Nachhaltiges Bauen

Wärmepumpen flexibel eingesetzt

Das „ausgezeichnete“ Leipziger Holzhaus ist – nicht zuletzt – durch seine ökologische Heiztechnik ein Statement. Zum Heizen oder Kühlen werden zwei Wärmepumpen eingesetzt, über die sowohl die Wärme aus der Luft wie aus dem Boden gezogen werden.

Sukzessive hat sich die historische Messestadt Leipzig in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu einer Architekturstadt mit weit reichender Strahlkraft entwickelt. Dabei sind es nicht nur die namhaften Investoren – wie Porsche und BMW, die Universität oder der MDR – die Zeichen setzen. In nahezu allen Stadtteilen, wie an der Felsenkellerstraße in Lindenau, finden sich vielmehr genauso Beispiele bürgerlichen Engagements, die im wahrsten Sinne für eine ausgezeichnete Architektur der Moderne stehen. Hier: das von dem Architekten Dirk Stenzel entworfene Holzhaus der Baugemeinschaft „Z8“, das für seine Architektur wie auch für die ökologische Herangehensweise mittlerweile mit mehr als einem halben Dutzend renommierter Preise ausgezeichnet worden ist.

Der Neubau auf dem Gelände einer ehemaligen Tankstelle ist als erster 5-Geschosser in Leipzig komplett als Massivholzkonstruktion errichtet. Ein Novum, weil die Landesbauordnung das eigentlich (noch) nicht hergibt. Aber ökologisch vorbildlich, denn in der Lebenszyklusbetrachtung ist Holz als Kohlendioxidspeicher bekanntlich der umweltverträglichste Werkstoff überhaupt. Lediglich die Bodenplatte und der Treppenhauskern mit Aufzugschacht sowie, aus statischen Gründen, die Abfangung der im Erdgeschoss freitragenden Gebäudespitze sind aus Beton. Doch bereits die Zwischendecken wurden schon wieder auf weit spannenden Leimbindern als gebundene Schüttung plus Estrich ausgeführt.

Energetisch erreicht das Objekt mit gemischter Nutzung – im Erdgeschoss und 1. OG ein Bürohandel als Gewerbe, zudem vier Wohneinheiten – KfW-Effizienzhaus 55-Niveau. Architekt Stenzel: „Eine Herausforderung war dabei nicht die Gebäudekonstruktion an sich. Die erfüllt dank Holz und entsprechendem Fassadenaufbau unsere hohen Ansprüche an energiesparendes Bauen. Schwierig wurde es bei unserem energetischen Gesamteffizienzanspruch aber durch die großen Glasflächen der Gewerbeeinheit. Die sorgen im Sommer für einen massiven Wärmeeintrag, der abgefangen werden muss.“

Gelöst wurde die Herausforderung über ein mit dem Ingenieurbüro für Energieeffizientes Bauen und Wohnen in Leipzig (IEBW) entwickeltes Energiekonzept aus zwei Wärmepumpen. Die eine zieht als Luft-/Wasser-Wärmepumpe die Energie aus der Luft und bedient die Gewerbeeinheit, die zweite Anlage – für die Wohnungen – wiederum ist eine Sole-/Wasser-Wärmepumpe mit vier Erdsonden. Hinzu kommt die Nutzung von Solarthermie.

Trennung der Nutzungsbereiche

Die notwendige thermische Aufteilung des Objektes ergab sich für Dipl.-Ing. Jörg Geißler vom IEBW fast schon zwangsläufig aus der Art der Nutzung. Die Gewerberäume mit hohen, offenen Räumen und mit vielen Glasflächen benötigen nachvollziehbar tagsüber die meiste Heiz- oder Kühlleistung, während sich die Nutzung der Wohnungen eher auf die Abende und die Wochenenden bündelt. Für die Wohnungen sind zumindest kalkulatorisch außerdem wassergeführte Kaminöfen in die Wärmebedarfsberechnung eingeflossen.

Berücksichtigt werden musste darüber hinaus der deutlich höhere Bedarf an Kühlleistung in den Gewerberäumen aufgrund der Glasflächen, die im Sommer für entsprechende Wärmeeinträge sorgen. Die Warmwasserbereitung wiederum fällt vor allem für den Wohnbereich an; im Ladenbereich stellt sie hingegen eine weitestgehend vernachlässigbare Größe dar.

Als Ergebnis kam für den Ladenbereich eine Luft/Wasser-Wärmepumpe flexoTHERM exclusive mit 17 kW Leistung und aktiver Kühlung sowie ergänzenden Elektro-Umlauf-Wasserheizer eloBLOCK mit 20 kW Leistung zum Einsatz. Die Wohneinheiten des Neubaus wiederum werden ebenfalls über eine flexoTHERM-Wärmepumpe, diesmal aber in der Sole/Wasser-Ausführung mit 14 kW Leistung versorgt. Die kostenlose Umweltwärme kommt dabei über vier Erdsonden, die rund 90 Meter in Fels abgeteuft sind und einen 1.500-Liter-Multifunktionsspeicher allSTOR beschicken. Auf diesen Speicher zusätzlich aufgeschaltet ist eine thermische Solaranlage auroTHERM mit acht Kollektoren, die auf dem Flachdach perfekt nach Süden ausgerichtet aufgeständert werden konnten. Der solare Deckungsgrad gesamt liegt dadurch bei etwa 23 Prozent.

Während für die Gewerbeeinheit die Kühlfunktion aktiv über den Kompressor der Wärmepumpe läuft, werden die Wohngeschosse passiv gekühlt: Im Umkehrbetrieb führt die Sole/Wasser-Wärmepumpe die Wärmelast über die Flächenheizsysteme in den Wohnungen auf die Erdsonden zurück. Das bringt mit minimalem Energieeinsatz eine Temperaturreduzierung von etwa 4 bis 5 K.

Komplexität auf kleinstem Raum

Dass dieses von Geißler in enger Kooperation mit Architekt und Investor Stenzel unter dem Aspekt maximaler Wärmeausnutzung entwickelte, zweigleisige Energiekonzept auch das ausführende SHK-Fachunternehmen Daniel Kahlert GmbH (Leipzig) vor Herausforderungen stellen sollte, liegt angesichts der auf Höchsteffizienz getrimmten Anlagentechnik auf der Hand: „Hinzu kam, dass uns dafür Neubauten-typisch in dem Haustechnikraum nur vergleichsweise wenig Platz zur Verfügung stand“, so Kahlert.

Im ersten Schritt setzte der SHK-Fachmann daher auf Systemtechnik aus einer Hand, hier von Hersteller Vaillant: „Damit war beispielsweise unabhängig von der Frage der regenerativen Wärmequelle schon einmal der identische Aufbau der Wärmepumpen mit der zugehörigen Regelungstechnik für eine möglichst reibungslose, schnittstellenfreie Installation abgesichert“, so Kahlert. Gleiches galt für die thermische Solaranlage, die notwendigen Pumpengruppen und die ergänzenden Systemkomponenten, wie beispielsweise eine Trinkwasserstation zur bedarfsgerecht hygienischen Trinkwarmwasserbereitung für die Gewerbeeinheit oder der spezielle 100-Liter-Speicher, der neben einem gesonderten „Puffer“ für die aktive Kühlung notwendig ist.

Im zweiten Schritt entwarf Kahlert für den Haustechnikraum ein Installationslayout, in dem definitiv wohl jeder Quadratzentimeter Platz bestmöglichst ausgenutzt wurde. Kahlert: „Das setzt nicht nur die entsprechende Erfahrung für den Platzbedarf bei der Erstinstallation voraus, sondern muss natürlich auch die später möglicherweise notwendigen Service- und Wartungsarbeiten schon vorab mit einbeziehen.“

Fazit

Dass sich die auf einen möglichst geringen Primärenergieeinsatz ausgerichtete Architektur und Ausführung des Gebäudes wie die effizienzbezogene Konzeption der Anlagentechnik ausgezahlt hat, macht nicht nur ein Blick auf die wesentlichen Eckdaten des Neubaus in Leipzig deutlich. Auch die in der Praxis erreichten Leistungszahlen der beiden Wärmepumpen belegen eindrucksvoll die Nachhaltigkeit des gesamten Bauwerks. Die Jahresarbeitszahl (JAZ) der Sole/Wasser-Wärmepumpe ist mit 4,81 ausgewiesen, die JAZ der Luft/Wasser-Wärmepumpe für die Gewerbeeinheit erreicht 4,8.

„Diese gerade für ein solches Objekt sehr guten Werte sind nur zu erreichen, weil mit Blick auf den bevorzugten regenerativen Wärmeerzeuger die Nutzungseinheiten und ihre wärmespezifischen Anforderungen getrennt betrachtet wurden“, bestätigt auch Vaillant-Verkaufsberater Hartmut Rokosch: „Dann aber ist es problemlos möglich, die Wärmepumpen auf ihren optimalen Betriebspunkt hin auszulegen und über den Systemverbund der Anlagen zugleich individuelle Bedürfnisse, wie eine komfortable Warmwasserversorgung oder die ressourcenschonende Abfuhr hoher Wärmelasten, zusätzlich in die Anlagenkonzeption einfließen zu lassen.“

Der Neubau auf dem Gelände einer ehemaligen Tankstelle ist als erster Fünfgeschosser in Leipzig komplett als Massivholzkonstruktion errichtet.

Energetisch erreicht das Objekt mit gemischter Nutzung KfW-Effizienzhaus 55-Niveau.

Der Architekt und sein Objekt

Dipl.-Ing. Architekt Dirk Stenzel hat es sich mit seinem „ASUNA – Atelier für strategische und nachhaltige Architektur“ zum Ziel gesetzt, Gebäude und urbane Räume entlang der drei Säulen der Nachhaltigkeit – Soziales, Ökonomie und Ökologie – zu betrachten und in eine Architektur zu überführen, die den schonenden Umgang mit Ressourcen und Bautechnik gleichermaßen berücksichtigt. Das „Holzhaus Leipzig“ im Stadtteil Lindenau ist dafür gewissermaßen prototypisch, da der Architekt hier auch als Investor bzw. Initiator der Bauherrengemeinschaft aktiv wurde.

Der entsprechend umgesetzte Nachhaltigkeitsgedanke sorgte bundesweit für Anerkennung. So ist der Fünfgeschosser aus Brettsperrholz unter anderem mit dem Sächsischen Staatspreis für Baukultur 2019, dem Holzbaupreis 2019 sowie dem BDA-Preis Sachsen 2019 ausgezeichnet worden. Beim deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2020 konnte sich Dirk Stenzel ebenfalls schon unter den Top 3 platzieren.

Besonders bemerkenswert ist an dieser Stelle die Begründung der Jury: „Durch die Eigeninitiative der privaten Bauherren … wird eine bürgerschaftliche Alternative zur Baufinanzierung durch Investoren oder Kommunen gefunden. Bauträgererlöse werden nicht angestrebt, so kann sich die Konzentration auf die Qualität des Bauens an sich richten.“

Zahlen, Daten, Fakten       

­– Gebäudevolumen Ve: 2.482,10 m³
– Gebäudenutzfläche AN: 794,3 m²
– Gebäudehüllfläche A: 1.185,39 m²
– Primärenergiebedarf Q“p: 24,5 kWh/m²a
– Transmissionswärmeverluste H“T: 0,31 W/m²K
– Heizwärmebedarf qh: 33,93 kWh/m²a
– Trinkwassererwärmung Qtw: 9.928,75 kWh/a
– Endenergiebedarf QE: 8.697,39 kWh/a
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