dachgartengeschoss mit hoher Aufenthaltsqualität schafft er dabei Mehrwert für das gesamte Quartier. Vom Bahnhof Pasing kommend, ist das helle Ensemble weithin sichtbar und besticht durch eine funktionale und klare Fassadengestaltung. Auf den Bau einer viergeschossigen Lärmschutzwand konnte aufgrund eines differenzierten Lärmschutzkonzepts vollständig verzichtet werden. Schallmindernde Verglasungen ermöglichten Loggien als Wohnraumerweiterung, trotz direkter Lage an stark befahrenen Straßen.

Letzter Bauabschnitt der „Zentralen Bahnflächen“

Die 178 Hektar großen „Zentralen Bahnflächen“ zwischen dem Hauptbahnhof und Pasing gehören zu den größten städtebaulichen Umstrukturierungen im Münchner Stadtgebiet. Auf dem ehemaligen Bahngelände entlang der Achse „Hauptbahnhof – Laim – Pasing“ entstand ab 2003 Wohnraum für etwa 17.200 Einwohner:innen. Das 33 Hektar große Paul-Gerhardt Quartier in Pasing-Obermenzing ist der letzte bebaute Abschnitt – nach den Neubaugebieten Arnulfpark, Am Hirschgarten, Nymphenburg-Süd und Pasing. 

Anspruchsvoller Stadtbaustein

Zur Sicherung der architektonischen Qualität lobte die Münchenbau Bauträger GmbH, gemeinsam mit den Grundstückseigentümern Paul-Gerhard-Allee GmbH & Co. KG und der Wohnbau Pasing GmbH & Co. KG mehrere Realisierungswettbewerbe aus. Die Gestaltung des Quartierszentrums an der Paul-Gerhardt-Allee konnte das Büro allmannwappner in Kooperation mit realgrün Landschaftsarchitekten für sich entscheiden, deren gemeinsames Konzept die Jury als „anspruchsvollen Stadtbaustein“ für das Wohnquartier bewertete. Baubeginn war 2017, im Winter 2021 konnte das Ensemble fertiggestellt werden.

Das Wohn- und Geschäftshaus Belvedere wurde von den Architekten als lebendiger Quartiersmittelpunkt konzipiert. Im Sockelgeschoss, dass den Großteil des Baufeldes überspannt, ist auf 5.000 Quadratmetern die gesamte Nahversorgung untergebracht: Neben großzügigen Flächen für den Einzelhandel befinden sich dort gastronomische Angebote und Dienstleistungen, die alle über eine gemeinsame Eingangshalle vom Quartiersplatz erschlossen werden.

Drei auf dem Sockelgeschoss platzierte Baukörper sind dem Wohnen vorbehalten und bieten Raum für 164 Wohnungen mit 2-, 2,5- oder 3-Zimmer-Wohnungen in Größen zwischen 40 und 90 m². Sie umschließen einen halböffentlichen „Dachgarten“. Es entstanden überwiegend Eigentumswohnungen, zu einem geringen Teil wurde auch geförderter Wohnraum realisiert. Das Angebot von Wohneinheiten mit kleinen Grundrissen ermöglichte Wohneigentum. Auf geschossüberspannende Penthouse-Wohnungen wurde verzichtet. Alle Wohneinheiten sind barrierefrei. Für 60 Wohnungen wurde der entsprechende Standard nachgewiesen.

Wohnen auf dem Sockel

Dadurch, dass das Sockelgeschoss nicht das ganze Grundstück ausfüllt, entstand wertvoller Stadtraum für den Quartiersplatz. Darüber hinaus schlugen die Architekten bereits in ihrem Wettbewerbsbeitrag vor – entgegen den Vorgaben des Bebauungsplans – die drei riegelförmigen Wohnhäuser, die auf den polygonalen Sockelbau gestellt werden, neu zu interpretieren – und zwar als zwei polygonale und einen rechtwinkligen Baukörper. Der höchste von ihnen bildet heute den prägnanten Quartierseingang, dahinter wurden die beiden anderen versetzt und gestaffelt angeordnet.

Metallener Vorhang

Während die städtebauliche Situation weitestgehend vorgegeben war, legte die MünchenBauträger GmbH besonderes Augenmerk auf die Gebäudehülle. Das von allmannwappner entwickelte Fassadenkonzept überzeugte bereits im Wettbewerb durch seine hohe architektonische Qualität: Feste und bewegliche Elemente ermöglichen Ausblicke, oder schränken Einblicke ins Innere ein. Die einzelnen Häuser erhielten zwar analoge Fassaden, wurden jedoch in unterschiedlichen Rastern gestaltet.

Die Tragstruktur des Gebäudes unterstützt die Fassadengeometrie – die tragenden Betondecken werden in Form von umlaufenden, horizontalen Riegeln sichtbar. Die Lisenen wurden so gekantet, dass sie wie gefaltetes Metall anmuten. Die gefaltete Struktur setzt sich in der Ausfachung zwischen den Stützen und Deckenverkleidungen fort. Die vorgehängte, hinterlüftete Metallfassade ist ebenfalls gekantet und zusätzlich perforiert. 

In diese halbtransparente Fassade wurden bewegliche Schiebeläden aus Metall integriert, wodurch eine Art metallener „Vorhang“ vor den Fenstern der Wohnungen aufgespannt wurde. Dieser lässt sich jeweils über einen elektrischen Tastschalter oder händisch öffnen und schließen. So verändert sich das äußere Erscheinungsbild der Fassade über den Tag andauernd – eine architektonische Bereicherung, die zudem interessante Lichteffekte erzeugt. 

Langlebige und recyclebare Hülle

Im Sinne der Nachhaltigkeit wurde eine hohe Dauerhaftigkeit angestrebt: Bei Einhaltung von Pflege- und Reinigungsintervallen kann die Metallfassade gute fünfzig Jahre lang ohne Sanierung bestehen. Sollte diese irgendwann einmal nicht mehr den Nutzungszweck erfüllen, kann sie recycelt werden. Darüber hinaus lässt sich die vorgehängte hinterlüftete Fassade wieder auseinandernehmen und in den Wertstoffkreislauf zurückführen.

Mehrwert durch verglaste Loggien

Die Besonderheit jeder Wohnung, die nicht direkt an eine Terrasse angrenzt, sind großzügige Loggien. Diese verglasten, witterungsgeschützten Freisitze ermöglichen ganzjährig eine hohe Aufenthaltsqualität. Durch das Öffnen einer verbindenden Schiebetür werden sie Teil des Wohnzimmers. Zum Einsatz kamen Schiebe-Drehsysteme von Solarlux. Insgesamt wurden 13 Elemente des Systems SL 25 XXL in drei verschiedenen Bauarten verwendet, die größte misst 10 Meter in der Länge und 2,30 Meter in der Höhe. Als weiterer Vorteil wirken sie als thermischer Puffer, wodurch über den solaren Energieeintrag bis zu 20 Prozent des Primärenergiebedarfes eingespart werden kann. Zudem reduzieren die Balkonverglasungen Schall. 

Exzellentes Lärmschutzkonzept

Zwar nahm mit Wegfall des ehemaligen Gewerbegebietes der Schwerlastverkehr im Quartier ab. Insgesamt blieb die Gesamtverkehrsbelastung jedoch in etwa gleich. Der Stadtteil wird über teils neu gebaute Straßen und zusätzliche Buslinien erschlossen. So ist das Wohn- und Geschäftsgebäude Belvedere an drei Seiten einer hohen Verkehrsbelastung ausgesetzt. Zudem befindet sich in unmittelbarer Nähe ein Getränkehof.

Durch aufwendige Computer-Simulationen je Ansichtsfläche und Geschoss ermittelten die Planer die jeweiligen Schallschutzanforderungen. Mithilfe eines stark differenzierten Fassadenkonzeptes konnte jedoch die im Bebauungsplan geforderte viergeschossige Lärmschutzwand umgangen werden. So wurden die Grundrisse so organisiert, dass in besonders lärmbelasteten Bereichen auf Fenster verzichtet werden konnte. Mit einer Reihe von weiteren Maßnahmen konnten die hohen Schallschutzanforderungen erfüllt werden, u.a. durch hochwertige Schallschutzfenster, schallgedämmte Außenluftdurchlässe sowie durch Loggien-Verglasungen.

Effektive Verglasung

In der Westausrichtung des kleinsten Hauses mit besonders hoher Lärmbelastung waren Verglasungen die Lösung für die Schallschutzanforderungen. Einer Festverglasung zogen die Architekten und die Bauherrschaft verglaste Loggien vor, um zusätzlich die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Das ungedämmte System SL 25 von Solarlux erfüllte die Anforderungen in idealer Weise: Geschlossen kann der Schall um bis zu 22 dB reduziert werden. Die Frischluftzufuhr ist bei gleichzeitiger Einhaltung der Schallschutzwerte über einen schmalen Lüftungsspalt gewährleistet.

Das rahmenlose System überzeugte auch hinsichtlich Ästhetik und Bedienung: „Das Schiebe-Drehsystem konnte wunderbar in unsere Gestaltung hinter dem Stäbchengeländer integriert werden. Es kann einfach zur Seite geschoben werden, wenn es nicht gebraucht wird“, beschreibt Projektleiter Christopher Hazard allmannwappner die Vorteile. Die einzelnen Elemente können flexibel und unkompliziert aufgedreht und seitlich verfahren werden. Das System ist wartungsfrei und leicht von innen zu reinigen.

Öffentliches Belvedere

Für Erholungs- und Aufenthaltsqualität direkt im Umfeld der Wohnungen entwickelten die Architekten ein Haus mit viel Grünfläche und Spielbereichen. Die Schaffung eines Dachterrassengeschosses mit halböffentlichem Zugang war durch die Bauherrschaft vorgegeben. Dieser zusätzlichen Herausforderung begegneten die Architekten mit einer Freifläche, die die gesamte Fläche auf dem Sockelgeschoss überspannt. Auf diese Weise schufen sie die seltene Qualität eines Dachgartens mit halböffentlichem Zugang. Eine umlaufende Pergola aus freistehenden Betonelementen bildet einen räumlichen Abschluss für das Terrassengeschoss, welches die drei Wohnhäuser im ersten Obergeschoss verbindet und für das Projekt „Belvedere“ namensgebend war.

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