Bauen im Bestand

Balkone mit XXL-Verglasung

Bei einem 9-geschossigen Gebäude hat die Münchner GEWOFAG alte Balkone abgerissen und durch vor­gestellte Konstruktionen ersetzt. Ausgestattet sind sie mit großflächigen Verglasungen, die eine Balkonnutzung unabhängig von Wind und Wetter erlauben.

Die energetische Sanierung von Wohnungsbauten der Nachkriegszeit ist und bleibt ein hoch aktuelles Thema. Die baulichen Maßnahmen bewirken eine Anhebung des Energiestandards an gegenwärtige Anforderungen. Gleichzeitig nutzen die Eigentümer den Umbau häufig für eine architektonische Modernisierung des Bestandes.

Diesen Ansatz verfolgte auch die ­GEWOFAG Projektgesellschaft mbH, München, mit der Sanierung eines 9-geschossigen Wohn-Hochhauses aus dem Jahr 1963. Dabei stellte zunächst einmal der Standort des Ziegelbaus direkt am Innsbrucker Ring in München, einer 6-spurigen Hauptverkehrsstraße, die größte Herausforderung an ein geeignetes Sanierungskonzept dar. Im Rahmen eines beschränkten Realisierungswettbewerbs überzeugte die Münchner Projektgemeinschaft Richarz und Strunz mit ihrem Entwurf für einen ganzheitlichen Umbau, der neben einer Verbesserung des Energiestandards auch eine Steigerung der Wohnqualität versprach. So wurde das Thema Schallschutz von den Architekten von Anfang an zum integralen Bestandteil der Planung und als Grundlage für eine erfolgreiche Realisierung des Projektes erkannt.

Weniger, dafür größere Wohnungen

Die Fassade des Gebäudes wurde mit einer 14 cm starken Wärmedämmung versehen und anschließend verputzt. Die Fenster des Bestandsgebäudes sind durch neue Elemente mit einer Zweifachverglasung ersetzt worden. Deren Fensterrahmen sind mit Zuluft-Elementen ausgestattet, welche eine kontrollierte Belüftung der Innenräume gewährleisten. Der Entwurf der Architekten sah eine Umwandlung der ursprünglich 45 kleinen Wohnungen zu 32 Einheiten vor, deren Großteil aus familiengerechten 3- bis 5-Zimmerwohnungen besteht.

Ungefähr ein Drittel der Wohnungen wurde barrierefrei ausgebaut. Eine mögliche spätere Umrüstung der übrigen Wohnungen wurde bereits eingeplant. So ist beispielsweise die Geometrie der meisten Bäder auf die Nutzung mit einem Rollstuhl ausgelegt. Die Sanierungsmaßnahmen wurden von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern als Modellprojekt „WAL – Wohnen in allen Lebensphasen“ gefördert. Unterstützt wird damit ein Bauvorhaben, das das Zusammenleben von älteren Menschen und Familien fördert. Neben den familien- und seniorengerechten Wohnungen sind zahlreiche Einrichtungen feste Bestandteile der Wohnanlage. Dazu zählen etwa ein Concierge-Service für die Vermittlung von Hilfen und Serviceleistungen, ein Gemeinschaftsraum sowie eine therapeutische Wohngemeinschaft. Entstanden sind auch vier Projektwohnungen, in denen das Leben in eigener Wohnung mit der Betreuung und Pflege durch einen ambulanten Dienst verbunden wird. „Der große Aufwand hat sich gelohnt, weil wir wirklich ein Haus für Menschen in allen Lebensphasen errichtet haben, das trotz seiner Lage am Mittleren Ring zeitgemäßen Wohnkomfort bietet“, sagt Gordona Sommer, Geschäftsführerin der GEWOFAG.

Wohnqualität durch ­geschützte ­Außenräume

Der Ansatz der Architekten, Räume mit einer verbesserten Wohnqualität zu schaffen, ist auch in den Außenbereichen ablesbar. Die Balkone des Bestandsgebäudes waren klein und den Beeinträchtigungen durch den Verkehr ungeschützt ausgesetzt, so dass die Bewohner ihren Freiraum kaum nutzen konnten. Im Rahmen der Baumaßnahme wurden sie abgerissen und auf der Ost-, Süd- und Westseite durch eine selbsttragende, vor die Fassade gestellte Betonskelettkonstruktion aus Stützen und großen Balkonplatten, die in den Geschossdecken punktuell rückverankert wurden, ersetzt. Verglast wurden sie mit dem Schiebe-Dreh-System SL 25 XXL von Solarlux. Im geschlossenen Zustand erreicht das System eine Schallreduzierung von 17 dB, was die Freiräume dieses Gebäudes zu einem Außenraum mit hoher Aufenthaltsqualität macht. Die Bewohner sitzen geschützt vor den Emissionen des Verkehrs bei gleichzeitiger Wahrung der Transparenz. Die einzelnen Flügel der Verglasung tragen keine Profile, so dass die Wirkung als Außenraum bestehen bleibt und der Ausblick, teilweise bis zu den Alpen, nicht beeinträchtigt wird. Neben dem Schallschutz wirken die gläsernen Elemente in der kühleren und kalten Jahreszeit als Wärmepuffer, der eine Reduzierung der Heizenergie und -kosten ermöglicht. Bestehen bleibt die Möglichkeit, die Verglasung über die gesamte Breite der Balkone zu öffnen und Platz sparend seitlich zu parken. Realisiert wurden Öffnungsweiten zwischen 3,30 und 4,10 m. Insgesamt sind 333 Flügel mit einer Verglasung aus 10 mm Einscheibensicherheitsglas (ESG) montiert worden. Geöffnet wird die Verglasung mit einer Einhand­bedienung durch einen Edelstahlseilzug. Im geschlossenen Zustand ist das Schiebe-Dreh-System Wind und Schlagregen abweisend, offene Fugen sorgen für eine sinnvolle Dauerbelüftung.

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