Interview

Mit Smart Metering zur Energiewende

Das Gesetz zum Neustart für die Digitalisierung der Energiewende ebnet den Weg für einen beschleunigten Rollout intelligenter Messsysteme. Gero Lücking, Head of Smart Metering bei Techem (www.techem.de), sieht in der Technologie einen zentralen Hebel für einen digitalisierten und klimaneutralen Gebäudebestand.

Herr Lücking, was macht Smart Meter überhaupt so smart?

Gero Lücking: Im Gegensatz zu klassischen Zählern erfassen Smart Meter den Verbrauch von Strom und Gas digital und übermitteln die Daten über das Smart Meter Gateway direkt bis ins Kundenportal. Je nach Bedarf erhält man Jahres-, Monats, Tages- oder Lastgangwerte auf 15-Minuten- (Strom) oder 1-Stunden-Basis (Gas). Das händische Ablesen entfällt, Fehlerquellen werden beseitigt und die Prozesse werden digital. Erstmals erhält man kontinuierlich die komplette Transparenz über seine Energieverbräuche. Multipliziert mit dem Tarif und den spezifischen Emissionsfaktoren werden aus diesen Verbrauchsinformationen Informationen über Energiekosten und CO2-Emissionen. In Kombination mit dem Submetering erhält man so einen vollständigen Überblick über die Energieverbräuche in seiner Immobilie. Und das über eine voll-digitale Wegstrecke.

Warum sind Smart Meter aktuell von besonders hoher Relevanz?

Gero Lücking: Bundestag und Bundesrat haben gerade das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) verabschiedet. Ein echter Reset für die digitale Energiewende – insbesondere im Gebäudesektor! Es macht den Weg frei für den beschleunigten und dringend benötigten Rollout von Smart Metern. Smart Meter sind für das Gelingen der Energiewende unabdingbar.

Lohnt sich der Einbau von Smart Metern schon heute – auch, wenn sie erst ab 2030 verpflichtend werden?

Gero Lücking: Definitiv! Ihr Nutzen für die Immobilienwirtschaft ist zentral, denn Smart Meter bilden die Basis für effiziente Prozesse sowie Transparenz über Verbrauch, Kosten und Emissionen. Das kommt Immobilienbesitzenden in vielerlei Hinsicht zugute: Die gewonnenen Daten schaffen ein umfassendes Bild über den energetischen Zustand ihrer Objekte. Dies ermöglicht etwa einen Vergleich zwischen Liegenschaften sowie die objektspezifische Definition von Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz. Zudem schafft Messen Bewusstsein für den eigenen Energieverbrauch – einer aktuellen Bitkom-Studie zufolge kennt ein Drittel der Deutschen ihren Jahresstromverbrauch nicht. Diese Lücke lässt sich durch Datentransparenz gegenüber Mietenden schließen.

Smart Metering bildet zudem die ideale Ergänzung zu Submetering-Services. Als wettbewerblicher Messstellenbetreiber bieten wir bei Techem Smart Metering in Kombination mit Submetering an. Auf diese Weise verbinden wir den Ansatz, den der Gesetzgeber aus dem Bereich „Strom“ heraus forciert, mit digitalen Gaszählern.  Damit schaffen Smart Meter commodity-übergreifend die Voraussetzung für die Umsetzung zentraler Berichtsanforderungen, wie ein wiederkehrendes ESG-Reporting.

Die Technologie aggregiert und überträgt eine Menge Daten. Wie bleibt deren Sicherheit gewährleistet?

Gero Lücking: Die Datensicherheit wird auf mehreren Ebenen sichergestellt. In jedem Fall werden die Daten anonymisiert, pseudonymisiert oder aggregiert übermittelt, sodass unbefugte Dritte keine Einsicht erhalten oder die Daten gar manipulieren können. Die gesammelten Werte werden zudem nicht extern, sondern lokal, direkt im Smart Meter Gateway (SMGW) verarbeitet, damit die anonymisierte Übertragung erfolgen kann. Auch der Empfängerkreis ist durch gesetzliche Vorgaben auf wenige definierte Stellen, wie etwa die Netzbetreiber, limitiert.

Welche gesetzlichen Vorgaben greifen hier konkret? 

Gero Lücking: Die Datensicherheit wird durch das Messstellenbetriebsgesetz sowie die Datenschutz-Grundverordnung geregelt. Die intelligenten Messsysteme müssen durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert sein. Das garantiert, dass Smart Meter und deren Kommunikationsmodule (die Smart Meter Gateways) gesetzes- und datenschutzkonform betrieben und die Daten sicher übermittelt werden. Alle Daten werden verschlüsselt übertragen. Ohnehin ist die Erhebung und die Nutzung ohne Zustimmung der Verbraucher nur möglich, sofern sie für energiewirtschaftliche Zwecke erforderlich sind. Der Grundsatz der Datensparsamkeit wird ebenfalls eingehalten.

Smart Meter leisten also einen entscheidenden Beitrag zur Digitalisierung des Gebäudebestands. Ist damit alles getan?

Gero Lücking: Auch wenn Smart Meter die Basis für ein weitgehend klimaneutrales und auf Sektorenkopplung optimiertes Energiesystem schaffen, ist es damit allein noch nicht getan. Der Gebäudesektor zählt mit einem Anteil von rund 30 Prozent an den Gesamtemissionen noch immer zu den größten CO2-Emittenten in Deutschland. Zudem verfehlt der Sektor Jahr für Jahr seine politisch gesteckten Klimaziele. Und das, obwohl im vergangenen Jahr Inflation, der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Versorgungsangst dazu beigetragen haben, den Verbrauch drastisch zu reduzieren. Diese Entwicklungen zeigen auf, welches Potenzial in einem auf Energieeinsparung ausgerichteten Nutzerverhalten im Gebäude steckt: So konnten wir den gesamtgesellschaftlichen Gasverbrauch im letzten Jahr gegenüber 2021 um 17,6 Prozent reduzieren. Das ist ein erster Schritt, an den wir anknüpfen müssen und bei dem der flächendeckende Einsatz digitaler Technologien im Gebäude einen zentralen Beitrag leistet. Die Informationen aus den Daten helfen uns, die Gebäude zu dekarbonisieren.

Wie trägt Digitalisierung im Gebäude ganz konkret zu mehr Energieeffizienz bei?

Gero Lücking: Digitale Technologien sind ein zentraler und zugleich niedriginvestiver Hebel, um den Energieverbrauch in Immobilien weiter zu reduzieren. Das belegen etwa Auswertungen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Forschungsprojekts BaltBest: Bis zu 82 Prozent der Heizkessel im Immobilienbestand sind zu hoch eingestellt und laufen damit ineffizient. Dabei kann der Betrieb eines Heizkessels schon heute digital überwacht, automatisch gesteuert und an die Außentemperatur oder benötigte Raumwärme angepasst werden – etwa mit Hilfe von intelligenten Lösungen wie dem Digitalen Heizungskeller von Techem, mit denen sich durchschnittlich bis zu 11 Prozent Energie einsparen lassen. Mit smarten Thermostaten kann der Verbrauch noch weiter reduziert werden, indem sie Heizungen zum Beispiel bei Abwesenheit runterregulieren und an den tatsächlichen Bedarf anpassen.

Der Weg zum flächendeckenden Smart-Meter-Rollout ist nun geebnet – was erwartet uns darüber hinaus mit Blick auf die Energiewende?

Gero Lücking: Klar ist, dass der weitere Ausbau erneuerbarer Energien mit einem umfassenden Wandel unseres Energiesystems einhergeht. Dieses wird künftig viel kleinteiliger, dezentraler und komplexer. Dezentrale Anlagen wie Windkraftwerke und Photovoltaikanlagen ersetzen große Kraftwerke. Daher müssen wir einen Weg finden, witterungsbedingte Schwankungen in der Energieerzeugung mit den Verbräuchen in Einklang zu bringen. Gleichzeitig müssen Verbräuche, wie die der Wärmepumpen und der Ladeinfrastruktur flexibilisiert werden. Die digitalen Zähler spielen dabei eine zentrale Rolle. Ohne Daten keine intelligente Netzsteuerung und keine Versorgungssicherheit. Die Sektorenkopplung bietet also große Chancen, um Erzeugungsvolatilität auszugleichen. Wir werden ein flexibles Energiesystem sehen, in dem mit Hilfe von Smart Metern Angebot und Nachfrage intelligent und effizient aufeinander abgestimmt werden. Smart Meter sind fester Bestandteil der dafür benötigten digitalen Infrastruktur. Sie sind für den Ausbau erneuerbarer Energien in der Breite also mitentscheidend.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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