Treppensteigen, nein danke

Schon wenige Stufen können für Senioren mitunter eine unüberwindbare Hür­­de auf dem Weg in ihre Wohnung darstellen. Die Lösung? Na klar, ein Aufzug. In Leipzig wurden jetzt drei Gebäude altengerecht um­­gebaut und mit Anlagen nachgerüstet.

Wie sehr Aufzüge den Wert einer Immobilie steigern können, zeigt ein Beispiel aus Leipzig. Dort baute das Ingenieurbüro von Bernd Zangemeister an der Wurzner Straße drei denkmalgeschützte Häuser altengerecht um. Und zeigte nebenbei, dass Denkmalschutz und modernes Wohnen kein Widerspruch sind.

Denkmalschutz spielt in Leipzig eine große Rolle. Mehr als 10.000 Einzeldenkmale aus der Zeit zwischen 1871 und 1914 verdichten sich im Stadtzentrum und in den angrenzenden Stadtteilen zu oft nahezu geschlossenen Gründerzeitquartieren – einzigartig in Deutschland. Nach mehr als 20 Jahren Stadterneuerung ist ein Großteil der Gebäude saniert worden, wenn auch keineswegs durchgehend barrierefrei umgebaut. Bis heute wird nur eine Minderheit der Altbauten durch einen Aufzug erschlossen.

„Gerade die historischen Bauten stellen uns vor die Aufgabe, immer wieder eine Balance zu finden zwischen den Anforderungen an Energieeffizienz und Komfort einerseits und der vorhandenen Bausubstanz ande­rerseits“, sagt Zangemeister. Dennoch sieht der 51-jährige Bauingenieur die Bewahrung his­­torischer Bausubstanz nicht als Hindernis. „Da braucht man sich doch nur mal die Häuser hier an der Wurzner Straße und der Roßbachstraße anzusehen.“ Die Gebäude, die kurz nach 1900 entstanden sind, erreichen heute energetisch den Stand eines KfW-100-Effizienzhauses und werden dazu vollständig durch Erdwärme versorgt.

Wahre Schätze

Hinter den Fassaden aus Historismus und Jugendstil verbergen sich wahre Schätze: bunt gemusterte Fliesen, aufwendig ausgemalte Treppenhäuser, dazu die geschnitzten Wohnungstüren, der Stuck in den Räumen. Viele dieser dekorativen Elemente konnten erhalten, von Restauratoren repariert oder nach Vorlagen ergänzt werden. Das galt auch für die Fassaden selbst, an denen Klinker aufgearbeitet und Stuckelemente nachgefertigt wurden. „Das war in diesem Umfang nur möglich, weil die Eigentümerin, Christa Brauner aus Martinried, sicher war, die Wohnungen zu entsprechenden Preisen vermieten zu können“, erklärt Zangemeister.

Tatsächlich ist das Konzept aufgegangen. Von den 40 Mietwohnungen wurde inzwischen ein Großteil bezogen. Dabei hat sich die Situation auf dem Leipziger Immobilienmarkt grundlegend verändert. Als Brauner 2013 den Beschluss zur Sanierung fasste, ging es darum, Wohnraum aufzuwerten und damit für den Markt attraktiv zu machen. „Altengerechte Wohnungen mit angeschlossenem Pflegedienst waren vor wenigen Jahren kaum zu finden.“ Die Sanierung versprach daher Häuser mit Alleinstellungsmerkmal für den örtlichen Markt.

Glückliche Umstände

Inzwischen allerdings erlebt die Stadt mit ihren 525.000 Einwohnern einen regelrechten Boom. Leute, die ganz trendig sein wollen, sprechen schon von „Hypezig“ an der Pleiße. Tatsächlich ziehen jährlich 10.000 Personen nach Leipzig. Entsprechend knapp wird der Wohnraum. „Wir haben inzwischen sogar Studenten unter unseren Mietern“, sagt Brauner, die darüber gar nicht so unglücklich ist. „Die Älteren empfinden die Jüngeren als Bereicherung. Und die Jüngeren freuen sich über die Ruhe im Haus.“

Von Mitte 2013 bis Mitte 2014 dauerte der Umbau der drei Häuser, bei dem auch ein gewisses Quäntchen Glück im Spiel war. Denn die Eigentümerfamilie besaß zunächst nur die damals leer stehenden Gebäude Roßbachstraße 2 und Wurzner Straße 38. Erst durch Zukauf des Nachbarhauses Wurzner Straße 36 war – in Kombination mit dem Ausbau der Dachgeschosse – die Zahl an Wohneinheiten erreicht, die das Objekt für einen Pflegedienst wirtschaftlich at­­trak­tiv machte. So entstanden in den Häusern Wurzner Straße 36 und 38 insgesamt 36 Ein- und Zweizimmerwohnungen, dazu in der Roßbachstraße 2 vier Etagenwohnungen mit jeweils vier Zimmern.

Gut geplant

Den Pflegedienst treffen die Bewohner im Gemeinschaftsraum an, der beim Umbau an der Wurzner Straße 36 eingerichtet wurde und in dem die Mieter, so sie es wünschen, ihre Mahlzeiten einnehmen können. Hier werden vom Pflegedienst aber auch kleinere Veranstaltungen und Gemeinschaftsaktivitäten angeboten: Nähen, Häkeln, Diaabende. Wichtigste Aufgabe des Dienstleisters ist aber die Betreuung der Bewohner: An sieben Tagen in der Woche ist rund um die Uhr mindestens ein Mitarbeiter vor Ort, der den Bewohnern nicht nur im Notfall zur Seite steht, sondern auch Medikamente bringt, Verbände wechselt oder einfach nach dem Rechten sieht.

Damit die Bewohner auch bei nachlassender Mobilität in ihren Wohnungen bleiben können, wurden diese nahezu oder vollständig nach den Vorgaben der DIN 18040-2 altengerecht eingerichtet. Jegliche Stufen und Schwellen zwischen den Hauseingängen und den Aufzügen wurden beseitigt. Die Aufzüge selbst sind mit Kabineninnenmaßen von 1,10 m x 1,40 m behindertengerecht gestaltet. Die lichten Türöffnungen betragen 80 cm, in den rollstuhlgerechten Wohneinheiten 90 cm.

Bewegungsflächen und Abstände sind generell größer als 1,20 m, in den rollstuhlgerechten Wohnungen 1,50 m. Dort sind Arbeitsflächen, Spül- und Waschbecken so gestaltet, dass sie mit Rollstühlen unterfahren werden können. In allen Wohnungen wurden Du­­schen schwellenlos ausgeführt. Gleiches gilt für die Zugänge zum Innenhof, zu den Balkonen und Loggien, um die Nutzung von Rollatoren und Rollstühlen zu ermöglichen – aber auch um Stolperfallen zu vermeiden.

Wohin mit den Aufzügen?

Viele Gedanken machte sich Bauingenieur Bernd Zangemeister um die Aufzüge. Gemeinsam mit KONE-Vertrieblerin Katrin Jahn übernahm er die Fachplanung für die Anlagen. „Das war eine Herausforderung, weil wir die Schächte in den Häusern Wurzner Straße 36 und 38 weder in den Treppenhäusern noch an den Außenfassaden platzieren konnten“, so Zangemeister. Drinnen fehlte schlicht der Platz, draußen wäre es auf Haltestellen auf halber Höhe hinausgelaufen – für Seniorenwohnungen undenkbar.

So wurde jeweils neben das Treppenhaus ein neuer Schacht von oben nach unten durch die Etagen getrieben und über Podeste an die Bausubstanz angeschlossen. Anders sah es an der Roßbachstraße aus, wo ein gemauerter Schacht außen angesetzt wurde.

Die Farbe macht’s!

Damit sich die Nutzer in den Häusern, die über den Innenhof miteinander verbunden sind, besser zurecht finden, wurden die hochwertig ausgeführten Aufzugkabinen farblich abweichend gestaltet. Grau lackierter Stahl an den Seitenflächen kontrastiert zur Rückwand, die an der Wurzner Straße 36 in Blau, an der Wurzner Straße 38 in Rot ausgeführt wurde. Orientierende Funktion haben auch die Kabinentableaus, die jeder Etage eine gesonderte Farbe zuweisen, die vom jeweiligen Außentaster wiederholt wird (EG = Rot, 1. OG = Orange usw.).

Da der Aufzug Roßbachstraße 2 die Wohnungen direkt anfährt, kam hier ein einfaches Tableau zum Einsatz. Durch die farbige Seitenwand ist die Anlage jedoch gut von den Anlagen in den Nachbarhäusern zu unterscheiden: Sie leuchtet in kräftigem Gelb.

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