Wärme- und Wasser-Recycling

Bewohner sparen viel, ohne es zu merken

Wasser- und Wärmerecycling in derselben Anlage, ohne Komforteinbuße. Was wie Wunschdenken aussieht, wird im Wohnungsbau bei einzelnen Objekten seit zehn Jahren mit Erfolg praktiziert: die Mietnebenkosten sinken deutlich. Doch warum sollen Hausbesitzer investieren, wenn nur die Bewohner profitieren? Eine Berliner Apartmentanlage für Studenten liefert eine Antwort.

Großes Wärmeleck in der Gebäudetechnik nachgewiesen

Die Entwicklung des Grauwasser-Recycling wurde als Maßnahme des Wassersparens durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mehrfach gefördert. Zum Tag des Energiesparens am 5. März 2022 forderte sie in einer Pressemitteilung (1) dazu auf, Wärmelecks in der Gebäudetechnik zu schließen und insbesondere die Potentiale des häuslichen Abwassers besser zu nutzen. Denn über das nur 150 Millimeter enge Abwasserrohr entweiche mehr Energie als über die gesamte Außenhülle eines gut gedämmten Mehrfamilienhauses.

„Eine dezentrale Wärmerückgewinnung aus häuslichem Abwasser kann also enorm viel Energie und Geld sparen“, sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Außerdem erwärmen sich Städte weniger, der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) wird vermindert. Beides dient dem Klimaschutz.“ Hinzu kommt: Wenn das Abwasser aus Badewanne, Dusche, Handwaschbecken sowie Wasch- und Geschirrspülmaschinen noch gereinigt und für die Toilettenspülung genutzt wird, kann erheblich Trinkwasser eingespart werden.

Doch daraus wird wohl nichts, ohne ein starkes Signal aus der Politik. Alleine durch private Initiative ist in dem durch Kostensteigerungen gebeutelten Wohnungsbau ein schnell wirksamer und flächendeckender Erfolg nicht zu erwarten. Immerhin wurde das sehr effektive und technisch wenig komplizierte Grauwasser-Recycling inklusive Wärmerückgewinnung bereits 2012 von der DBU gefördert und dokumentiert: In einem Mehrfamilienhaus am Arnimplatz in Berlin wird seither Abwasser aus Badewannen und Duschen über einen Wärmetauscher geführt, um das mit 10 °C kalte Trinkwasser auf 25 °C vorzuwärmen. Anschließend wird es mit einem Blockheizkraftwerk auf mehr als 60 °C Endtemperatur erhitzt.

Die gesparte Energie entspricht etwa einem Fünftel des Wärmebedarfs für Warmwasser. Weiter wurde festgestellt, dass in öffentlichen und privaten Gebäuden etwa 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs für Heizung, Warmwasser und Beleuchtung verwendet werden. Dies sind fast 20 Prozent des gesamten Kohlendioxid-Ausstoßes in Deutschland. Von den 40 Prozent entfällt mehr als die Hälfte auf Wohngebäude – und damit ein beachtlicher Teil auf die Trinkwassererwärmung.

Eindrucksvolle 399 Apartments in Berlin-Pankow

Das ist Haustechnik im Weltklasseformat. Im internationalen Vergleich liegen Deutschland und England bei Wasserrecycling im Wohnungsbau vorne. Wird dabei noch Wärme in einer Dimension wie hier zurückgeholt, nimmt das Projekt weltweit einen Spitzenplatz in der Kategorie „völlig ohne Komfortverlust für die Bewohner“ ein. Mit der siebengeschossigen Apartmentanlage für Studenten ist der landeseigenen Berlinovo Immobilien Gesellschaft mbH ein großer Wurf gelungen.

Generalunternehmerin war die Lechner Immobilien Development GmbH, Teil der Lechner Group. Das Frankfurter Unternehmen wurde bereits 2018 mit dem 1. Rang im Bundeswettbewerb „Serielles und Modulares Bauen“ ausgezeichnet. Die Module für das Objekt in Berlin-Pankow wurden nach 90-prozentiger Vorfertigung in der Deutschen Modulhausfabrik GmbH (2), einem weiteren Teil der Lechner Group, teilmöbliert auf die Baustelle gebracht und montiert. So konnte z. B. das zweite Leitungsnetz für die Sammlung von Grauwasser und die Verteilung von Betriebswasser bei der Entwicklung im Herstellerwerk in die Leitungsschächte der Modultypen optimal integriert werden.

Überwiegend sind es Einzimmerwohnungen mit 16 m² Fläche, einige der 399 Apartments haben doppelte Größe und werden an Zwei-Personen-Wohngemeinschaften vermietet, insgesamt 442 Bewohner. Nutzungsart und Bewohnerdichte sind mit der eines Hotels vergleichbar. Damit ist, bezogen auf die Gesamtfläche des Gebäudes, der Trinkwasserbedarf sehr hoch. Das heißt, Wassersparmaßnahmen machen nicht nur Sinn, sie zahlen sich auch aus – vor allem wenn gleichzeitig Wärme zurückgewonnen wird – und die Bewohner keinerlei Einschränkungen spüren.

Die täglich anfallende Abwassermenge aus den Duschen und Handwaschbecken (Grauwasser) ist hier höher als der tägliche Bedarf für die Toilettenspülungen. Und das ist unabhängig vom Grad der Belegung des Hauses. Vorteil: Es reichen relativ kleine Vorratsspeicher aus, da schnell und ausreichend mit „Nachschub“ zu rechnen ist. Auch muss die zurückgewonnene Wärme nicht lange zwischengespeichert werden. Insgesamt also ideale Verhältnisse für ein rentables Recycling (3). Der Überschuss an aufbereitetem Grauwasser, Betriebswasser genannt, wird als Abwasser abgeleitet, da kein weiterer Bedarf besteht. Es könnte zur Bewässerung von Außenanlagen oder Gründächern oder für Waschmaschinen genutzt werden.

Finanzielle Einsparungen bei Wasser und Energie

Da Studenten nur für kurze Zeiträume eine Unterkunft benötigen, rechnet Berlinovo eine monatliche Brutto-Warmmiete ab, welche Nebenkosten wie Warm- und Kaltwasser sowie Abwasser pauschaliert beinhaltet. Durch die finanziellen Einsparungen bei Wasser (für Toilettenspülung) und Energie (für die Warmwasserbereitung mit Fernwärme) hat die Bauherrschaft als Vermieterin den Vorteil, gegenüber Wettbewerbern ihre Apartments günstiger anbieten zu können. Dazu kommt die attraktive Möglichkeit, die Grauwasseraufbereitung in der Planungsphase zum Erreichen eines höheren Energiestandards, hier z. B. BEG-Effizienzhaus 55, anzusetzen.

Ist damit ein Zuschuss verbunden, darf der zum Teil in die Amortisation der Grauwasseranlage eingerechnet werden. Außerdem bleibt, selbst wenn das Gebäude nicht auf Nachhaltigkeit zertifiziert ist, eine deutliche Verkehrs-werterhöhung für mehrere Jahrzehnte, denn kontinuierlich, ohne dass die Bewohner etwas davon merken, bleiben die Betriebskosten niedrig.

Schon zu Beginn der Belegung mit 40 % Bewohner erwirtschaftete die Anlage fünf Mal mehr Energie, als zum gesamten Betrieb des Recyclings erforderlich. Das spart bei der Trinkwassererwärmung stetig 20 % Energie. Und pro Person ist der Frischwasserbedarf um 30 % gesunken, damit die Trink- und Abwassergebühren. „Eine detaillierte Auswertung der tatsächlichen Einsparungen wird nach einem Jahr Regelbetrieb bei voller Belegung des Hauses erfolgen, voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte 2023“, sagt Erwin Nolde. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei „Nolde – innovative Wasserkonzepte GmbH“ und Planer dieser Anlage.

Faktencheck für Investoren und Planer

Grauwasserertrag, enthaltene Wärmeenergie sowie Betriebswasserbedarf unterliegen nutzerbedingt und jahreszeitlich Schwankungen. Die Anlagenplanung muss deshalb objektspezifisch von einem erfahrenen Büro durchgeführt werden. Doch welche sind die geeigneten Objekte, wer die typischen Auftraggeber? Grauwasser-Recycling ist insbesondere dort lukrativ, wo viele Bewohner in mehrgeschossigen Gebäuden untergebracht sind; zum Beispiel in Hotels, im mehrgeschossigen Wohnungsbau oder in Wohnheimen. Weitere Voraussetzungen für Wasserrecycling mit Wärmerückgewinnung:

– Frühe Einbeziehung der Idee in die Gebäudeplanung.

– Getrennte Erfassung von Grauwasser (aus Duschen und Badewannen, eventuell auch aus Waschmaschinen) und sonstigem Abwasser.

Beides gelingt am besten bei Neubau und Kernsanierung.

Die Auswertung realisierter Projekte mit den rein biologisch arbeitenden Wirbelbettanlagen ergibt:

– Im Wohnungsbau besteht großes Einsparpotential, bundesweit.

– Grauwasserrecycling mit Wärmerückgewinnung holt aus dem häuslichen Abwasser deutlich mehr Energie als zum Betrieb der Anlage benötigt wird.

– Die höchsten Wärmeerträge fallen erfreulicherweise in den Wintermonaten an, in denen das Trinkwasser besonders kalt ist und die Sonne weniger Erträge über Solarthermie und Photovoltaik bringt.

– Der Platzbedarf für die Aufbereitungsanlage, meist im Untergeschoss eines mehrgeschossigen Gebäudes, beträgt nur ca. 0,1 Quadratmeter pro Bewohner, also kaum mehr als die Fläche eines DIN-A4-Blattes.

– Die Investitionskosten liegen je nach Apartmentgröße bei 10 - 20 € pro Quadratmeter Wohnfläche. Sie amortisieren sich in wenigen Jahren, denn die Technik ist besonders wartungsarm. Der rasante Anstieg aktueller Energiepreise verkürzt die Amortisationszeit zusätzlich.

– Die Betriebskosten bleiben dauerhaft niedrig, denn Fernüberwachung mit einer speziellen App erspart Anfahrten zur Inspektion. Außerdem kann damit ein verändertes Nutzerverhalten jederzeit festgestellt und der Anlagenbetrieb, falls erforderlich, sofort angepasst werden.

Quellen

(1) Jongebloed, K.: Wärmelecks in der Gebäudetechnik schließen
( www.idw-online.de). Pressestelle DBU, 2022

(2) www.lechner-cube.de

(3) https://www.youtube.com/watch?v=XmOWOSikr_s (450 Betten studentisches Wohnen mit Wasser- und Wärmerecycling) Video zum Grauwasser-Recycling bei den 399 Apartments der Berlinovo in Berlin-Pankow, 9.05.2022

Gut zu Wissen

EEWärmeG: Die Nutzung der Abwärme kann zur Erfüllung des EEWärmeG als Ersatzmaßnahme angesetzt werden.

Finanzierung: Für Wasserrecycling mit integrierter Wärmerückgewinnung werden in Berlin Contracting-Modelle angeboten und bereits praktiziert.

Gebäudezertifizierung: Wasserrecycling und Wärmerückgewinnung bringen Credit Points für die Gebäudezertifizierung nach DGNB, BREEAM, LEED, etc.

Klimaschutz: Das Verfahren des dezentralen Wasserrecyclings in Kombination mit Wärmerückgewinnung holt aus dem häuslichen Abwasser deutlich mehr Energie als zum Betrieb der Anlage benötigt wird. Es wirkt durch diesen Energie-Überschuss und die damit verbundene CO2-Einsparung positiv auf das Klima.

Quelle: Nolde – innovative Wasserkonzepte GmbH

Projektbeispiele mit Wirbelbettverfahren

(seit 2018) Wohneigentümergemeinschaft in 10179 Berlin
66 WE, Einsparung: 1,4 Mio L/a Wasser

(seit 2016) Mietshaus in 60487 Frankfurt
27 WE, Städtische Wohnungsbaugesellschaft FAAG
Einsparung: 0,8 Mio L/a Wasser + 14 MWh/a Wärme

(seit 2014) Wohneigentümergemeinschaft in 10405 Berlin
14 WE, Einsparung: 0,5 Mio L/a Wasser

(seit 2012) Mietshaus in 10439 Berlin
123 Bewohner, 4 Gewerbeeinheiten
4.600 m² Wohn- und 600 m² Gewerbefläche
Einsparung: 1,3 Mio L/a Wasser + 12 MWh/a Wärme

(seit 2006) Wohneigentümergemeinschaft in 10963 Berlin
73 WE, Einsparung: 2,6 Mio L/a Wasser

Technisches Regelwerk

DIN EN 16941-2 „Vor-Ort-Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 2: Anlagen für die Verwendung von behandeltem Grauwasser“ erschien in der deutschen Fassung im Beuth Verlag, Berlin, im November 2021

Merkblatt DWA-M 277, Hinweise zur Auslegung von Anlagen zur Behandlung und Nutzung von Grauwasser und Grauwasserteilströmen, Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA), Hennef Oktober 2017

fbr-Hinweisblatt H 202, Grauwasser-Recycling, Planungsgrundlagen und Betriebshinweise, Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V. (fbr), Darmstadt Oktober 2017

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