Verpflanzt keinen alten Baum
„Wohnungstausch – ein Weg, um Wohnraummangel zu beheben?“ Im Rahmen des Deutschen Seniorentags in Mannheim diskutierte ein Expertenpanel in einer gemeinsamen Veranstaltung von ver.di und dem gemeinnützigen Verband Wohneigentum dieses Thema.
Vor dem Hintergrund des dramatischen Wohnraummangels und wohnungspolitischer Forderungen nach verpflichtender Wohnungstausch-Option debattierte ein Panel mit Vertreter*innen aus Politik, Verbänden und Gewerkschaft kontrovers und vor vollem Haus. Das vielseitig besetzte Podium ermöglichte verschiedene Perspektiven auf dieses Thema und auf weitere Aspekte des Wohnens im Alter.
Es diskutierten: Annett Jura, Abteilungsleiterin Wohnungswesen und Immobilienwirtschaft im Bundesbauministerium; Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland; Dr. Christian Jaeger, CEO Gewoba AG Bremen; Sebastian Klöppel, Referent für Wohnungswesen und Wohnungspolitik beim Deutschen Städtetag; Dr. Dethlev Schampera, ver.di-Bereichsleiter, und Verena Örenbas, Bundesgeschäftsführerin Verband Wohneigentum.
Senioren, die auf großer Wohnfläche leben und den Raum im Grunde nicht mehr benötigen – hier setzt die Idee an: das nach der Familienphase zu groß gewordene eigene Zuhause gegen eine kleinere Wohnung tauschen. So könnte der nicht mehr vollständig genutzte Wohnraum jungen Familien zur Verfügung gestellt werden, die – vor allem auf dem städtischen Wohnungsmarkt – große Schwierigkeiten haben, bezahlbaren geeigneten Wohnraum zu finden. Im Gegenzug finden Senioren eine ihren Bedürfnissen eventuell eher entsprechende Wohnung.
Die Debatte verdeutlichte verschiedene bei Realisierung dieser Idee zu bedenkende Aspekte. Administrative, praktische und finanzielle Herausforderungen wurden ebenso angesprochen wie die unterschiedliche Ausgangssituation von Kommunen und die eher verhaltene Reaktion auf bereits bestehende freiwillige Angebote wie Tauschbörsen oder Umzugsprämien, die einige Städte anbieten. Tenor insgesamt: Wohnungstausch kann ein kleiner Baustein sein, Wohnraumverteilung zu optimieren, sie kann aber die Wohnraumkrise nicht lösen.
Erwartungsgemäß bewerteten die Podiumsteilnehmer*innen die Idee unterschiedlich. Unterstützung kam von ver.di-Bereichsleiter Dr. Dethlev Schampera, der hier die Möglichkeit zur Anpassung von Mietverhältnissen an die Bedürfnisse älterer Menschen sieht, aber auch Anlaufschwierigkeiten in Sachen Bürokratie befürchtet.
BMWSB-Abteilungsleiterin Annett Jura bewertete die Wohnungstausch-Idee als einen Baustein, bedarfsgerechten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Sie verwies auf verschiedene Kommunen, die freiwillige Systeme auf den Weg gebracht haben und z. B. mit Umzugsgeld oder Tauschbörsen unterstützen. „Hier sind die Fallzahlen allerdings sehr gering,“ so Jura. Und weiter: „Ich finde es gut, dass man sich auf den Weg macht und anders denkt. Es ist hier wichtig, im Austausch zu bleiben. Jura betonte mit Blick auf Senioren*innen zudem die Notwendigkeit, verstärkt barrierefreien Wohnraum zu schaffen.
Ein Aspekt, den auch die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier hervorhob: Nicht nur für Wohnen im Alter sei Barrierefreiheit bedeutsam. Mit Blick auf die verschärfte Wohnungsnot plädierte sie für ein Bundesprogramm, um die Idee Wohnungstausch bekannter zu machen.
Sebastian Klöppel vom Deutschen Städtetag berichtete von den Sorgen, die die Wohnsituation in großen Städten mache. Generell müsse ein suffizienter Umgang mit Fläche, ob Bauland oder Wohnraum, das Ziel sein. Den Wohnungstausch sieht er nicht als Lösung für die substanziellen Probleme des Wohnungsmarktes. Es könne hilfreich sein, einen Austausch zu fördern, aber aktuell werde das kaum nachgefragt und ein „Matching“ zwischen Senioren und jungen Familien herzustellen, sei schwierig. Klöppel: „Das Bauthema ist dummerweise ein kompliziertes und hängt von vielen Faktoren ab“.
Gewoba-CEO Dr. Christian Jaeger sieht keinen Bedarf für eine gesetzliche Verpflichtung zum Wohnungstausch, „wenn große Vermieter wie wir ihre Leute kennen, wird intern vermittelt.“ Gewünschte Wohnformen heutzutage seien eher kooperative Wohnformen: „In Gemeinschaft, aber doch mit Privatsphäre.“
Verena Örenbas, Bundesgeschäftsführerin des Verbands Wohneigentum, erteilte der Idee eines Rechtsanspruchs von Mieter*innen auf Wohnungstausch aus Sicht der selbstnutzenden Wohneigentümer eine klare Absage. „Es lässt sich Kleinvermietenden nicht vermitteln, dass sie in die Einliegerwohnung jemanden aufnehmen müssen, der nicht zu ihnen passt.“ Zudem sei ein solcher Eingriff in das verfassungsmäßige Recht auf Eigentum aus ihrer Sicht ohnehin rechtlich nicht zulässig. Örenbas erneuerte die Forderung nach erweiterten Wohnberatungsstellen auf kommunaler Ebene.
Eine Online-Befragung des Verbands aus 2024 ( www.verband-wohneigentum.de ) habe gezeigt, dass ein Drittel der Befragten durchaus bereit sei, die eigene Wohnfläche zu reduzieren. „Um Menschen, die sich eine Wohnraumverkleinerung wünschen, zu unterstützen, braucht es wohnortnahe Systeme aus Information und Beratung, finanzielle Anreize und praktische Erleichterungen.“