Mieterstrom

Wirtschaftliche Umsetzung durch Partnerschaften

Die lokale Stromvermarktung in Form von Mieterstrom oder der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung entwickelt sich zunehmend zu einem strategisch relevanten Geschäftsfeld für die Wohnungswirtschaft.

Bis zu 14,3 Mio. Haushalte in Mehrfamilienhäusern könnten in Deutschland von lokalem PV-Strom profitieren, so eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem vergangenen Jahr – und wenn Mieter profitieren, nutzt das auch der Wohnungswirtschaft. Während die technische Machbarkeit längst sichergestellt ist, blieb die Branche allerdings zuletzt abwartend. Neben der allgemeinen Zurückhaltung der Branche, als Stromanbieter aktiv zu werden, trugen zuletzt auch die Rechtsurteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie Bundesgerichtshofs (BGH) zum Thema Kundenanlage dazu bei.

Rechtliche Unsicherheiten im Mieterstrom

Für Verunsicherung im Mieterstrommarkt sorgte ein Urteil des EuGH vom vergangenen Jahr, das entschied, dass Betreiberpflichten für regulierte Verteilernetze im konkreten Fall auch für Kundenanlagen gelten können. Im Mai dieses Jahres stufte auch der BGH die Versorgungsinfrastruktur des Quartiers, das Gegenstand der Verhandlung war, als Verteilernetz ein. Das Urteil schafft aber noch keine vollständige Klarheit für den deutschen Mieterstrommarkt*. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber den Begriff der Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG enger fassen und an die EU-Regulierung anpassen wird.

Während gebäudeübergreifende Quartierslösungen demnach schwieriger umsetzbar werden, gehen Experten davon aus, dass klassische Mieterstromprojekte innerhalb einzelner Gebäude auch weiterhin realisierbar sind und von den oben genannten richterlichen Entscheidungen unberührt bleiben. Zudem gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche regulatorische Änderungen, die eine skalierbare Lieferung von PV-Strom innerhalb eines Gebäudes ermöglichen. Allen voran: Die Verankerung des virtuellen Summenzählers im EnWG, das Liegenschaftsmodell im MsBG und die Standardisierung von Mieterstrom-Wechselprozessen.

Komplexität in der Umsetzung

Trotz dieser regulatorischen Verbesserungen bleiben Herausforderungen auf dem Weg zu erfolgreichen Mieterstromprojekten zu bewältigen. Dazu zählen z. B. die Erstellung und Abstimmung von Messkonzepten, der kostenintensive Messstellenbetrieb, die Notwendigkeit unternehmerischen Handelns in traditionell verwaltend aufgestellten Wohnungsunternehmen, ein personell aufwendiger Direktvertrieb, der für hohe Akzeptanzquoten auf Seiten der Mieterschaft unabdingbar ist, und die komplexe Abrechnung.

Erfolgsbeispiel ServiceHaus Mannheim: Mieterstrom skalieren

All diese Herausforderungen kennt beispielsweise die ServiceHaus GmbH, eine Tochter der GBG Unternehmensgruppe aus Mannheim, aus erster Hand. Seit 2022 bietet die ServiceHaus Mieterstromprojekte im Gebäudebestand der kommunalen Muttergesellschaft in Eigenregie an. Dabei bleibt eine Erkenntnis bestehen: Um das Geschäftsmodell wirtschaftlich umzusetzen, sind Skaleneffekte beim Einkauf von Messstellenbetrieb, Abrechnungssoftware und Kundenkommunikation notwendig.

Darum bietet die ServiceHaus nun bundesweit Abrechnungs- sowie Projektierungsdienstleistungen bedarfsweise im Lieferkettenmodell an und tritt in der Metropolregion Rhein-Neckar auch als Anlagenbetreiber auf, um Wohnungsunternehmen dabei zu helfen, Mieterstrom als Geschäftsmodell zu etablieren.

Thomas Bläsche, Abteilungsleiter Energie-Services bei der ServiceHaus, argumentiert nachdrücklich für Mieterstrommodelle mit höherer Wertschöpfungstiefe der Gebäudeeigentümer/-vermieter und fordert die Wohnungswirtschaft dazu auf, nicht nur Zuschauer der Energiewende zu sein, sondern sie auch mitzugestalten. Eine vertiefte Wertschöpfung in der Umsetzung von Mieterstrommodellen bietet nicht nur die Möglichkeit zur Refinanzierung erforderlicher Ertüchtigungs- und Personalaufwände, sondern auch den ganzheitlichen Blick auf die Errichtung und Bewirtschaftung der Gebäude mit zugehörigen Energiemanagementsystemen und stärkt nebenbei auch die Bindung zum Mieter.

Seine Empfehlung: „Mit erfahrenen Partnern und Dienstleistern muss das Rad nicht neu erfunden werden. Partnerschaften und Einkaufsgemeinschaften ermöglichen die dringend benötigten Skaleneffekte, um die lokale Stromvermarktung für alle Beteiligten attraktiv zu machen.“ So können Wohnungsunternehmen beispielsweise die Dienstleistungen der ServiceHaus abhängig von den verfügbaren Ressourcen in Anspruch nehmen – als Partner für die Strategie bis zur Umsetzung.

Strategische Empfehlungen für die Wohnungswirtschaft

Je nach Größe und vorhandener Ressourcen ergeben sich verschiedene Handlungsoptionen für die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen der Branchenteilnehmer:

­– Großen Wohnungsunternehmen mit eigenen Servicegesellschaften empfiehlt Bläsche, Mieterstrom als eigenständiges Geschäftsfeld zu entwickeln. Die vorhandene Infrastruktur für Mess- und Abrechnungsprozesse bildet eine ideale Grundlage. Durch die schrittweise Erweiterung des Know-hows können diese Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren und PV-Investitionen deutlich schneller amortisieren.

– Mittelgroße Unternehmen können beispielsweise durch die Bildung von Einkaufsgemeinschaften Synergieeffekte nutzen. Die gemeinsame Beschaffung von Komponenten oder gemeinsame Vermarktungsaktivitäten senken die Messstellen-, Software- und Kommunikationskosten pro Wohneinheit erheblich.

– Kleinere Wohnungsunternehmen finden in spezialisierten Dienstleistern wie ServiceHaus die optimale Lösung. Diese Partner übernehmen die komplexen energiewirtschaftlichen Aufgaben und setzen dabei auf bewährte Lösungsanbieter, um ihre Prozesse zu automatisieren und auch kleineren Akteuren einen erfolgreichen Einstieg in das Geschäftsfeld Mieterstrom zu ermöglichen.

Rechtssichere Abrechnung für teilnehmende Mietparteien

Als Technologie-Partner von ServiceHaus sorgen wir von Solarize für die revisionssichere Abrechnung des Stromverbrauchs mit den Mietern. Unsere Software automatisiert komplexe Abrechnungsprozesse und macht das Geschäftsmodell auch für eine Vielzahl an Liegenschaften handhabbar. Durch die Automatisierung werden manuelle Fehlerquellen eliminiert und der administrative Aufwand drastisch reduziert. Das System berücksichtigt dabei alle energiewirtschaftlichen Anforderungen und sorgt für rechtssichere Abrechnungen.

Gemeinsam mit Partnern wie z. B. ServiceHaus im kommunalen Wohnungsbau oder externen Contractoren ist es demnach auch für mittlere oder kleine Wohnungsunternehmen möglich, schnell und unkompliziert in die dezentrale Energieversorgung einzusteigen.

Ausblick: Mieterstrom als Standard der Zukunft

In ihrem Koalitionsvertrag macht die Bundesregierung deutlich, dass sie u. a. auf Lösungen wie Mieterstrom setzt und bei der Energiewende „[…] Wirtschaft und Verbraucher stärker zu Mitgestaltern“ machen möchte. Dafür notwendige regulatorische Weichenstellungen für die effiziente Umsetzung von Mieterstrom werden von zahlreichen Branchen-Akteuren aktiv gefordert. So kann sich Mieterstrom von einer interessanten Option zum künftig unverzichtbaren Baustein zukunftsfähiger Geschäftsmodelle innovativer Wohnungsunternehmen entwickeln. Mit erfahrenen Partnern und der individuell passenden Wertschöpfungstiefe gelingt Wohnungsunternehmen der erfolgreiche Einstieg in das Mieterstromgeschäft.

*Redaktionsschluss dieses Beitrags war der 14. Juli 2025. Spätere Entwicklungen konnten textlich nicht mehr berücksichtigt werden.

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