Neue Konzepte: Transformation des Senior-Living-Segments
02.12.2025Der deutsche Senior-Living-Markt steht vor einem tiefgreifenden Umbruch. Die Nachfrage nach modernen und flexiblen Wohnformen für ältere Menschen steigt rapide, während das bestehende Angebot mit dieser Entwicklung nicht Schritt hält. Das wurde bei der Online-Pressekonferenz „Investieren in den demografischen Wandel – Perspektiven im Senior-Living-Markt“ mit Jochen Zeeh, Geschäftsführer der IMMOTISS, Michael Eisenmann, Geschäftsführer der Real Blue, und Prof. Dr. Henric Hahr, Bereichsleiter Porttfoliomanagement der Real Blue, sowie mit Svetoslav Markov, Geschäftsführer der Humanika Unternehmensgruppe, deutlich.
Bereits heute stehen rund 15 Mio. Menschen täglich mit dem Thema Pflege in Berührung. Gut 6 Millionen Menschen sind pflegebedürftig, 8 Mio. übernehmen Angehörigenpflege und 1,4 Mio. arbeiten professionell in der Pflege. Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst kontinuierlich und wird sich durch den demografischen Wandel weiter erhöhen. Gleichzeitig ändern sich die Erwartungen der kommenden Seniorengenerationen deutlich: Sie bleiben länger fit, sind digital-affin und wünschen sich lebensnahe Wohnformen, die Selbstständigkeit, Service und Gemeinschaft ermöglichen. Selbständigkeit plus Unterstützung unter möglichst langer Beibehaltung des individuellen Wohnraums ist hier der zentrale Trend. „Wir stehen am Beginn einer grundlegenden Neudefinition des Wohnens im Alter“, fasst Michael Eisenmann, Geschäftsführer der Real Blue, zusammen. „Das ist eine große gesellschaftliche Aufgabe – aber auch eine große Chance für das Investitionssegment.“
Jochen Zeeh, Geschäftsführer von IMMOTISS, macht auf eine strukturelle Versorgungslücke aufmerksam: „In Deutschland besteht aktuell nur für rund acht Prozent der Einwohner mit 65 Jahren oder mehr ein adäquates Wohn- und Betreuungsangebot, was Pflegeplätze miteinschließt. Eine ausreichende Versorgung liegt jedoch erst ab zehn Prozent vor. Das entspricht einem Fehlbestand von etwa 400.000 Einheiten im Seniorenwohnen inklusive Pflegeplätze.“
Besonders groß ist die Lücke im Bereich des Servicewohnens und des Betreuten Wohnens, wo lange Wartelisten und hohe Nachfrage inzwischen zum Normalfall gehören. Ein wesentlicher Treiber für diesen Wandel ist die sogenannte Boomer-Generation. Sie sucht Wohnformen, die mehr bieten als die klassischen Pflegeangebote. Autonomie, Komfort, Teilhabe und digitale Unterstützung stehen im Mittelpunkt ihrer Erwartungen. „Die ältere Generation von morgen lässt sich nicht mehr mit den klassischen Pflegeangeboten abholen“, erklärte Svetoslav Markov, Geschäftsführer der Humanika-Gruppe. „Sie erwartet flexible Wohnmodelle, digitale Unterstützungssysteme und Serviceleistungen, die sich präzise an den eigenen Lebensstil anpassen lassen.“
Auch institutionelle Investoren reagieren auf diese Entwicklungen. Michael Eisenmann, Geschäftsführer von Real Blue, hebt hervor, dass in der Asset Allokation institutioneller Immobilieninvestoren serviceorientierte Wohnformen zunehmend eine Rolle spielen und das Segment aufgrund des langfristigen Megatrends Demografie, seiner Systemrelevanz aber auch seiner Resilienz zu den aufstrebenden Nutzungen gehört: „Dabei sehen wir eine klare Tendenz hin zu Konzepten, die Selbstständigkeit ermöglichen und dabei professionell gemanagt werden. Entscheidend ist dabei die Qualität des Betriebskonzeptes und die Erfahrung der Betreiber.“ Prof. Dr. Henric Hahr, Bereichsleiter Portfoliomanagement bei Real Blue, ergänzt: „Senior-Living-Immobilien werden künftig eine noch größere Rolle in Immobilienportfolios spielen, auch im Rahmen von Reallokations- und Transformationsstrategien und dem Abbau der oftmals historisch angesammelten Überallokation bei den traditionellen Nutzungsarten (wie Büro und Einzelhandel).
Als weiterer zentraler Faktor für die Zukunft des Marktes gilt die Digitalisierung. Moderne Assistenzsysteme, intelligente Gebäudetechnik und digitale Serviceplattformen sollen Sicherheit, Effizienz und Selbstbestimmung erhöhen. „Digitale Systeme können Verhaltensmuster erkennen, Gefahrensituationen frühzeitig melden und Betriebskosten senken“, so Markov. „Das macht Senior Living nicht nur sicherer, sondern auch wirtschaftlich attraktiver.“
Damit jedoch ausreichend neue Angebote entstehen können, bedarf es politischer Unterstützung. Die Experten nannten insbesondere zügigere und klarere Genehmigungsverfahren, die Förderung bezahlbaren Wohnraums – etwa über KfW-Programme – sowie eine präzisere rechtliche Einordnung neuer Wohnformen. Zudem müsse der Prävention ein höherer Stellenwert zukommen, um Pflegebedürftigkeit möglichst lange hinauszuzögern.
