Nachverdichtung

Gemischte Immobilien: Unter einem Dach mit ALDI SÜD

Große Grundstücke im Stadtgebiet mit eingeschossigen Lebensmittelmärkten und Parkplätzen zu bebauen, kommt heute kaum mehr in Frage – zu hoch ist der Wohnraummangel in vielen Ballungsgebieten. Als Konsequenz entwickeln Einzelhändler neue Filialkonzepte für innerstädtische Lagen und überbauen ihre Ladenflächen immer häufiger mit Wohnungen oder anderen Nutzungsklassen. ALDI SÜD realisiert derzeit eine gemischte Immobilie in Pforzheim.

Gemischte Immobilien sind per se nichts Neues. Seit einigen Jahren rücken sie aufgrund der zunehmenden Flächenversieglung – beziehungsweise Regulatorien, die dieser entgegenwirken sollen – und aufgrund des Grundstückmangels erneut in den Trend. Bis 2030 will die Bundesregierung den Flächenneuverbrauch auf 30 Hektar pro Tag senken, bis 2050 soll die Netto-Null erreicht werden. Gebaut werden soll dann bevorzugt auf bereits erschlossenen und/oder brachliegenden Flächen anstatt auf der grünen Wiese.

Das Konzept gemischter Immobilien birgt für mehrere Parteien Vorteile: Innenstädte werden verdichtet, Arbeitsplätze geschaffen und zusätzlicher Wohn- oder Nutzraum entsteht. Gleichzeitig kann der Lebensmittel-einzelhandel zum Frequenzbringer für das ganze Viertel werden und das Geschäft in anderen Läden ankurbeln. Für die Anwohner schafft die Mischnutzung kurze, schnelle Wege. Dieser Aspekt gewinnt vor dem Hintergrund einer immer älteren Gesellschaft und einer gestiegenen Distanzsensibilität der jüngeren Generationen zunehmend an Bedeutung. Die Bereitschaft, für Einkäufe Zeit zu investieren und Distanzen zurückzulegen, sinkt. Der stationäre Einkaufsort bleibt dann attraktiv, wenn er mit verschiedenen Mobilitätsangeboten gut erreichbar ist und sich ohne großen Mehraufwand einfach in die täglichen Laufwege einfügt. 

ALDI SÜD, Senioren und Kinder unter einem Dach

An der Schwarzwaldstraße in Pforzheim entwickelt ALDI SÜD, unterstützt von Drees & Sommer in der Projektsteuerung, eine gemischte Immobilie in Innenstadtlage. Auf dem Grundstück befand sich ein ehemaliges Postgebäude, das bereits abgerissen wurde. Der Gebäudeentwurf von lennermann krämer architekten vereint die ALDI SÜD-Filiale mit einer Parkebene, Wohneinheiten für Senioren sowie einer Kindertagesstätte. Auf einer Grundstücksfläche von rund 2.800 Quadratmetern erhält die Filiale im Erdgeschoss des Gebäudes rund 1.600 Quadratmeter Nutzfläche, davon etwa 1.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Über dem Markt entsteht eine Parketage mit insgesamt 64 Stellplätzen. Die Etage erhält eine offene Fassadenfläche für eine natürliche Belüftung.

Ein L-förmiger Baukörper in den oberen drei Geschossen bietet Platz für eine Kindertagesstätte mit vier Gruppen, 43 Appartements in unterschiedlicher Größe, welche für Betreutes Wohnen geeignet sind, sowie Räume für Pflegepersonal. Durch die L-Form entsteht zwischen dem Baukörper und den angrenzenden Gebäuden ein an drei Seiten geschlossener Hof, in dem ein Außengelände für die Kita sowie ein Garten für die Senioren angelegt werden soll. Im März dieses Jahres starten die Rohbauarbeiten, 2024 soll das Gebäude fertiggestellt werden.

Win-Win für mehrere Parteien

Das Projekt entsteht in enger Abstimmung mit dem Sozialamt sowie dem Planungsamt der Stadt Pforzheim. In Gesprächen mit den Verantwortlichen wurde deutlich, dass es in Pforzheim einen großen Bedarf an betreuten Wohneinheiten und Kinderbetreuung gibt. Das Konzept für die gemischte Immobilie verbindet daher die Interessen der Stadt mit denen von ALDI SÜD. Mit seiner Lage am Rande des Pforzheimer Stadtzentrums, nahe einer der Hauptverkehrsadern und am Eingang eines großen Gebietes mit vorwiegender Wohnbebauung, verbessert das Projekt mit seiner vorgesehenen Nutzung die Nahversorgung der Anwohner, ergänzt das Angebot für Familien mit Kindern – an der Schwarzwaldstraße befinden sich bereits mehrere Schulen – und schafft attraktiven Wohnraum für ältere Menschen in innerstädtischer Lage.

ALDI SÜD hat sich in den letzten Jahren bei der Gestaltung von Filialen und Mixed-Use-Immobilien stark weiterentwickelt und plant heute vielfältiger: Vor zehn Jahren wäre das Grundstück noch zu klein gewesen. Mittlerweile entwickelt ALDI SÜD maßgeschneiderte, flächenschonende Filialkonzepte für innerstädtische Lagen und baut beispielsweise an zentraler Stelle – wie in Pforzheim – in die Höhe.

Höhere Investition mit Chance auf neue Einnahmequellen

Fest steht: Filialen in einer gemischt genutzten Immobilie sind in der Planung und der Bauausführung komplexer als Standardfilialen am Stadtrand oder im Gewerbegebiet. Ein freistehender eingeschossiger Supermarkt, wie man ihn klassischerweise kennt, lässt sich in unter acht Monaten errichten. Dem gegenüber beläuft sich die Bauzeit einer gemischten Immobilie mit Handelskomponente teilweise auf über zwei Jahre – je nach Projekt und angedachter Nutzungsklassen. Das erfordert zusätzliche Dienstleistungen, zum Beispiel im Projektmanagement beziehungsweise der Projektsteuerung oder von Gutachtern und Beratern für Bauphysik, Fassadenengineering oder Brandschutz.

Bei der Entwicklung gilt es, die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojektes zu gewährleisten: die Kostendeckung des Markes an sich und die Wirtschaftlichkeit der Projektentwicklung mit unterschiedlichen Assetklassen. Solche Konzepte eignen sich für Regionen, die eine positive demografische Entwicklung aufweisen und einen entsprechenden Kaufkrafteinzug aufweisen, hauptsächlich Metropolregionen und Oberzentren.

Mischnutzung stellt besondere Anforderungen

Bereits bei der Zonierung und Bemessung des Baukörpers beginnen die Unterschiede zwischen einem klassischen, freistehenden Markt und einer Mixed-Use-Immobilie. Um das Grundstück optimal auszunutzen, werden bei Letzterem die Stellplätze meist in das Gebäude verlegt – über oder unter die Verkaufsfläche. Ein veränderter Zugang zur Handelsfläche, über Aufzüge, Rollsteige oder Treppen, wirkt sich jedoch auf die Umsatzstärke der Flächen aus. Optimal ist ein ebenerdiger Zugang auf Erdgeschossniveau. Bezogen auf die Fassadengestaltung gilt es, die Merkmale der Corporate Identity des Discounters mit den weiteren Nutzungsklassen zu einem harmonischen Gesamterscheinungsbild zu vereinbaren.

Des Weiteren müssen Bauherren mehr in den Schallschutz investieren, damit frühmorgendliche Warenanlieferungen die Bewohner und Nachbarn nicht aus dem Schlaf reißen oder sie durch sich öffnende und schließende Autotüren auf der Parketage gestört werden. Discounter in gemischten Immobilien folgen hierfür speziellen Konzepten. Die Be- und Entladung der LKW erfolgt beispielsweise in geschlossenen Garagen und es werden erhöhte Schallschutzmaßnahmen umgesetzt, darunter auch die Wahl von besonders geräuscharmen Kühlanlagen. 

Eine weitere Herausforderung stellt die Statik dar: Die Überbauung erfordert andere Stützenstellungen als bei einem freistehenden Markt, da die Last der darüberliegenden Geschosse verteilt werden will. Gleichzeitig muss die Platzierung der Stützen insbesondere innerhalb der Verkaufsfläche mit bestehenden Filialkonzepten vereinbar sein und darf bei der idealen Wegeführung des Kunden durch den Markt nicht beeinträchtigen. Bei der TGA-Planung sollten bereits die unterschiedlichen Nutzungsklassen verschiedener Gebäudeteile bedacht werden, damit der Bauherr die gemischte Immobilie in Teilen oder in Gänze veräußern oder vermieten kann. Durch eine haustechnische Separierung ist im späteren Betrieb eine gesonderte Abrechnung der Medienversorgung problemlos möglich. 

Gemischte Immobilien und Quartiere zukünftig gefragt

Gemischte Immobilien sind sowohl für die Nachverdichtung in Innenstädten interessant, als auch im Rahmen von Quartiersentwicklungen in den Speckgürteln großer Städte. Laut einer gemeinsamen Analyse des ifo Instituts und immowelt vom Februar 2023 ist der Pandemie-bedingte Trend zum Wegzug aufs Land zwar inzwischen wieder etwas abgeflaut, jedoch sind kleinere Großstädte und Vororte weiterhin gefragte Wohngegenden. Für Projektentwickler, Bauherren und Investoren bietet dieser Trend eine gute Chance, neue Investitionsprojekte und Geschäftsmodelle in Form gemischter Immobilien und Quartiere umzusetzen, die die Vorteile einer urbanen Umgebung mit der Naturnähe, günstigen Preisen und einer hohen Lebensqualität verbinden.

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