Zweites Leitungsnetz zahlt sich aus

Klaus W. König vom gleichnamigen Sachverständigen- und Fachpressebüro sprach mit EWG-Vorstand Chris Zell.

Was war für Ihre Entscheidungen ausschlaggebend, in mehrgeschossigen Wohngebäuden Wärme-Rückgewinnung und doppeltes Wasserrecycling zu betreiben – die Ökologie oder die Ökonomie?

Chris Zell: Beides – denn mit dieser Anlagentechnik können wir im Interesse unserer Bewohner Betriebs- und Heizkosten einsparen. Zudem schont die Maßnahme im Interesse aller die Ressourcen der Wasseraufbereitung und der Wärmebereitstellung. Das ist unser Beitrag zum Klimaschutz.

Es ist doch absurd, dass laut UNICEF derzeit mehr als 2 Mrd. Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, und wir in Deutschland jeden Tag pro Person im Durchschnitt 33 Liter bestes Trinkwasser durch die Toilettenspülung jagen. Auch darf nicht wahr sein, dass weitere 44 Liter nach der Körperpflege nur leicht verunreinigt mit einer Temperatur von 30 °C Tag und Nacht, Sommer wie Winter, durch das Abwasserrohr unser Haus verlassen.

Beim ersten Objekt an der Brennerstraße haben Sie Erfahrungen gesammelt – gab es damals ein Problem?

Chris Zell: Zunächst arbeitete die Grauwasserrecyclinganlage mit Membrantechnik einige Zeit störungsfrei. Das aus den Handwaschbecken, Duschen und Badewannen gewonnene Grauwasser wurde durch Ultrafiltration zu Betriebswasser aufbereitet und anschließend vor allem für die Toilettenspülung genutzt. Dadurch konnte der Trinkwasserverbrauch und der Abwasseranfall deutlich reduziert werden. Ein Modul für die Wärmerückgewinnung des Abwassers war nicht integriert.

Leider war die Anlage ohne ein Monitoring ausgestattet, sodass Störungen erst spät bemerkt wurden. Und deren Beseitigung dauerte, da die zuständigen Monteure große Entfernungen zurücklegen mussten. Mittlerweile haben wir eine andere Technik sowie den richtigen Planer und Anlagenbauer, der 24/7 auf die für Inspektion und Wartung erforderlichen Daten online Zugriff hat.

Wie geht es bei der EWG weiter? Werden Neubauvorhaben grundsätzlich mit Grauwasserrecycling und Regenwasserbewirtschaftung ausgestattet? Und wie sieht es im Bestand aus?

Chris Zell: Neubauten ja – doch zunächst realisieren wir eine umfangreiche Sanierung und energetische Modernisierung der Bestandsgebäude im Eschengraben 36, 38 und Baumbachstraße 8, 9 (Baujahr 1961/ 1962, insgesamt 40 Wohnungen). Nach Fertigstellung sollen beide über einen Energiestandard „Effizienzhaus 85/Erneuerbare Energien“ verfügen. Auch hier ist Grauwasserrecycling mit Wärmerückgewinnung sowie Regenwasserbewirtschaftung vorgesehen.

Allerdings gab es Schwierigkeiten mit der erhaltungsrechtlichen Genehmigung im Milieuschutzgebiet, obwohl der Betrieb einer Grauwasserrecyclinganlage nachweislich nicht zur Erhöhung der Nettokaltmieten, jedoch zur Reduzierung von Betriebskosten und zum Klimaschutz beiträgt. Das war aus unserer Sicht schwer nachzuvollziehen. Doch die EWG hat sich in einem aufwendigen Widerspruchsverfahren erfreulicherweise durchgesetzt.

Die Bewohner der 39 Wohnungen im Objekt Dolomitenstraße 47/49 sind ausschließlich Mieter. Sie profitieren durch geringere Nebenkosten vierfach: bei Trinkwasser-, Abwasser-, Niederschlagswasser-Gebühr und Wärme. Doch die Genossenschaft als Eigentümerin musste die Baukosten erst einmal bezahlen, nicht nur für die Anlage im Keller, sondern auch für das zweite Leitungsnetz.

Wie refinanzieren Sie diese Investitionen – mit höheren Nettomieten?

Chris Zell: Die Mieter der Genossenschaft sind überwiegend zugleich Mitglieder und somit auch Miteigentümer der Genossenschaft. Insofern haben sie als Mitglieder satzungsrechtlich Anspruch auf eine gute, sichere und sozialverantwortbare Wohnraumversorgung. Dementsprechend ist bei der Planung und Umsetzung von Sanierungs- und Neubaumaßnahmen stets darauf zu achten, dass unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit am Ende die Nettokaltmieten sowie die Betriebs- und Heizkosten bezahlbar sind.

Der Betrieb einer Grauwasserrecyclinganlage mit Wärmerückgewinnung verringert den Wasserverbrauch und das Abwasser um rund 30 % sowie den Anteil der Kosten für die Erwärmung des Warmwassers und führt somit zur Einsparung von Betriebs- und Heizkosten. Die Kosten für den Bau der Grauwasserrecyclinganlage hatten lediglich einen Anteil von rund 2 % der Gesamtinvestition für das neu errichtete Gebäude an der Dolomitenstraße 47/49 und sind dementsprechend vernachlässigbar. Bei der Entscheidung für den Bau dieser Anlage waren die Einsparungseffekte bei den Betriebs- und Heizkosten sowie die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf den Klimaschutz ausschlaggebend.

Welches Gremium entscheidet bei der EWG, ob, wann und in welchem Umfang eine solche Modernisierung stattfindet?

Chris Zell: Die Jahres- und langfristigen Finanz- und Bau-Planungen stellt jeweils der Vorstand auf. Bei der Bauplanung hat der Aufsichtsrat als Kontroll- und Beratungsorgan ein Mitspracherecht, insofern werden diese Planungen vom Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam erörtert und dann beschlossen. Der Aufsichtsrat entscheidet also über Modernisierungs- und Neubauvorhaben mit.

Konnten Sie Fördermittel für diese Maßnahme bekommen?

Chris Zell: Für die Grauwasserrecyclinganlage mit Wärmerückgewinnung an der Dolomitenstraße 47/49 haben wir insgesamt rund 103 Tsd. Euro (brutto) bezahlt. Eine Förderung wurde ausschließlich für den Teil der Wärmerückgewinnung gewährt. Sie belief sich auf insgesamt 18 Tsd. Euro.  

Ist diese Recyclingtechnik grundsätzlich für alle Wohnbaugesellschaften und -Genossenschaften interessant – oder nur regional bei hohen Gebühren für Trinkwasser, Abwasser, Niederschlag und für Wärmebereitstellung?

Chris Zell: Aus unserer Sicht könnte Grauwasserrecycling auch für andere Wohnungsunternehmen interessant sein. Es ist jedenfalls eine Möglichkeit für einen ressourcensparenden Umgang mit Trinkwasser. Ein positives Kosten-/Nutzen-Verhältnis ist jedoch abhängig von der Projektgröße und vor allem, ob immer genügend Grauwasser zur Aufbereitung zur Verfügung steht. 

Was raten Sie anderen Genossenschaften und Investoren, und tauschen sie sich untereinander aus?

Chris Zell: Wir haben bereits mehrfach mit Kollegen anderer Genossenschaften bzw. Wohnungsunternehmen Besichtigungen unserer Grauwasserrecyclinganlage an der Dolomitenstraße 47/49 durchgeführt und uns dazu ausgetauscht. In diesem Zusammenhang wurde von uns vor allem die Funktionsweise vorgestellt sowie unsere Erfahrung mitgeteilt. Bei weitergehendem Interesse stellen wir gerne den Kontakt zu unserem Projektpartner her, um die technischen Details, den Kostenaufwand sowie das Kosten-/Nutzen-Verhältnis aus erster Hand zu erhalten. 

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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