Wie der demografische Wandel Deutschland verändert

Veränderungen in der Anzahl und Struktur der privaten Haushalte haben einen großen Einfluss auf die Wohnungsnachfrage und damit auch auf die zukünftige Nutzung des Wohnungsbestandes.

Derzeit werden im Rahmen eines Forschungsprojektes am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf den Wohnungsbestand bis 2060 untersucht.

Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland stehen die demographischen Veränderungen, der Wohnungsleerstand und damit verbunden die Chancen für einen Umbau des Wohnungsbestandes im Mittelpunkt der Diskussion. Die Dynamik dieses Prozesses wird wesentlich beeinflusst durch die Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung. In Ostdeutschland (mit Berlin) ist die Zahl der Bevölkerung von 1991 bis 2011 von 18,1 Mio. auf 16,2 Mio. gesunken, in Westdeutschland (ohne Berlin) von 62,1 Mio. auf 65,5 Mio. angestiegen (Statistisches Bundesamt 2012). Nachfrager am Wohnungsmarkt sind allerdings die privaten Haushalte, deren Anzahl nicht nur von der Bevölkerungsentwicklung abhängig ist, sondern auch von der Haushaltsgröße. So ist die Anzahl der Haushalte in Ostdeutschland trotz gesunkener Bevölkerung im gleichen Zeitraum von 7,8 Mio. auf 8,6 Mio. angewachsen. Dieser Zuwachs wird allein durch die Haushaltsverkleinerung von durchschnittlich 2,31 Personen auf nur noch 1,88 Personen je Haushalt getragen. In Westdeutschland stieg die Zahl der Haushalte um 4,4 Mio. auf 31,8 Mio. an. Die Zahl der Personen je Haushalte sank von 2,26 auf 2,06. Zukünftig ist allerdings davon auszugehen, dass sich der in den letzten 20 Jahren sehr dynamisch verlaufende Haushaltsverkleinerungsprozess mittel- bis langfristig abmildern oder gar umkehren könnte.

Zukünftige Anzahl und Struktur der Haushalte

Für die Abschätzung der Anzahl und Struktur der Haushalte bis 2060 wurden die 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes sowie Daten zur Haushaltsgrößenstruktur 1998 bis 2009 herangezogen. Die Bestimmung der Haushaltszahlen erfolgte mittels Haushaltsmitgliederquotenverfahren. Im Kern beruht diese Methodik auf einer Verteilungsprognose, welche die künftige Bevölkerung verschiedenen Haushaltsgrößen zuordnet. Betrachtet wurden sieben Altersgruppen und fünf Verhaltensgruppen, die hypothesengestützt für mehrere Varianten fortgeschrieben wurden (Oertel 2012). Im Folgenden werden die Ergebnisse auf der Basis der Bevölkerungsvariante 1-W1 (Untergrenze „mittlere“ Bevölkerung) vorgestellt.

Die Entwicklung der Haushaltszahl unterscheidet sich zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Bundesländern deutlich. Ostdeutschland wird demnach von 2011 bis 2030 etwa 0,7 Mio. Haushalte und von 2031 bis 2060 weitere 1,64 Mio. Haushalte verlieren. Die Zahl der Personen je Haushalte wird weiter sinken, wenn auch moderater als bisher. Bis 2040 ist mit einem relativ gleichmäßigen Rückgang auf 1,76 Personen je Haushalt zu rechnen, danach kommt der Haushaltsverkleinerungsprozess voraussichtlich fast zum Erliegen. Das ist auch ein wesentlicher Grund dafür, dass sich der Rückgang der Haushaltszahl nach 2040 noch einmal beschleunigt. Für Westdeutschland wird bis 2060 ein leicht degressiv fallender Haushaltsverkleinerungsprozess von 2,06 Personen auf 1,85 Personen je Haushalt erwartet. Trotz leicht sinkender Bevölkerungszahlen steigt in Westdeutschland die Zahl der Haushalte von 2011 bis 2025 noch um fast 1 Million. Danach nimmt die Anzahl der Haushalte bis 2060 um 3,8 Mio. ab.

Die Haushaltsstruktur wird sich ebenfalls erheblich verändern. Ursache dafür ist die Kombination von Mengeneffekten innerhalb der Altersstruktur, d.h. das Altern unterschiedlich besetzter Alterskohorten und der sich rasant verändernde Anteil der Hochbetagten. Die Zahl der Einpersonenhaushalte wird in Westdeutschland bis 2060 noch um etwa 15 % ansteigen, in Ostdeutschland bleibt die Anzahl bis 2040 fast konstant und sinkt dann bis 2060 um 10 %. Bedeutender sind die Veränderungen der Zweipersonenhaushalte und der Haushalte mit 3 und mehr Personen. In Ostdeutschland geht die Anzahl in beiden Gruppen um jeweils 40 % zurück. Der Entwicklungsverlauf ist jedoch sehr unterschiedlich. Die Zahl der Zweipersonenhaushalte entwickelt sich progressiv fallend, die der 3 und Mehrpersonenhaushalte degressiv fallend. In Westdeutschland steigt die Zahl der Zweipersonenhaushalte bis 2025 noch um 7 % an und geht danach um fast 25 % zurück. Die Anzahl der 3- und mehr Personenhaushalte verringert sich bis 2060 kontinuierlich um ein Drittel. Diese Entwicklungen könnten zu Vermietungsschwierigkeiten insbesondere bei den größeren Wohnungen führen.

Auswirkungen auf der Angebotsseite

Die skizierten Veränderungen in der Anzahl und der Struktur der Haushalte werden sich auch auf den Wohnungsbestand auswirken. Einflüsse ergeben sich auf die zukünftige Neubautätigkeit, Wohnungsabgänge, Wohnungsleerstände und auf nachgefragten Wohnungsgrößen und Gebäudetypen.

In Ostdeutschland könnte selbst bei einer ausgeglichenen Bautätigkeit (Summe aus Neubau und Abriss) der Wohnungsleerstand langfristig auf über 30 % ansteigen. Bereits ab 2015 ist mit einer zweiten Leerstandswelle zu rechnen, da die in der Vergangenheit sehr stark leerstandsreduzierend wirkende Komponente einer steigenden Zahl der Haushalte nicht mehr wirkt. Das macht deutlich, welche Bedeutung der Rückbau und Umbau des Wohnungsbestandes zukünftig bekommt.

Auch ist zu erwarten, dass der Abriss von Wohngebäuden schwieriger wird, da kaum noch unsanierte Gebäude bestehen und sich der Leerstand gleichmäßiger innerhalb der Städte über die verschiedenen Baualtersklassen verteilt. So wird es nicht ausbleiben, dass in Zukunft auch mit Neuschulden belastete Gebäude vom Markt genommen werden müssen. In Westdeutschland stellt sich mittelfristig die Situation etwas günstiger dar. Bis 2025 sind noch etwa eine Mio. Haushalte zusätzlich mit Wohnraum zu versorgen. Insbesondere in den wirtschaftlich starken Ballungszentren ist schon derzeit die Nachfrage sehr hoch.

Ab 2030 werden aber auch in Westdeutschland die sinkenden Haushaltszahlen den Wohnungsmarkt in ähnlicher Weise beeinflussen wie in Ostdeutschland. Das bedeutet, dass langfristig auch in Westdeutschland der Wohnungsleerstand nicht nur regional begrenzt, sondern fast flächendeckend zum Problem werden könnte.

Kritisch könnte zukünftig auch die Situation im Bestand der Ein- und Zweifamilienhäuser werden. Ab 2020 wird die Zahl der Eigentümerwechsel aufgrund der demografischen Entwicklungen deutlich zunehmen und die Anzahl an Gebrauchtimmobilien am Markt deutlich ansteigen. Gleichzeitig sinkt das Potenzial an möglichen Eigentumserwerbern bis 2045 um 30 %. Zusätzlich führen unsichere Arbeitsverhältnisse sowie höhere Anforderungen an die berufliche Mobilität zum kritischen Überdenken eines Eigentumserwerbs. Dies würde eine Situation eines steigenden Angebotes an Einfamilienhäusern erzeugen, welches auf eine immer geringere Nachfrage träfe.

Fazit

Insgesamt bergen die aufgezeigten Tendenzen ein erhebliches Risiko für die Immobilienwirtschaft. Für Ostdeutschland ist erkennbar, dass der Stadtumbauprozess längst nicht abgeschlossen ist. Wohnungsleerstand und Rückbau werden zunehmend wieder ein Thema sein. Der Stadtumbau ist deshalb als ein dauerhafter, langfristiger Prozess zu begreifen. In Westdeutschland dominiert derzeit in vielen Regionen noch eine hohe Nachfrage bei zu geringem Angebot. Diese Situation könnte sich nach 2025 grundlegend verändern. Die westdeutschen Kommunen sind deshalb gut beraten, sich rechtzeitig mit der Schrumpfungsproblematik und den möglichen Folgen auseinanderzusetzen.

QuellenverzeichnisOertel, H. (2012): Vorausschätzung der Zahl und Struktur privater Haushalte in Deutschland bis zum Jahr 2060. Projektbericht. Dresden (unveröffentlicht).Statistisches Bundesamt (2012): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalte und Familien. Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Fachserie 1, Reihe 3. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.

In Ostdeutschland könnte selbst bei einer ­ausgeglichenen Bautätigkeit der Wohnungsleerstand langfristig auf über 30 % ansteigen.

Ab 2030 werden aber auch in Westdeutschland die sinkenden ­Haushaltszahlen den Wohnungsmarkt in ähnlicher Weise beeinflussen wie in Ostdeutschland.

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