Die „zweite Miete“ niedrig halten

Eine neue energieautarke, selbstlernende Einzelraumregelung spart beim Spar- und Bauverein Solingen eG bis zu 25 % Heizenergie.

Für Mieter zählt bei der Suche nach einer neuen Wohnung vor allem Zuschnitt, Ausstattung und Lage. Und, natürlich, die Mietkosten. Insbesondere durch die steigenden Energiepreise rücken dabei die Nebenkosten als sogenannte „zweite Miete“ immer stärker in den Fokus. Den Energiekosten-Anteil nachhaltig zu senken, hat daher für zukunftsorientierte Wohnungsunternehmen Priorität.

Wie das mit vergleichsweise geringen Investitionen möglich ist, zeigt ein Feldversuch des Spar- und Bauvereins Solingen eG: Mit der energieautarken, selbstlernenden Einzelraumregelung „en:key“ von Kieback&Peter konnte das hohe Effizienzpotenzial erschlossen werden, das im Heizverhalten der Mieter liegt. Ohne Komforteinbußen wurden dadurch in der Spitze bis zu 25 % Primärenergie eingespart.

Nutzerverhalten als mitentscheidende Ein­flussgröße auf den Energieverbrauch einer Immobilie zu aktivieren, ist kein neuer An­­satz. Das Pilotprojekt zur Einzelraumregelung in einem Zwölf-Familienhaus im nordrhein-westfälischen Solingen reiht sich daher auch in diverse Forschungsarbeiten der Technischen Hochschule Wildau unter der wissenschaftlichen Leitung von Frau Professorin Birgit Wilkes ein. Sie verfolgen allesamt das Ziel, das Heizverhalten der Mieter als Energieeffizienz-Maßnahme zu erschließen, ohne am Komfortanspruch zu kratzen.

Denn genau das war bislang einer der entscheidenden Gründe, warum entsprechende Systeme nicht den erhofften Erfolg brachten: Sie waren zu schwierig zu bedienen, sie schränkten den Nutzungskomfort durch unangepasste Temperaturprofile ein, oder ihre Installation war mit Aufwand verbunden, was die Nutzer ebenfalls abschreckte. Eine Erfahrung, die auch Jürgen Dingel (Leiter der Finanzabteilung beim SBV Solingen und damit auch verantwortlich für die Hausbewirtschaftung) gemacht hat: „In der Vergangenheit haben wir bereits etliche Testläufe unternommen, um über eine Veränderung des Nutzerverhaltens zu Energieeinsparungen zu kommen. Vermutlich auch wegen der aufwändigen Einstellungen durch den An­­wender waren diese Tests bisher jedoch wenig erfolgreich.“

Viele Mieter sind überfordert

Bestätigt wird diese Einschätzung durch Professorin Wilkes aufgrund ihrer Forschungsergebnisse: „Viele der befragten Mieter haben sich zwar schon mit dem Thema ‚Energiesparen‘ auseinandergesetzt, sind aber mit der aktiven Beeinflussung der Raumtemperatur in ihrer Wohnung überfordert.“

Als Alternative wurde daher jetzt auf Basis einer systemischen Analyse der TH Wildau in einem 1964 erbauten Mehrfamilienhaus des Spar- und Bauvereins Solingen eG „en:key“ installiert, ein selbstlernendes, energieautarkes Raumtemperatur-Regelsystem von Kieback&Peter. Basis für die komfortorientierte Temperaturregelung ist hier ein zimmerspezifisches Nutzzeitprofil, das vom System selbstständig erlernt wird. „en:key“ besteht dafür aus einem Raumsensor in Verbindung mit bis zu vier selbsttätigen Ventilreglern, die in den Versuchswohnungen mit wenigen Handgriffen gegen die konventionellen Heizkörperthermostate ausgetauscht wurden. Die Kommunikation zwischen den Komponenten erfolgt drahtlos per „enOcean“-Funktechnologie.

Schritt 1: Aufbau des Feldversuchs

Für den Feldtest wurde ein zweispänniges Objekt ausgesucht. Der Komplex besteht aus zwei Eingängen mit je sechs Wohnungen. Alle zwölf Wohneinheiten weisen den gleichen Raumzuschnitt auf: Die je 73 m² Wohnfläche teilen sich auf in Küche, Diele, Bad sowie Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer. Beheizt werden sämtliche Wohnungen von einem zentralen Gas-Brennwertgerät.

Für belastbare Vergleichswerte wurden die sechs Wohnungen einer Hausseite mit der selbstlernenden Einzelraumregelung „en:key“ ausgestattet, in der anderen Hälfte wird die Raumtemperatur nach wie vor händisch an den Heizkörperthermostaten eingestellt. Um die Veränderungen bei der Wärmeabnahme der beiden Einheiten präzise zu ermitteln, werden die Verbräuche der beiden Haushälften über entsprechende Wärmemengenzähler getrennt erfasst.

Schritt 2: System-Installation

Die Installation der Einzelraumregelung erfolgte rechtzeitig zu Beginn der Heizperiode 2012/2013 – und zwar bemerkenswert zügig und reibungslos, so Jürgen Dingel: „An einem geeigneten Referenzpunkt wurde in jedem Raum ein Sensor mit Temperatur- und Präsenzerfassung angebracht, an den etwa neun Jahre alten Flachheizkörpern wurden die konventionellen Heizkörperthermostate gegen die `en:key´-Ventilregler getauscht; das war es schon.“

Weitere Leitungen, beispielsweise für die Energieversorgung oder die Steuerung, mussten nicht verlegt werden: Der Raumsensor verbraucht nur wenig Strom und gewinnt diesen per Solarzelle aus dem Tageslicht oder der Beleuchtung. Auch die Ventilregler funktionieren energieautark. Ein „Thermogenerator“, ausgestattet mit einem Peltier-Element stellt hier die Versorgung sicher. Beide Komponenten verfügen über ein internes Energiemanagement und können die elektrische Energie auch puffern, um eine dauerhafte Funktion ohne Unterbrechungen zu gewährleisten. Wartungsarbeiten wie Batteriewechsel oder ähnliches sind in der Betriebsphase also nicht notwendig. Für die drahtlose Kommunikation zwischen Raumsensor und Ventilreglern kommt die Funktechnologie „EnOcean“ zum Einsatz, deren hohe Umweltverträglichkeit durch anerkannte Institute und Umweltverbände bestätigt ist.

Schritt 3: Versuchsstart

Ebenso einfach wie die System-Installation war die Einweisung der Mieter: Wie bei herkömmlichen Ventilreglern stellten die Nutzer ihre persönliche „Wohlfühltemperatur“ am jeweiligen Heizkörperthermostat ein. Als einzig neues Verhalten wurde von den Mietern anschließend aber gefordert, die Regler am Heizkörper unverändert zu belassen, wenn sie das Zimmer verlassen. Die dann energetisch sinnvolle Absenkung der Raumsolltemperatur wird jetzt automatisch durch den Sensor ausgelöst: Er erfasst die Raumnutzung über einen Präsenzmelder und erstellt daraus selbstlernend ein Nutzzeitprofil.

Hält sich im Zimmer analog zum Profil niemand auf oder stehen die Fenster offen, steuert der Raumsensor die Ventilregler an und senkt die gewählte Komforttemperatur um 4 °C ab. Wird das Zimmer entgegen dem üblichen Verhalten genutzt, kann der Mieter aber jederzeit über die „Präsenztaste“ am Raumsensor das Nutzzeitprofil zeitweise außer Kraft setzen und individuell Komfort- oder Sparbetrieb wählen.

Zum Hintergrund: Die gezielte Reduzierung der Solltemperatur bei Abwesenheit verhindert zum einem zu starkes Auskühlen der Räume, mit potentieller Schimmelbildung. Zum anderen ist so gewährleistet, dass der Energieaufwand zum Wiederaufheizen auf Komfortniveau immer möglichst gering ge­­halten wird.

Bei der Erstinstallation erhielten die Raumsensoren ein voreingestelltes Nutzzeitprofil: Es geht von Anwesenheit im Raum montags bis sonntags von 7 bis 20 Uhr aus. Das entspricht einer aktiven Wohnraumnutzung von 75 %. In diesem Zeitfenster wurde zu Beginn des Feldversuchs in jedem Raum die vorgewählte Komforttemperatur erreicht. Die Absenkung übernahm bis dahin ausschließlich die zentrale, witterungsgeführte Kesselregelung. Nutzerbedingt wurde dem Objekt also von früh am Morgen bis in die Nacht hinein immer Wärme bereitgestellt, unabhängig vom tatsächlichen Bedarf.

Schritt 4: Versuchsverlauf

Wenige Tage nach Installation des Systems „en:key“ waren bereits signifikante Verschiebungen im Nutzzeitprofil der jeweiligen Zimmer einer Wohnung erkennbar. Entgegen der zuvor üblichen manuellen Regelung durch die Mieter reduziert „en:key“ schon nach kurzer Lernphase der Raumnutzzeiten im Tagesverlauf die Raumsolltemperatur immer öfter um 4 °C, wenn keine Raumnutzung vorliegt. Entsprechend spürbar wird die Entlastung bei den Heizkosten sein, denn im Schnitt spart eine um 1 °C abgesenkte Zimmertemperatur etwa 6 % Heizenergie.

Zu den Untersuchungen der TH Wildau gehörte allerdings auch die zentrale Frage, ob durch diese Temperaturabsenkung die Komfortansprüche der Mieter strapaziert würden. Jürgen Dingel stellt als Kenner typischen Mieterverhaltens fest: „Während der gesamten Heizperiode gab es keine Beschwerden, dass die Zimmer in den mit ‚en:key‘ ausgestatteten Wohnungen möglicherweise zu kalt seien oder die automatische Temperaturanpassung in Abhängigkeit zur Nutzung zu träge ausfalle. Bei der vergleichsweise langen Frostperiode im Untersuchungszeitraum wären solche Rückmeldungen aber prompt und deutlich gekommen.“

Anfang Juni 2013 befragte die TH Wildau dann ganz konkret die Mieter zu ihren Erfahrungen. Das Ergebnis fasst Professorin Wilkes so zusammen: „Von den befragten Mietern aus gleich mehreren Testobjekten haben mehr als 75 % nach der sechsmonatigen Testphase das System und seine Bedienung als einfach oder sehr einfach bezeichnet. Diese Resonanz deckt sich mit unseren Erfahrungen aus anderen Pilotprojekten – und ist für Unternehmen wie den SBV das überzeugendste Argument, bei der automatisierten Einzelraumreglung ganz klar solche intelligenten Systeme zu bevorzugen, wenn die notwendige Mieter-Akzeptanz von Anfang an gesichert sein soll.“

Das erlernte Nutzzeitprofil wirkte sich im Übrigen auch direkt auf die Wärmeabnahme aus dem Verteilnetz aus: In der Kernheizzeit des Objektes von 4 bis 24 Uhr schwankt die auf Komforttemperatur geheizte Wohnfläche zwischen 15 und 72 % Prozent. Im Um­­kehr­schluss werden zwischen 85 und 28 % im Sparbetrieb beheizt. Signifikant ist, dass es zu keiner Tageszeit eine 100-prozentige Abfrage der Komforttemperatur gab.

Schritt 5: Analyse und Auswertung

Dass auch die Bewohner der Solinger Mehrfamilienhäuser zu einer überwiegend positiven Beurteilung kommen, bestätigen frühere Studien der TH Wildau: „Aus Sicht des Spar- und Bauvereins eG wie seiner Mieter dürfte aber die nächste Befragung noch erfreulicher ausfallen,“ erwartet Frau Professorin Wilkes, „dann nämlich liegt die Heizkostenabrechnung auf dem Tisch, und die Einsparungen werden in Euro und Cent nachvollziehbar“. Denn die Auswertung der Wärmemengenzähler in den beiden Heizsträngen der Vergleichseinheiten zeigt bereits an: Die Wärmeabnahme der Wohnungen mit Einzelraumregelung sank in der Spitze um bis zu 25 Prozent.

Fazit des Spar- und Bauvereins Solingen

Jürgen Dingel zieht für die Wohnungswirtschaft ein positives Fazit des Pilotprojekts: „Nach der Installation des Systems `en:key´ wurden in den entsprechenden Wohnungen im Vergleich zur Bezugsgruppe tatsächlich nennenswerte Einsparungen festgestellt. Vorbehaltlich der endgültigen Auswertung sind die Ergebnisse aus der Versuchsgruppe dabei durch die methodische Untersuchung in jeder Hinsicht belastbar. Das erleichtert unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Entscheidung, in welchem Rahmen diese vergleichsweise kostengünstige energetische Verbesserungsmaßnahme die Kaltmiete belasten darf. Mit dem Einzelraumreglerkonzept „en:key“ sind maßnahmenbedingte Nettokaltmietenanpassungen realisierbar, ohne dass die Bruttowarmmiete ansteigt.“

Nicht zu unterschätzen ist aus Sicht von Jürgen Dingel darüber hinaus der Schutz der Bausubstanz durch die automatisch arbeitende Einzelraumregelung: „Da ‚en:key‘ eine gezielte Raumsolltemperaturabsenkung von 4 °C gewährleistet, können die Räume auch nicht auskühlen. Gerade das verursacht sonst nämlich immer wieder Schimmelbildung – und dann folgen die bekannten Diskussionen mit den Mietern zur Ursache. Von den Kosten ganz zu schweigen.“ Nach diesem positiv verlaufenen Pilotprojekt stellt sich beim Spar- und Bauverein Solingen eG daher jetzt die Frage, inwieweit die Regelintelligenz des Systems „en:key“ über die Wohnungsebene hinaus künftig außerdem noch zur optimierten Steuerung der zentralen Wärmeerzeugung genutzt werden kann.

Viele Mieter sind aber mit der aktiven Beeinflussung der Raumtemperatur in ihrer Wohnung überfordert.

Wenige Tage nach Installation des Systems „en:key“ waren bereits ­signifikante Verschiebungen im Nutzzeitprofil der jeweiligen Zimmer einer Wohnung erkennbar.

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