Zukunftsfähige Entwässerungskonzepte

Die Arbeitshilfen Abwasser haben sich seit den 1990er-Jahren zu einem wichtigen Regelwerk an den Schnittstellen zwischen den Bauverwaltungen des Bundes und der Länder, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, der Bundeswehr sowie den beteiligten Fachplanern entwickelt. Sie wurden im Jahr 2018 in den Status einer Baufachlichen Richtlinie überführt (www.bfr-abwasser.de).

Baufachliche Richtlinien Abwasser

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ist Eigentümerin von mehreren tausend zivil und militärisch genutzten Bundesliegenschaften, die über eigene Entwässerungssysteme verfügen. Diese variieren in Abhängigkeit der Größe von der einfachen Gebäudeanschlussleitung mit wenigen Metern Länge bis hin zu komplexen Systemen mit mehr als hundert Kilometer Länge, z.B. Flugplätze der Bundeswehr.

Zur sachgerechten Planung, Bau und Betrieb von abwassertechnischen Anlagen werden vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) die Baufachlichen Richtlinien Abwasser herausgegeben.

Auf Grundlage von gesetzlichen und technischen Baubestimmungen definieren die BFR Abwasser ein Qualitätsmanagement zur Einhaltung übergeordneter Schutzziele respektive Betriebssicherheit, Standsicherheit und Dichtheit. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal ist dabei der Grundsatz der Einheitlichkeit in der Erfassung und Bewertung der bundesweit vorhandenen Entwässerungssysteme unabhängig von ihrer Größe und Komplexität. Dadurch sind die Entwässerungssysteme vergleichbar; Handlungsbedarfe können somit identifiziert und Investitionskosten für den Erhalt und die Sanierung können optimal gesteuert werden.

Als zentrales Regelwerk enthalten die BFR Abwasser Vorgaben für die Zusammenarbeit zwischen den Bundesministerien, der BImA, der Bundeswehr und den Bauverwaltungen. Zusätzlich treffen die BFR Abwasser fachliche Ergänzungen zu technischen Regelwerken u.a. zu den DIN Normen und den Arbeitsblättern der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA), um den spezifischen Anforderungen des Bundes Rechnung zu tragen.

Ein Beispiel dafür sind die ISYBAU-Austauschformate Abwasser, die aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Erfassung und Bewertung entwickelt wurden.

Der Datenaustausch von Bestands-, Zustands-, Hydraulik- und Betriebsdaten zwischen der Bauverwaltung, der Bundeswehr und der BImA, Ingenieurbüros und Inspektionsfirmen erfolgt somit über einheitlich definierte Schnittstellen. Im Laufe der letzten Jahre haben sich die Datenschnittstellen zu einem bundesweit anerkannten Standard entwickelt, der auch in vielen Kommunen genutzt wird. Mit Hilfe der eingeführten Softwarewerkzeuge werden die erfassten Bestands- und Zustandsdaten der Entwässerungssysteme in das Liegenschaftsinformationssystem Außenanlagen (LISA®) des Bundes übernommen.

Generelle Planung

Für die generelle Entwässerungsplanung in Bundesliegenschaften wird ein „Liegenschaftsbezogenes Abwasserentsorgungskonzept (LAK)“ erstellt. Auf Basis von aktuellen Bestandsdaten der abwassertechnischen Anlagen durch Vermessung, zugehörigen bautechnischen Zustandsdaten auf Grundlage optischer Inspektion mittels Kamerabefahrung, Nachrechnung und Bewertung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Entwässerungssystems mit Kanalnetzmodellen, betrieblichen Erfahrungen sowie der zukünftigen Nutzung wird ein entwässerungstechnisches Gesamtkonzept für die gesamte Liegenschaft entwickelt. Damit wird erreicht, dass sowohl die Auswirkungen von Einzelmaßnahmen auf das Gesamtsystem als auch übergeordnete, strukturelle Anforderungen als Vorgabe für einzelne Baumaßnahmen Berücksichtigung finden. Durch den umfassenden Planungsansatz werden kostenoptimale Sanierungsvorschläge für den Bau und den langfristigen Betrieb der Entwässerungssysteme erarbeitet, die den wirtschaftlichen Bau und den langfristigen Betrieb der Entwässerungssysteme sicherstellen.

Niederschlagswasserbewirtschaftung

Die naturnahe Niederschlagswasserbewirtschaftung ist ein zentraler Planungsgrundsatz der BFR Abwasser bei der Sanierung bestehender Entwässerungssysteme aber auch im Rahmen von Neubaumaßnahmen. Durch konzeptionelle Bausteine wie

– Abflussvermeidung, z.B. durch Gründächer bei Neubaumaßnahmen,

– Entsiegelung bestehender abflusswirksamer Flächen, z.B. durch Rasengittersteinen bei Parkplätzen sowie durch die

– Versickerung von Niederschlagswasser vor Ort über Grünflächen oder Versickerungsmulden

werden die Abflussvolumina und Abflussspitzen in den Entwässerungssystemen reduziert. Damit wird der Nachhaltigkeitsansatz des Erhalts der Wasserbilanz vor Ort unterstützt und dem Versickerungsgebot des Wasserhaushaltsgesetzes Rechnung getragen. Zusätzlich wird ein Beitrag zum Hochwasserschutz geleistet. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden Kosten für die Regenwasserableitungsgebühren eingespart.

Starkregen

Die Häufung extremer Starkregenereignisse führt in zunehmendem Maße zu Überlastungen der Entwässerungssysteme; die hohen Intensitäten der Starkregenereignisse übersteigen dabei die Bemessungsintensitäten der ursprünglichen Dimensionierung. Die möglichen Schäden reichen von Sachschäden und Schäden an der Bausubstanz bis hin zu Gefährdung und Ausfall sensibler Infrastrukturen und Nutzungen.

Die räumliche Verteilung der Starkregen­ereignisse zeigt, dass nahezu jeder Ort in Deutschland durch Starkregen gefährdet ist. So enthalten die BFR Abwasser auch Hinweise, um das Gefährdungspotential für die Liegenschaften und Gebäude durch Starkregen abschätzen zu können. Die systematische Analyse des Gefährdungspotenzials wird mit Hilfe einer Prüfliste für die Ortsbegehung zur Identifikation umweltbezogener Einflussgrößen (z.B. Tal- oder Senkenlage der Liegenschaft bzw. Gebäude, Versiegelung im Nahbereich) und möglicher Eintrittspfade in die Gebäude (z.B. fehlende Rückstausicherungen, Kellerfenster) unterstützt. Auf Grundlage der Ergebnisse können konkrete Hinweise und Empfehlungen für den ganzheitlichen Objektschutz ermittelt und umgesetzt werden.

Fazit

Mit der Überführung der Arbeitshilfen Abwasser in die Bauchfachlichen Richtlinien Abwasser und deren Fortschreibung zur Berücksichtigung aktueller technischer Entwicklungen auf dem Gebiet der Abwassertechnik stellt der Bund ein technisches Regelwerk für die Bauverwaltungen des Bundes und der Länder, der BImA, der Bundeswehr sowie den beteiligten Planungsingenieuren zur Verfügung. Mit dem hohen Qualitätsniveau der BFR Abwasser werden nach einheitlichen Vorgaben Entwässerungssysteme und Abwasseranlagen in Liegenschaften des Bundes nachhaltig und zukunftsfähig geplant sowie wirtschaftlich betrieben.

Ansprechpartner

Jochem Lehne, Hagen Keller, Karsten Heine,
Niedersächsisches Landesamt für Bau und Liegenschaften, Referat BL15, Leitstelle des Bundes für Abwassertechnik
https://www.leitstelle-des-bundes.de/Inhalt/awt
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