Zukunftssicherer Schallschutz

Der Schallschutz im mehrgeschossigen Wohnungsbau unterliegt einem rasanten Bewertungswandel: bei den Nutzern, vor Gerichten und perspektivisch auch in den Regelwerken. In den Blickpunkt rücken dabei der Schallschutz im eigenen Wohnbereich und in technischer Hinsicht die akustisch entkoppelte Verbindung von Bauteilen.

Die Ruhe im eigenen Wohnbereich und damit der Schutz gegen fremde, von außen eindringende Geräusche sind heute für viele Menschen kein Luxus mehr, sondern normaler Lebensanspruch. Von zeitgemäßen Neubauten, aber auch von Sanierungen nach Neubaustandard wird deshalb ein Komfortschallschutz erwartet, der deutlich über den gesetzlichen Mindestanforderungen an den Schallschutz im Hochbau liegt, wie er in der gleichnamigen DIN 4109 geregelt ist.

Diese Erwartungshaltung bei Wohnungsmietern oder -käufern wird durch Urteile deutscher Gerichte gestützt. Danach kann die inzwischen über 20 Jahre alte DIN 4109 von 1989 nicht mehr als allgemein anerkannte Regel ­angesehen werden. Sie ist zwar als Norm immer noch gültig, wurde aber von der Weiterentwicklung im schallschutzgerechten Bauen überholt und beschreibt insofern nicht mehr den Stand der Technik, sondern nur noch die öffentlich-rechtlichen Mindestanforderungen im Sinne des Gesundheitsschutzes.

Immobilien zukunftssicher vermieten

Was im ersten Moment wie ein theoretische Spitzfindigkeit von Juristen wirkt, hat für Wohnungsbaugesellschaften und Investoren sowie ihre Bauplaner ganz praktische Konsequenzen: Neubauvorhaben müssen beim Schallschutz dem Stand der Technik entsprechen. Anstehende Modernisierungen im Bestand sollten dies soweit möglich ebenfalls tun, damit sie auch in den nächsten Jahren noch den gestiegenen Ansprüchen der Mieter an den Ruheschutz entsprechen.

Eine Orientierung für den Stand der Technik, also das mit zeitgemäßen Bauweisen Erreichbare, geben zum Beispiel des Beiblatt 2 zu DIN 4109 [1] oder die Schallschutzstufe II der Richtlinie VDI 4100 [2]. Die Anwendung dieser Regelwerke muss vom Bauherrn ausdrücklich verlangt und mit dem Planer vereinbart werden.

 

Bauakustische Entkopplung ausnutzen

Wer heute zukunftssicher bauen möchte, um auch morgen noch eine zeitgemäße Immobilie vermieten zu können, sollte bereits jetzt die Weiterentwicklung bei den Schallschutznormen einplanen. Für die Neufassung einer künftigen Norm zum Schallschutz existieren bereits Überlegungen und erste Entwürfe. Der endgültige Inhalt und ein Veröffentlichungstermin stehen zwar noch nicht fest, aber einige Tendenzen lassen sich bereits erkennen. So wird das kommende Rechenverfahren zum Schallschutznachweis auf der bereits vorhandenen europäischen Norm DIN EN 12354 [3] beruhen. Eine Besonderheit darin ist die Berücksichtigung der Bauteilanschlüsse. Während bisher im Massivbau nur das Gewicht einer Wand, genauer ihre flächenbezogene Masse, für die Bestimmung des Schallschutzes relevant war, wird nun auch gefragt, wie die Wand an die angrenzenden Bauteile angeschlossen ist und welchen Beitrag diese Stoßstellen zur Verminderung der Schallweiterleitung leisten.

Starre Anschlüsse reduzieren die Übertragung der Schallwellen in der Regel kaum. Elastische Anschlüsse sorgen hingegen für eine akustische Entkopplung der Bauteile untereinander, so dass die gegenseitige Anregung und damit die Weiterleitung von Schall auf ein Minimum sinken. Genau dieses Phänomen machen sich Gips-Massiv-Wände zunutze, bei denen der elastische Anschluss die Regelbauweise ist.

Flexibilität für den günstigsten Grundriss

Gips-Massiv-Wände werden aus Gips-Wandbauplatten errichtet, die ohne Unterkonstruktion, nur mit Gipskleber in den Fugen zusammengesetzt werden. Die Plattendicken im Wohnungsbau betragen 80 oder 100 mm. Diese Maße entsprechen zugleich den Wanddicken, denn Gips-Wandbauplatten benötigen keinen Putz, sie werden wie im Trockenbau üblich in den Fugen verspachtelt. Es handelt sich jedoch um massive Wände, die homogen aus Gips bestehen, weshalb auch von massivem Trockenbau gesprochen wird.

Gips-Massiv-Wände werden als nichttragende innere Trennwände zur Raumaufteilung in Wohnhäusern, aber auch in Verwaltungs- oder Unterkunftsgebäuden eingesetzt. Sie zählen zu den leichten Trennwänden, die bei den im Wohnungsbau üblichen Raumhöhen nicht als Einzellasten berücksichtigt werden, sondern mit einem pauschalen Zuschlag auf die Tragfähigkeit der Decke, dem Trennwandzuschlag nach DIN EN 1991-1-1/NA [4].

Das hat den Vorteil, dass die Position der Wände nicht im Voraus festgelegt sein muss und im Rahmen späterer Umbauten auch beliebig verändert wer­den kann. Die Auf­teilung der Wohnungen folgt dadurch stets dem Prinzip des günstigsten Grundrisses und passt sich der jeweils aktuellen Mieternachfrage nach eher größeren oder eher kleineren Räumen an. Trotz des geringen Gewichts handelt es sich jedoch stets um massive Wände, mit der Solidität und Werthaltigkeit des Massivbaus.

Verbesserung an den Stoßstellen

Der elastische Anschluss der Trennwände mit Randanschlussstreifen stellt bei Gips-Wandbauplatten die Regelbauweise nach DIN 4103-2 dar. Es handelt sich also nicht um gesondert nachzuweisende oder gar zulassungspflichtige Sonderausführungen. Mauerwerksanker oder andere zusätzliche starre Verbindungsteile sind für den Wandanschluss nicht erforderlich und müssen im Sinne des Schallschutzes unterbleiben.

Mit fachgerecht ausgeführten elastischen Anschlüssen wird die Stoßstelle zwischen Gips-Massiv-Wand und flankierendem Bauteil im schalltechnischen Sinne aufgehoben. Die bauakustische Anregung, die von einer flankierenden Trennwand auf eine trennende Decke oder Wohnungstrennwand ausgehen kann, lässt sich damit deutlich reduzieren. Oder anders formuliert: Obwohl es sich um leichte flankierende Bauteile handelt, ­verschlechtern Gips-Massiv-Wände nicht die Schalldämmung der trennenden Bauteile. Es ergibt sich ein verbesserter Schallschutz für Wohnungstrennwände und Geschossdecken, was speziell im mehrgeschossigen Wohnungsbau eine Ausführung auf zeitgemäßem Lärm- und Ruheschutzniveau ermöglicht.

Im Rahmen eines umfangreichen AiF-Forschungsvorhabens wurden durch zahlreiche Gebäudemessungen Stoßstellendämmmaße für entkoppelte Gips-Massiv-Wände ermittelt und als Verbesserung gegenüber dem Rechenwert für einen starren Anschluss dokumentiert. Je nach Übertragungssituation beträgt die Verbesserung der Stoßstellendämmung dabei 2 bis 15 dB. Die zu erwartende Neufassung der Norm für den Schallschutz im Hochbau wird diese Stoßstellen-Verbesserungsmaße künftig auch rechnerisch berücksichtigen. Baupraktisch anwenden lassen sich die Vorteile schon heute.

Ruheschutz auch in der eigenen Wohnung

Mit der generellen Neubewertung des Schallschutzes in den Regelwerken tritt als neues, bisher noch gar nicht berücksichtigtes Kriterium der Schallschutz im eigenen Wohnbereich auf. Die bisherige DIN 4109 hat nur die Schallübertragung zwischen fremden, also unterschiedlichen Wohnungen begrenzt. Die von Gerichten neuerdings stärker heran­gezogenen Regeln, Beiblatt 2 zu DIN 4109 oder VDI 4100, sprechen auch Empfehlungen für den Ruheschutz innerhalb einer ­Wohnung aus, die bei der Auswahl der inneren Trennwände berücksichtigt werde sollten.

Zu beachten ist hierbei der Unterschied zwischen Wänden mit und ohne Tür. Bei Wänden mit Türen stellen in der Regel die Türen mit einem Schallschutz um 25 dB das ausschlaggebende Bauteil dar, beschreibt Dipl.-Ing. Guido-Dietze, Fachbuchautor und Verwaltungs-Professor an der HAWK Hildesheim, die Situation: „Wie Untersuchungen von Schallschutz-Instituten und Prüfstellen zeigen, wird im Wohnungsbau mit üblichen Türen in Trennwänden ein resultierendes Schalldämm-Maß von maximal 32 – 33 dB erreicht. Für diesen Schallschutz sind Trennwände mit einer Schalldämmung von R’w,R ≈ 40 dB ausreichend … Selbst bei Wänden mit einer höheren Schalldämmung als 40 dB ergäbe sich keine deutlich hörbare Verbesserung, weil die Tür nach wie vor die schalltechnische Schwachstelle darstellt und sich maßgeblich auf die Schalldämmung der Gesamtkonstruktion auswirkt.“ [5]

Anders ist die Situation bei Wänden ohne Türen. Ihre bauakustische Qualität hängt sehr wohl von der Art der Trennwand und ihrer jeweiligen Anschlusssituation ab. Trotzdem müssen hier künftig nicht un­bedingt besonders dicke Wände ausgeführt werden, die ja wertvolle und mietrelevante Nutzfläche verbrauchen würden. Bei Verwendung von schalloptimierten Gips-Wandbauplatten mit hoher Rohdichte (ca. 1 350 kg/m³) können bereits 100 mm dicke Wände mit RwP 49 dB die Forderungen an einen zukunftsfesten Schallschutz im eigenen Wohnbereich erfüllen.

Mit elastisch angeschlossenen Gips-Massiv-Wänden lassen sich künftige Anforderungen bereits heute erfüllen.

Für die Neufassung einer künftigen Norm zum ­Schallschutz existieren bereits Überlegungen und erste Entwürfe.

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