Herbst der Reformen? Ja, bitte!
„Moment mal!“: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.
Zwar hat die Bundesregierung erste wirtschaftspolitische Maßnahmen angestoßen, doch der große Wurf bleibt bislang aus. Was wir aktuell sehen, sind einzelne Impulse – aber wir brauchen deutlich mutigere und strukturell tiefgreifende Reformen, um die deutsche Wirtschaft wieder aus dem Tief zu bringen. Die Beurteilung der 100-Tage-Bilanz der Bundesregierung durch die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) fällt daher verhalten aus.
Dabei könnte die Immobilienwirtschaft zum Zugpferd werden – wenn man sie ließe. Immerhin beträgt ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung im Lande etwa 20 Prozent und damit etwa 730 Milliarden Euro. Die Immobilienwirtschaft beschäftigt 3,51 Millionen sozialversicherte Arbeitnehmer und bildet damit einen nicht zu vernachlässigenden und vor allem stabilisierenden Faktor. Viel wird politisch diskutiert, wirklich zündende Maßnahmen bleiben vorerst aus. Ein Herbst der Reformen? Ja, bitte. Aber dafür muss die Politik zum „Enabler“ werden.
Apropos „zündend“: Die anfängliche Euphorie über den sogenannten „Bau-Turbo“ ist eher einer gesunden Skepsis gewichen. Das Gesetz enthält neben den positiven Aspekten leider auch eine zeitliche Befristung und einen Zustimmungsvorbehalt der Kommunen. Führt man sich einmal die Planungs- und Realisierungszeiträume für Bauten in Deutschland vor Augen, dann erscheint ein Anwendbarkeitslimit zu Ende 2030 nicht zielführend. Und die Frage, ob es wirklich schneller geht, hängt jetzt also an den Gemeinden. Damit ist nicht viel gewonnen.
Es wäre aber sicher mehr möglich. Schnell ließe sich zum Beispiel Rechtssicherheit beim Gebäudetyp „E“ herstellen. Die längst überfällige Absenkung der Baustandards ist ein wichtiger Hebel: funktional, wirtschaftlich, innovativ. Er steht für gutes, bezahlbares Wohnen – ohne unnötige Kosten.
Und dann die Förderprogramme: Ihre Reform ist laut Bundesbauministerium erst für 2027 geplant. Das ist ungefähr so hilfreich wie ein Rettungsring, der drei Jahre nach dem Kentern ausgeworfen wird. Die Branche braucht das Signal jetzt – ein Vorziehen auf nächstes Jahr ist dringend notwendig und könnte Investitionen endlich freisetzen.
Und: Genehmigte, aber nicht gebaute Wohnungen stauen sich – der sogenannte Bauüberhang. Würde der Effizienzhaus-55-Standard wieder förderfähig, könnten viele dieser Projekte endlich umgesetzt werden. Und wer eine Zusage bereits in der Tasche hat, braucht Zeit: Fünf Jahre Frist wären das Minimum, um Planungssicherheit zu schaffen – für Bauherren, Investoren und am Ende für die Mieter.
Auch teure Kredite bremsen die Wohnungsbauoffensive aus. Wer bauen will, zahlt drauf – und zwar so sehr, dass viele Projekte gar nicht erst starten. Dabei läge die Lösung längst auf dem Tisch: eigenkapitalersetzende Instrumente und staatliche Bürgschaften. Vorhaben, die im Koalitionsvertrag aufgeführt, aber noch nicht entscheidend vorangebracht worden sind. Doch auf dem Papier baut es sich eben schlecht. Gerade Bürgschaften könnten zum „Gamechanger“ werden: Wenn der Staat bis zu 80 Prozent eines Darlehens absichert, sinken die Finanzierungskosten für diejenigen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen, spürbar. Das kann für die Ausweitung des Wohnungsangebots ein entscheidender Hebel werden.
Können wir also jetzt auf den von der Regierungskoalition ausgerufenen „Herbst der Reformen“ hoffen? Eine gesunde Skepsis ist sicher angebracht. Es fehlt nicht an Ideen, sondern am politischen Willen. Es gilt jetzt, die Potenziale, die die Immobilienwirtschaft bietet, zu heben und sie damit zum Zugpferd zu machen.