Für mehr Planungseffizienz und Nachhaltigkeit

Interview mit Daniel Csillag, CEO von Graphisoft, über den Einfluss von Künstlicher Intelligenz in der Architektur.

Herr Csillag, wohin entwickelt sich Graphisoft mit seinen Planungslösungen und Services – mit Blick auf 2025 und die kommenden Jahre?

Daniel Csillag: Unsere Mission bei Graphisoft ist es, Architekten und TGA-Fachleuten die Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie benötigen, um ihre Ideen zum Leben zu erwecken. Mit Blick auf das Jahr 2025 und darüber hinaus bin ich darum mehr denn je von der transformativen Kraft neuer Technologien wie KI, BIM und cloudbasierter Zusammenarbeit begeistert. Diese Innovationen werden die Arbeitsweise von Planungsteams neu definieren und die Grenzen des Machbaren verschieben.

Wie dürfen wir uns das konkret vorstellen?

Daniel Csillag: Eine der faszinierendsten Entwicklungen, die sich derzeit abzeichnet, ist der wachsende Einfluss von KI in der Architektur. Wir sehen die ersten Anzeichen dieses Wandels und es ist klar, dass wir noch an der Oberfläche kratzen. Die erste Welle von KI-Tools und -Fähigkeiten hat inspirierende und zeitsparende Funktionen eingeführt, die kreative Köpfe dabei unterstützen, schnell erste Konzepte zu erstellen und zu verfeinern. Inspirierende Entwurfswerkzeuge auf KI-Basis, wie etwa der AI Visualizer für Archicad ((UTM-Code platzieren!)), werden bereits in der Praxis eingesetzt. Funktionen wie die automatische Erstellung von Zeichnungen sollen die kreativen Arbeitsabläufe verbessern, indem wiederholbare Aufgaben automatisch mit zunehmender Genauigkeit und Qualität ausgeführt werden. Durch Betaversionen, gefolgt von einer vollständigen Produktintegration, haben Teams diese ersten Anwendungsfälle genutzt, um Stresstests für verschiedene Ebenen der KI-Entwicklung durchzuführen.

Es wird erwartet, dass zukünftige KI-Lösungen die Planenden noch stärker unterstützen werden. Mit welchen Entwicklungen rechnen Sie hier?

Daniel Csillag: Ich gehe davon aus, dass aufbauend auf den ersten KI-Anwendungen schon sehr bald weitere ausgereifte KI-Funktionen in großer Zahl auf den Markt kommen werden – sowohl als eigenständige Tools als auch als integrierte Lösungen. Sie werden in der Lage sein, auf vorhandene Datenbestände zuzugreifen und viele Prozesse von der Planung bis zur Bauwerksanalyse zu verbessern. Wenn wir über den Tellerrand hinausschauen, sehen wir, dass immer neue KI-Agenten in den Markt drängen – und die bestehenden sich rasant weiterentwickeln. KI-Agenten sind mehr als nur eine Automatisierungsmaschine für sich wiederholende Aufgaben. Ihre Aufgabe sollte es sein, autonom zu handeln, proaktiv zu interagieren, Probleme zu lösen und komplexere Arbeitsabläufe auszuführen.

Wie könnte die Unterstützung durch solche KI-Agenten in der Praxis aussehen?

Daniel Csillag: Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Projekt, das sich in der Entwurfs- und Detailplanungsphase befindet. Plötzlich, wie es unvermeidlich ist, erfordert eine neue Anforderung eine Anpassung des ursprünglichen Entwurfs. Ein KI-Agent wird in der Lage sein, diese Änderung selbstständig von der Originaldatei auf alle betroffenen Inhalte und Schnittstellen zu übertragen, wodurch alle manuellen Überarbeitungen, Kommunikations- und Qualitätssicherungsprüfungen, die normalerweise bei Entwurfsänderungen in späteren Phasen erforderlich sind, entfallen. Eine fortgeschrittene Ausprägung dieser Vision kann die gesamte Wertschöpfungskette im Bauwesen revolutionieren und ist einer der Zukunftstrends, die es zu beobachten gilt.

Ressourcenschonendes und nachhaltiges Bauen ist eines der wichtigsten Ziele der Gegenwart und der Zukunft. Wie kann KI die Architekturschaffenden in diesem Bereich unterstützen?

Daniel Csillag: KI-Fähigkeiten lassen sich schon heute auf Nachhaltigkeitsthemen anwenden. Wie Sie schon sagten: Das ist ein wichtiges Thema, das auch und gerade in der Baubranche immer drängender wird. Die Fähigkeit von KI, riesige Datenmengen zu verarbeiten, bietet Architekten die Möglichkeit, bereits in einer frühen Phase des Entwurfsprozesses fundierte Entscheidungen zu treffen. Dies kann zu effizienteren und nachhaltigeren Entwurfsergebnissen führen als bisher. Dies ist ein wichtiger Aspekt dieser noch jungen Technologie, die einen entscheidenden Einfluss auf die knapp 40 % der weltweiten CO2-Emissionen haben wird, für die allein unsere Gebäude verantwortlich sind.

Wann wird das Ihrer Einschätzung nach so weit sein?

Caniel Csillag: Die Technologie wird in diese Richtung gehen, wenn sich datengetriebene Entwurfsprozesse durchgesetzt haben – also, wenn die ersten Entwurfskonzepte mit KI-Daten zu Klima, Standort, Licht und anderen Variablen angereichert werden, um die grundlegende Gestaltung von Projekten zu definieren. Mit der Leistungsfähigkeit datengesteuerter Szenarien können Architekturbüros wie Auftraggebende ihre Entwurfsoptionen sehr viel detaillierter untersuchen und mehrere Modelle für Umnutzungs- und Sanierungsprojekte testen. Bekannte Herausforderungen im Entwurfsbereich, z. B. die Umgestaltung großer Sportarenen oder Einkaufszentren, werden von ökonomischen Abwägungen und Bewertungen profitieren, unterstützt von Simulationen, welche die stadträumliche Umgebung berücksichtigen.

KI-Modelle greifen auf vorhandene Daten und Informationen zurück. Wie müssen wir uns das bei der Architekturplanung vorstellen?

Daniel Csillag: Die Anwendung gewonnener Erkenntnisse – unter Verwendung historischer Daten aus ähnlichen Projekten – wird die Nachhaltigkeitsbemühungen vorantreiben. Die gesammelten Erkenntnisse aus Hunderttausenden von Gebäuden werden zu wertvollen Datenpunkten für intelligente Entwurfssysteme. Mithilfe von KI können Planende auf diese Daten zugreifen, um ihre zukünftigen Gebäude zu optimieren, um die Energieeffizienz zu steigern, die Abfallmenge zu reduzieren und die Umweltbelastung zu verringern. Indem wir aus früheren Erfolgsgeschichten lernen, können wir klügere Entscheidungen treffen und so vermeiden, dieselben Fehler zu wiederholen. Im weiteren Verlauf des Gebäudelebenszyklus wird, so glaube ich, die intelligente Anwendung historischer Daten die Leistungsfähigkeit digitaler Zwillinge erhöhen, denn diese sind wichtig für einen effizienten Gebäudebetrieb. Das Ziel sollte also sein, ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Facility Management zu ermöglichen.

Viele Projekte werden heute mit hybriden Teamstrukturen und teilweise mit regional oder sogar global agierenden Planungsbeteiligten umgesetzt. Wo liegt das KI-Potenzial bei solchen Projektstrukturen?

Daniel Csillag: Die Kollaboration ist ein weiterer Bereich, der sich rasant verändert. Lösungen für die Zusammenarbeit im Homeoffice und in hybriden Teams haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und sich weiterentwickelt. Cloudbasierte Plattformen wie die BIMcloud von Graphisoft ((UTM Code platzieren!)) revolutionieren die Zusammenarbeit von Entwurfsteams, indem sie Teammitglieder an verschiedenen Orten in Echtzeit miteinander verbinden und die Voraussetzungen für eine agile, dynamische Zusammenarbeit schaffen. Die Arbeitsgruppen sind zwar räumlich voneinander entfernt, aber dennoch optimal aufeinander abgestimmt. Hinzu kommen effizientere Projektzyklen, höhere Genauigkeit und Planungsqualität und damit insgesamt bessere Bauwerke.

Was bedeutet das für die zwischenmenschliche Ebene, auch mit Blick auf die Kommunikation mit den Stakeholdern im Projektverlauf?

Daniel Csillag: Auch Kundenbeziehungen werden sich mit Sicherheit verändern. Da KI-Fortschritte die Herausforderungen der Vergangenheit lösen – etwa in Bezug auf notwendige Überarbeitungen und knappe Zeitvorgaben – wird der Schwerpunkt auf einer engeren Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden vom Konzept bis zur Übergabe liegen. Die Schulung und Einbindung der Stakeholder kann den technologischen Nutzen maximieren, erfordert aber eine neue, kollaborative Denkweise und einen sicheren Umgang mit der gemeinsam genutzten Kommunikationsinfrastruktur.

Projektteams sind oft vielfältig – vor allem bei Großprojekten. Sie sind interkulturell, vereinen viele Meinungen und Ansichten in sich. Das kann Qualitäten schaffen, bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Wie können wir hierauf reagieren?

Daniel Csillag: Das ist eine spannende Frage! In dezentralen, kulturell vielfältigen Arbeitsumgebungen gilt der Grundsatz „Sehen gleich Verstehen“. Mobile, geräteunabhängige Visualisierungs- und Kollaborationswerkzeuge verbinden Arbeitsgruppen in verschiedenen Phasen des gesamten Projektverlaufs, was Fehler und unnötige Überarbeitungen erheblich reduziert. Durch die Verwendung einer gemeinsamen visuellen Sprache, die alle Beteiligten auf dem gleichen Stand hält, werden Kommunikationsbarrieren abgebaut und die Voraussetzungen für mehr kreativen Input geschaffen, der zu einer höheren Entwurfsqualität führt. Da Ideen und Konzepte mithilfe von Übersetzungs- und kollaborativen Entwurfswerkzeugen pointierter kommuniziert werden, sind die verschiedenen Beteiligten auch durch den Einsatz von KI besser in der Lage, innovative Konzepte für die Gebäudeplanung zu entwickeln. Indem sie Lösungen aus verschiedenen Bereichen zusammenführen, können sie „das Beste aus beiden (oder mehreren) Welten“ vereinen, um ebenso nachhaltige wie faszinierende Ergebnisse zu erzielen.

Was müssen diese Entwurfswerkzeuge denn mitbringen?

Daniel Csillag: Um die langfristigen Vorteile der zuvor genannten visuellen Zusammenarbeit zu erkennen, müssen die verantwortlichen, die leitenden Planungsfachleute die richtigen Werkzeuge für die richtige Aufgabe auswählen. Bei Graphisoft legen wir bei all unseren Produkten Wert auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand bleiben. Neben der Kompatibilität mit allen Betriebssystemen und Entwurfsplattformen sollten Softwareprodukte in der Zukunft neue Technologien ganz selbstverständlich integrieren. Denn erst dann lassen sich diese nahtlos in die Prozesse einbinden und können die Projektumsetzung effizient unterstützen. Die Zusammenstellung eines nutzenorientierten Werkzeugkastens – im Gegensatz zu einem technologieorientierten – ist unerlässlich, um die Vorteile der visuellen, datengesteuerten Zusammenarbeit zu heben.

Die Covid-Pandemie hat auch viel in der Arbeitswelt verändert. Wie schätzen Sie die Entwicklung der kommenden Jahre ein, mit Blick auf die Normalisierung der Projektabläufe in Büros und auf Baustellen? Wird wieder viel wie zuvor angepackt?

Daniel Csillag: Wenn wir auf die nächsten drei bis fünf Jahre in der Branche schauen möchten, lohnt es sich, zunächst den Blick zurückzuwerfen. Auf der einen Seite hat die Volatilität im Markt die Lieferketten massiv gestört. Dem gegenüber stehen die Herausforderungen der vergangenen Jahre, die wir auch durch die dezentrale Arbeit im Homeoffice erfolgreich gemeistert haben. Das hat in der Branche ein stärkeres Gefühl von Widerstandsfähigkeit und Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des eigenen Teams geschaffen – obwohl zeitweise nur am heimischen Rechner gearbeitet werden durfte. In vielerlei Hinsicht war dies ein Wendepunkt. Und unabhängig davon, ob im Büro oder im Homeoffice: Ich bin sicher, dass eine der wichtigsten Investitionen, die ein Unternehmen tätigen kann, in der stetigen Weiterbildung seiner Mitarbeitenden liegt.

Ein Projekt ist dann erfolgreich, wenn alle Protagonisten ihr Handwerk verstehen, gut ausgebildet und kommunikativ sind, außerdem offen für Innovation. Birgt aber die KI nicht auch die Gefahr, dass sie uns wertvolle Kompetenzen abnimmt?

Daniel Csillag: Wir betrachten KI als ein Werkzeug, das den menschlichen Erfindungsreichtum unterstützt, nicht als Ersatz für seine Kreativität. Das ist mir wichtig, herauszustellen. Wie bei jedem Tool erfordert die richtige Anwendung eine Reihe von Fähigkeiten, insbesondere wenn Anwendungsfälle und einzelne Werkzeuge immer ausgereifter und komplexer werden. Die Möglichkeiten, die sich durch autonomes und intelligentes Entwerfen ergeben, beginnen sich aktuell erst ganz zart abzuzeichnen. Jetzt ist es also eher an der Zeit, ganz vorn dabei zu sein. Das bedeutet: Genauso wie wir bei Graphisoft in Produkte und Dienstleistungen investieren, sollten auch andere Führungskräfte in anderen Unternehmen und Architekturbüros in ihre Mitarbeitenden investieren! Damit lassen sich wertvolle Skills fördern, die mit den faszinierenden technischen Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz Schritt halten.

Eine letzte Frage, verbunden mit der Bitte um eine kurze Antwort: Was zeichnet Architektur in der Zukunft aus?

Daniel Csillag: Das ist eine Herausforderung, aber ich will es versuchen: Die Zukunft der Architektur wird außergewöhnlich inspirierend! Und ich zweifle keinen Augenblick daran, dass wir mit den richtigen Werkzeugen, der richtigen Ausbildung und der richtigen Einstellung eine Welt schaffen können, die nicht allein effizienter und nachhaltiger ist, sondern auch besser auf die Bedürfnisse von morgen ausgerichtet ist. Das ist unsere Chance, einen bleibenden und vor allem positiven Fußabdruck auf der Welt zu hinterlassen. Also lassen Sie uns die Möglichkeiten gemeinsam nutzen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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