Die Abwärtsspirale durchbrechen

„Moment mal!“: Die Bundes­arbeits­­gemeinschaft Immo­bilien­wirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.

Jetzt hat es die Bundesregierung schwarz auf weiß: Warme Worte und laute Appelle bauen keine einzige neue Wohnung. Denn trotz aller Rhetorik stagnierte der Neubau in 2022 das zweite Jahr in Folge, wie das Statistische Bundesamt Destatis kürzlich vorrechnete. 295.300 Wohnungen wurden neu gebaut, also nur ein mageres Plus von 0,6 Prozent gegenüber 2021.

Damit verfehlt die Bundesregierung ihr selbst gestecktes Neubauziel von 400.000 Wohnungen bei Weitem. Der Neubau kann ohnehin nicht mehr mit dem steigenden Bedarf mithalten: Nach Berechnungen des Instituts empirica regio hätten im vergangenen Jahr sogar weit mehr als 400.000 Wohnungen neu gebaut werden müssen, um die hohe Nachfrage zu befriedigen.

In diesem Jahr wird es wohl nicht besser werden. Im Gegenteil: Der wachsende Bauüberhang sowie der Rückgang der Baugenehmigungen im ersten Quartal dieses Jahres lassen vermuten, dass die Zahl der neu gebauten Wohnungen weiter zurückgehen wird.

Auffällig ist, dass vom Neubaumangel besonders Einfamilienhäuser betroffen sind, also die typischen Eigenheime für Familien. Für Erwachsene in der Familiengründungsphase ist in vielen Fällen der Kauf einer eigenen Immobilie nicht mehr erschwinglich. Waren es vor Jahren noch Menschen mit geringeren Einkünften, sind es mittlerweile auch Kaufwillige mit mittleren Einkommen, die vor dem Erwerb von Wohneigentum zurückschrecken.

Was zunächst wie eine nüchterne Bestandsaufnahme klingt, entpuppt sich als gesellschaftlicher Sprengstoff. Denn unterbleibt die Bildung von Wohneigentum – gerade auch in der Mittelschicht der Gesellschaft –, fehlt es langfristig an Vermögensaufbau und Altersvorsorge. Auch der Druck auf die Mieten wächst, da verhinderte Käufer in Mietwohnungen drängen. Ein Zustand, mit dem sich Politik und Gesellschaft nicht zufriedengeben können!

Es braucht Lösungen, die dafür sorgen, dass sich wieder mehr Menschen in unserem Land ein Eigenheim leisten können. Grundlage für eine Politik für mehr Wohneigentum ist eine verlässliche Förderung. Es ist daher positiv, dass die Bundesregierung die Fördermittel für klimafreundliche Neubauprojekte wegen der hohen Nachfrage um 888 Millionen Euro aufstocken will. Damit sei das Programm bis Ende des Jahres gesichert, verspricht Bundesbauministerin Klara Geywitz.

Kritikwürdig bleibt allerdings, dass es die Förderung nur für den recht aufwändigen Effizienzhaus 40-Standard gibt, der für Normalverdiener einfach zu teuer ist. Für den Kauf einer günstigeren Bestandsimmobilie gibt es derzeit keine attraktive staatliche Förderung.

Dabei hätte der Staat einen Hebel in der Hand, den Neubau sofort wieder anzukurbeln: Hierfür müsste der Staat einfach junge Menschen und Familien entlasten, die zur Selbstnutzung für sich Wohneigentum erwerben wollen. Ein Anreiz und eine echte Erleichterung beim Kauf wäre ein großzügiger Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises beträgt. Also etwa die Hälfte der Erwerbsnebenkosten. Eine Entlastung bei der Grunderwerbsteuer könnten gerade jenen über die Schwelle in die eigenen vier Wände helfen, die nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen.

Genau dieses fehlende Eigenkapital ist momentan eine der größten Hürden beim Immobilienkauf. Da die Banken mittlerweile höhere Ansprüche an die Bonität und das Eigenkapital stellen, sollte der Staat auch Bürgschaften gewähren, die Eigenkapital ersetzen.

Ich empfehle der Bundesregierung einen Blick in den eigenen Koalitionsvertrag, der ihr gewissermaßen auf die Sprünge helfen könnte. Dort heißt es nämlich: „Die Hürden beim Eigentumserwerb wollen wir durch eigenkapitalersetzende Darlehen senken und Schwellenhaushalte langfristig z. B. mit Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Eigentumserwerb unterstützen.“ Wie wahr! Höchste Zeit, diesen Worten nun Taten folgen zu lassen. Es braucht einen Befreiungsschlag, um die Abwärtsspirale beim Wohnungsbau zu durchbrechen.

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