Die Energiewende im Gebäude gestalten
Die Klimaziele der Bundesregierung können ohne ein Einbeziehen des Gebäudesektors nicht erreicht werden – denn er zählt auch im Jahr 2022 zu den Sektoren mit den höchsten CO2-Emissionen. Eine aktuelle Untersuchung der Verbrauchskennwerte von Mehrfamilienhäusern hat nun außerdem erhebliches Potenzial für Effizienzsteigerungen in Gebäuden aufgedeckt. Digitale Lösungen und geringinvestive Maßnahmen, wie ein umfassendes Heizungsmonitoring, können entscheidend dazu beitragen, Effizienzpotenziale in Wohngebäuden zu heben
Gebäude sind in Deutschland für etwa 35 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs sowie für etwa 30 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Um Verbräuche und Emissionen im Gebäudebestand zu senken und unsere Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus dem Ausland zu reduzieren, ist unser entschlossenes Handeln gefordert. Denn wir haben ambitionierte Ziele: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Besonders interessant sind vor diesem Hintergrund die Kernergebnisse der Verbrauchskennwerte-Studie (VKW-Studie) des Energiedienstleisters Techem. Für die Studie, die seit 1998 nahezu jährlich herausgegeben wird, wurden die Verbrauchskennwerte von 2,1 Mio. deutschen Wohnungen in 176.000 Mehrfamilienhäusern ausgewertet.
Im Zeitraum von 2018 bis 2020 sind zwar die durch Raumheizung und Trinkwassererwärmung in Mehrfamilienhäusern entstandenen CO2e-Emissionen (CO2-Äquivalente) um etwa 13 % gesunken – von ca. 2,56 Tonnen CO2e pro Nutzeinheit auf 2,23 t CO2e. Die erzielten Einsparungen sind allerdings nicht durch Optimierung und Effizienzsteigerung, sondern durch den veränderten Energiemix im Gebäudesektor entstanden. So sind etwa die Verbräuche für Raumheizung und Warmwasser in diesem Zeitraum insgesamt nur um überschaubare 0,18 % gesunken.
Energieeffizienz als Achillesferse der Klimaneutralität im Gebäude
Dieses Ergebnis ist angesichts der nicht ausreichenden Energieeffizienz in einem Großteil der untersuchten Immobilien wenig überraschend. Ein Drittel der in der VKW-Studie ausgewerteten Heizungsanlagen ist älter als 25 Jahre und weist entsprechende Ineffizienzen auf. Den großen Optimierungsbedarf bei Heizungsanlagen bestätigt auch die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Studie BaltBest[1], an der Techem ebenfalls beteiligt war: Die witterungsgeführte Vorlauftemperaturregelung ist demnach nur in unter 15 % der Anlagen in Mehrfamilienhäusern adäquat eingestellt. Ein Großteil der Anlagen läuft entsprechend mit zu hohen Systemtemperaturen.
Die Energiebezugsquellen von Mehrfamilienhäusern weisen zudem eine eklatante Abhängigkeit von fossilen Energieträgern auf. In Deutschland kommt Erdgas weiterhin ein Anteil von etwa 52 % der beheizten Fläche in verbundenen Anlagen zu. Dieser Wert ist im Vergleich zwischen 2018 und 2020 nahezu konstant geblieben. Der Anteil an Heizölkesseln ist seit 2011 zwar anteilig deutlich gesunken – von etwa 16 auf gut 11 % – es werden aber immer noch fast zwei Drittel der Mehrfamilienhäuser mit diesen beiden fossilen Energieträgern beheizt. Bei der Energieversorgung von Liegenschaften spielen Holzpellets mit 0,7 % und strombetriebene Wärmepumpen mit 0,14 % noch keine große Rolle. Und neben der in der VKW-Studie festgestellten geringen Jahresnutzungsrate von Wärmepumpen ist mit gut 50 % auch ein enormes Effizienzpotenzial dieser Technologie zu verzeichnen.
Fünf Maßnahmen zur Gestaltung smarter und nachhaltiger Gebäude
Die VKW-Studie zeigt: Die Energie- und Klimabilanz des Gebäudebestands ist noch immer verbesserungswürdig. Damit wir unsere Klimaziele erreichen können, müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um Gebäude smart und nachhaltig zu gestalten. Neben den notwendigen Anstrengungen zur Bewältigung der Energiewende gewinnt die Energieeffizienz von Immobilen vor dem Hintergrund verpflichtender Energiesparmaßnahmen in der aktuellen Heizperiode an zusätzlicher Relevanz.
Die gute Nachricht: Mit fünf konkreten Maßnahmen können Mietende und Vermietende bereits heute einen beträchtlichen Beitrag zur Optimierung der Energieeffizienz von Gebäuden leisten.
1. Das Potenzial der Digitalisierung
ausschöpfen
Der Digitalisierung kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Energiewende zu. Die novellierte HKVO schafft Anreize für eine beschleunigte Digitalisierung des Gebäudebestands. Ein zentrales Element der Novelle ist die unterjährige Verbrauchsinformation, deren Basis fernablesbare Erfassungsgeräte sind. Vermietende müssen Bewohnende in ihren Liegenschaften seit Januar 2022 monatlich über ihren Energieverbrauch informieren, wenn diese Geräte bereits installiert sind. Bis Ende 2026 müssen alle Geräte durch fernablesbare, funkfähige Zähler ersetzt oder nachgerüstet werden.
Das ist von wesentlicher Bedeutung, denn ein auf monatliche Energie- und Kosteneinsparung ausgerichtetes Nutzerverhalten ermöglicht eine Verbrauchsreduktion von bis zu 15 Prozent. Hinzu kommt der Einspar-effekt durch die jährliche verbrauchsabhängige Abrechnung, durch die der Endenergieverbrauch laut Studien im Durchschnitt um 20 Prozent reduziert werden kann.[2] Zahlen von Techem belegen diesen Effekt auch in Emissionsvermeidungszahlen: Für den nationalen und internationalen Abrechnungsbestand des Unternehmens resultiert in Verbindung mit der Abrechnungsdienstleistung auf Basis der Heizkostenverordnung (HKVO) eine jährliche Reduktion der Emissionen in CO2-Äquivalenten um ca. 7,4 Mio. Tonnen CO2e gegenüber einem Szenario ohne verbrauchsabhängige Kostenabrechnung.
Es gilt demnach, Bewohnende von Mehrfamilienhäusern durch regelmäßigen Einblick in die Verbrauchsdaten und Verbrauchskosten zum Energiesparen zu befähigen: Denn Messen schafft Bewusstsein. Dieses Bewusstsein für den eigenen Energieverbrauch ist grundlegend, um das Nutzungsverhalten anzupassen und die dadurch verursachten Kosten zu reduzieren. Gerade vor dem Hintergrund drastisch gestiegener Energiepreise ist das umso wichtiger.
2. Gebäude automatisieren, Energie einsparen
Welche Wirkung Digitalisierung im Gebäude sowie Maßnahmen zur Gebäudeautomation entfalten können, zeigt eine aktuelle Bitkom-Studie, die Einsparpotenziale in drei Szenarien untersucht. Der Ausbau von Gebäudeautomation im Wärmebereich im aktuellen Tempo könnte in der Heiz- und Warmwasserversorgung durch KI-gestützte Optimierungsverfahren jährlich bis 2030 bis zu 5,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Mit einem durch politische Maßnahmen verstärkten Einsatz digitaler Technologien wäre es zudem möglich, Einsparungen im gleichen Zeitraum auf 10,8 Mio. Tonnen zu erhöhen. Weitere knapp 0,7 Mio. Tonnen Einsparpotenzial entfallen auf eine bedarfsgerechte automatisierte Kühlung und Beleuchtung. Entsprechende Maßnahmen können bereits geringinvestiv umgesetzt werden und amortisieren sich gerade bei den aktuell sehr hohen Energiekosten sehr schnell durch die Einsparungen beim Verbrauch.
3. Effizientere Heizungsanlagen durch professionelle Betriebsführung und
Monitoring
Angesichts der noch hohen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern ist es wichtig, zumindest die Energieeffizienz der Anlagen zu erhöhen – und gerade bei konventionellen Wärmeerzeugern lässt sich diese deutlich steigern. Die VKW-Studie zeigt, dass im Vergleich zu Heizkesseln im Abrechnungsbestand die Jahresnutzungsgrade von Heizkesselanlagen im Wärmecontracting in kommerzieller Betriebsführung um etwa 7 Prozentpunkte höher liegen. Durch Monitoring und professionelle Betriebsführung sind weitere 10 bis 15 Prozent Effizienzsteigerung möglich.
Die Effekte professioneller Betriebsführung würden sich insbesondere bei Wärmepumpen bemerkbar machen. Umso wichtiger ist das vor dem Hintergrund der zunehmenden Nutzung dieser Technologie. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts war 2021 bereits mehr als jede zweite Heizungsanlage im Neubau eine Wärmepumpe.
4. Gebäudehülle sanieren = weniger Wärmeverlust
Während die bisher beschriebenen Maßnahmen vor allem darauf abzielen, weniger Energie zu verbrauchen sowie die vorhandene Energie optimal zu nutzen, muss der Gebäudebestand zudem so optimiert werden, dass möglichst wenig Wärme verloren geht. So beträgt der Wärmeverlust durch die Außenwand eines Mehrfamilienhauses allein 37 Prozent, über die Fenster gehen laut des Amtes für Umweltschutz der Stadt Essen weitere 12 Prozent verloren. Durch Sanierungen der Gebäudehülle sind je nach Gebäudetyp und Umfang der Maßnahmen Einsparungen von 30 bis etwa 60 Prozent des Endenergieverbrauchs möglich. Insbesondere durch die Dämmung von Fassade, Kellerdecke und Dach sowie den Einbau neuer Fenster und Türen kann massiv Energie eingespart werden. Und der Sanierungsbedarf im deutschen Bestand ist enorm: Rund die Hälfte der Wohngebäude müssen laut der Deutschen-Energie-Agentur in den kommenden 20 Jahren saniert werden.
5. In Forschung investieren
Durch zahlreiche Innovationen der letzten Jahre konnten Technologien und Verfahren entwickelt werden, die einen gezielten Beitrag zu regenerativen Energieversorgungslösungen, Energieeffizienzverfahren und der damit verbundenen CO2e-Reduktion leisten. Einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge ist allerdings der Umfang der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft in den letzten Jahren zurückgegangen. Nur eine Minderheit der Unternehmen in diesem Sektor forscht aktiv. Dementsprechend werden innovative Verfahren hauptsächlich in anderen Wirtschaftsbereichen entwickelt.
Auch wenn bereits viele Lösungen für die Effizienzsteigerung im Gebäude vorhanden sind, gilt es weiterhin, neue und noch bessere Lösungen zu erforschen. Einen entscheidenden Beitrag können dabei Unternehmen leisten, die selbst in der Energiewirtschaft tätig sind. Techem hat hierfür das Techem Research Institute on Sustainability (TRIOS) gegründet. Durch die nachhaltigkeitsbezogenen Forschungsaktivitäten sowie den damit einhergehenden Dialog sowie die Partnerschaften mit gesellschaftlichen Stakeholdern, wissenschaftlichen Einrichtungen und Gremien begleitet TRIOS an vielen Stellen die Dekarbonisierung des Gebäudebestands. TRIOS ist zudem maßgeblich für die jährliche Durchführung der VKW-Studie verantwortlich und leistet somit einen entscheidenden Beitrag zu Techems unternehmerischer Verantwortung, die Energiewende aktiv und transparent mitzugestalten.
Energieeffizienz ganzheitlich denken
Wichtig ist, diese Maßnahmen als Teil eines gesamtheitlichen Ansatzes zu betrachten. Denn insgesamt kann durch Kombination aus Maßnahmen zur Verbesserung der Gebäudehülle, des Verhaltens der Nutzenden (insbesondere Lüftungsverhalten) und der Anlageneffizienz ein Potenzial zur Vermeidung von ca. 20 Mio. CO2-Äquivalente im Bestand deutscher Mehrfamilienhäuser erschlossen werden. Langfristig schützt ein nachhaltiger Gebäudebestand so nicht nur das Klima durch vermiedene Emissionen, sondern spart Geld und verbessert letztlich unsere Wohn- und Lebenssituation.
Die vollständigen Ergebnisse der Techem VKW-Studie 2021 zu Energieverbrauch und CO2-Emissionen in deutschen Mehrfamilienhäusern gibt es unter www.techem.com
Literaturverzeichnis:
[1] Das Akronym BaltBest steht für „Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsaltanlagen im Bestand“.
[2] Dr. Clemens Felsmann und Juliane Schmidt: „Auswirkungen der verbrauchsabhängigen Abrechnung in Abhängigkeit von der energetischen Gebäudequalität”, Dresden 2013.