Zu neuem Leben erweckt:
Wohnen auf altem Bauernhof
Leerstand und Verfall ist das Schicksal vieler Bauernhöfe, die aufgrund neuer Normen und Vorschriften und des demografischen Wandels nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden. Abriss und Neubau ist dann oft die Lösung, wenn ein Hof zu lange leer steht. Die Sanierung und Revitalisierung des Stürzerhofs im Münchner Stadtteil Hadern zeigt vorbildhaft, dass sich historische Struktur und Substanz so ertüchtigen lässt, dass zeitgemäßes Wohnen und Arbeiten möglich sind.
Der stattliche, zur Straße hin geöffnete Dreiseithof ist mit der benachbarten Leonhardskapelle und dem gegenüberliegenden Gasthof Schienhammer der letzte erhaltene Rest der ehemals dörflichen Bebauung im Ortskern. Die Anlage aus einem eingeschossigen Wohnbau mit Satteldach im Osten (ehemals Kleinviehstall) und zwei in Ost-West-Richtung verlaufenden Flügelbauten (ehemals Wohnhaus mit Stall und Stadel) gruppiert sich um einen Innenhof.
In den Büchern von Kloster Schäftlarn 1270 erstmals beurkundet, wurde der Hof ab dem 16. Jahrhundert von einer Familie Spitzweckh bewirtschaftet.1764 übernahm ihn der Großhaderner Bauer Johann Bschorr, dessen Sohn Joseph das Brauereihandwerk erlernte und mit seinem Hacker-Pschorr Bräu einige Berühmtheit erlangte. 1868 brannte der Hof völlig ab, nach dem Wiederaufbau erwarb ihn Mathias Stürzer und begründete den „Stürzerhof“.
Erneuerung statt Neubau
Maria Anna Stadler, geborene Stürzer, hat das Anwesen von ihren Eltern geerbt; ihr ging es bei der Sanierung um mehr als den reinen Erhalt der Gebäudesubstanz: „Es war ein Herzensprojekt, ich bin auf dem Hof geboren und aufgewachsen. Aber er ist nicht nur prägend für meine Biografie und die meiner Familie, sondern auch für die Identität und Geschichte von Hadern.“
Bestand erhalten und umbauen statt abreißen ist nicht nur im Hinblick auf Nachhaltigkeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit knapper werdenden Ressourcen das Gebot der Stunde. Es ist auch ein wichtiger Beitrag zum Erhalt unseres baukulturellen Erbes, denn ortsbildprägende historische Bauten haben eine wichtige, identitätsstiftende Wirkung.
Umbauen ist allerdings in vielerlei Hinsicht anspruchsvoller als neu bauen, weniger berechenbar und darum risikoreicher und steckt voller Überraschungen und Unvorhergesehenem. Maria Anna Stadler: „Natürlich war das Projekt mit erheblichen Kosten und großem Aufwand verbunden. Ich hatte einige schlaflose Nächte, coronabedingt sind die Materialkosten immer mehr gestiegen und durch die Auflagen war die Koordination der Handwerker auf der Baustelle kompliziert. Während des Bauprozesses gab es dann noch einen Wechsel des Architekten. Aber am Ende haben sich die Mühen gelohnt, das Ergebnis ist wirklich überzeugend.“
Dialog zwischen Alt und Neu
Mit der Planung wurde zunächst der im Umbau historischer Substanz erfahrene Münchner Architekt Ludwig Wallnöfer beauftragt, seines Zeichens öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Restaurierung und Sanierung.
Der Umfang der Baumaßnahme machte jedoch einen Wechsel notwendig und so übernahm die Karree Projektmanagement GmbH Planung und Bauleitung. In enger Abstimmung mit der Denkmalpflege und dem Kreisheimatpfleger entstand ein Mix aus denkmalgeschützten und neu konzipierten Bereichen: Im ehemaligen Stadel wurde innerhalb der Originalmauern ein neues Gebäude mit 22 überwiegend barrierefreien Wohnungen errichtet.
Die beiden großen charakteristischen Tore blieben erhalten, zusätzliche eingefügte Fenster auch in der Dachfläche sorgen für ausreichende Belichtung und stellen den Bezug zum Umbau im Innenbereich her. Auf eine historisierende Fensterteilung wurde auf denkmalpflegerisches Anraten verzichtet, um Alt und Neu zu unterscheiden und auf die ursprüngliche Funktion zu verweisen. Auch die holzverschalten Elemente sind eine Reminiszenz an den ehemaligen Stadel.
Das Nordgebäude erhielt eine gemischte Nutzung: Im Erdgeschoss des historischen Wohnhauses blieb die Stube mit angrenzender Küche als Treffpunkt der Großfamilie Stadler erhalten, darüber entstanden Dachgeschosswohnungen mit offenem Dachstuhl, der instandgesetzt und an manchen Stellen verstärkt wurde.
Im früheren Stall hat Münchens erste zertifizierte Bio-Brauerei „Haderner Bräu“ mit Ausschank und Hofladen eine neue Heimat gefunden. Die bis zu sechs Meter hohen Braukessel wurden ins Untergeschoss abgesenkt, damit sie in den alten Gemäuern Platz fanden. In der angrenzenden Schankstube können die Gäste nicht nur frisch gebraute Bierspezialitäten verkosten, sondern durch eine innenliegende Fensterwand auch den Braumeistern bei der Arbeit zuschauen. Im darüber liegenden Stockwerk sind Büros und ein Raum für Seminare und Brau-Workshops untergebracht.
Nachhaltige Fassadensanierung
Die Mauern des Bestands wurden trockengelegt und alle Fundamente auf fünf Meter Tiefe mit Spritzbeton verstärkt. Dank der Wanddicke der Außenmauern und neuer Wärmeschutzfenster konnte auf eine zusätzliche Wärmedämmung verzichtet werden. Besonderes Augenmerk legten die Planer auf die Fassadengestaltung und hier speziell auf die Putzstruktur und eine differenzierte Farbgebung. Anstelle des alten Glattputzes aus den 1970er-Jahren wurde ein rauer Spritzbewurf aufgebracht, eine rustikale Putztechnik, die typisch für historische Gebäude im ländlichen Raum ist, aber heute kaum noch angewandt wird.
Anschließend bekam die Fassade mit insgesamt knapp 1700 m² einen Anstrich mit der Sol-Silikat-Farbe KEIM Soldalit® in verschiedenen, harmonisch aufeinander abgestimmten Farbtönen: Die Wandflächen in Sandsteinbeige (KEIM 9314), die am ehemaligen Wohnhaus rekonstruierten Fensterfaschen, Gesimse und Lisenen in Warmweiß (KEIM 9317) und der Sockel in Graubraun (KEIM 9307).
Für den gesamten Bereich Farbe fand man mit dem benachbarten Malerbetrieb Romanow GmbH einen kompetenten und engagierten Partner. Geschäftsführer und Malermeister Andreas Romanow ist in Hadern aufgewachsen und kennt die Eigentümer-Familie Stadler und den Stürzerhof seit Kindesbeinen: „Ich freue mich sehr über die Revitalisierung des Hofs und besonders auch darüber, dass wir nach gewonnener Ausschreibung einen großen Teil dazu beitragen durften.“
Für die Innenräume mit über 14.000 m2 Wandfläche schlug er KEIM Innostar vor, eine hochwertige, ultradeckende Sol-Silikatfarbe, die für ein optimales Raumklima und ein Plus an Wohngesundheit sorgt. Andreas Romanow: „Die Qualität, die beim Stürzerhof umgesetzt wurde, ist wirklich beeindruckend. Deshalb lag es für uns auf der Hand, hier mit Produkten von KEIM zu arbeiten. Neben Beratung und Service überzeugen uns Farbechtheit, Langlebigkeit und bauphysikalische Vorteile – Qualitäten, die sich über die Jahre nicht nur ästhetisch bewähren, sondern auch wirtschaftlich rechnen. Mit ihren zertifiziert kreislauffähigen Produkten und dem Einsatz umweltfreundlicher Materialien leistet KEIM einen wesentlichen Beitrag zum nachhaltigen Bauen und Renovieren.“
Die Außenanlagen wurden von L+P Landschaftsarchitekten gestaltet. Diese sahen den existierenden Baumbestand keineswegs als Störenfried – außer einer schwächelnden Zwetschge wurde kein Baum gefällt. Die ortsprägende, über 100-jährige Esche am Eingang zum Hof bekam einen kräftigen Rückschnitt, was ihr augenscheinlich sehr gut bekommen ist. Vor dem ehemaligen Wohnhaus wurde giebelseitig ein hübscher Bauerngarten angelegt, mehr zum Vorzeigen als zum Nutzen, den vormals asphaltierten Innenhof ließ man mit Büschen und einer Hainbuche als zukünftigem Hofbaum bepflanzen.
Die Brauerei hat hier einen definierten Gastronomie-Außenbereich und einen weiteren auf der Nordseite. Dort, zur Lindauer Autobahn hin, befindet sich auch die Zufahrt zur Brauerei. Vor den Mietwohnungen im ehemaligen Stadel wurde ein großer Spielplatz mit Sandbereich errichtet, die angrenzende Einfahrt zur Tiefgarage bildet hier, als Gartenhaus getarnt, einen baulichen Abschluss zur Großhaderner Straße hin.
Der sanierte und revitalisierte Stürzerhof zeigt: Bauen mit dem Bestand muss weder heißen, einem alten Gebäude etwas Neues überzustülpen, noch museal zu erstarren. Die Sanierung zeigt viel mehr: Man kann mit Bestandsgebäuden arbeiten und sie durch geeignete Nutzung zu neuem Leben erwecken – ohne dass sie dabei ihren historischen Charme verlieren.