Nachverdichtung

Passivhaus im gründerzeitlichen Quartier

Das Wohn- und Bürogebäude im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel ist ein Passivhaus, dem man seine Technologie nicht ansieht: Es gleicht den meisten Häusern dieser Straße aus der Zeit um 1900, obwohl es 2014 fertig gestellt wurde.

Das viergeschossige Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss schloss eine Baulücke in einer Wohnstraße mit gründerzeitlicher Architektur. „Dem Pilotprojekt gelingt der Nachweis, dass ein Passivhaus-Neubau sich ohne Stilbruch in ein gründerzeitliches Quartier einfügen lässt“, sagt der Bauherr, Dr. Georg Winter.

Die realisierte Architektur sei als Zeichen zu sehen, den Bewohnern ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln, das durch eine überschaubare Größe und vertrauenerweckende Elemente der Stabilität erreicht worden sei sowie durch die Wahrnehmbarkeit als schützende Hülle und das sichtbare Bekenntnis zum baulichen Schmuck. Die Fassade ist daher mit Gurt, Bossen und Traufgesimsen gestaltet. Alle acht Wohnungen verfügen über einen Balkon bzw. im Erdgeschoss über eine Terrasse sowie einen Keller. Zusätzlich bietet das Gebäude eine Tiefgarage mit 17 Stellplätzen, vorbereitet für die Integration von Elektromobilität, sowie einen Fahrradkeller.

Die Raumhöhe beträgt 3 m und die Holzfenster orientieren sich als eingefasste Zweiflügelfenster mit Oberlicht und Stilelementen, Sprossen und Profilierungen an den Bauten der Umgebung. Sie bestehen aus heimischen Accoya und erreichen mit Dreischeibenverglasungen einen UW-Wert ≤ 0,9 W/m²K. Auf der Südseite kann ein Sonnenschutz-System frei reguliert werden und verhindert sommerliche Überwärmung, deren Wirkung zusammen mit einer Nachtlüftung und den 20 cm starken Stahlbetondecken als Speichermasse noch verstärkt werden kann. Die Kalksandstein-Konstruktion ist mit einer 28 cm starken Mineral- und EPS-Dämmung versehen, die mit einem mineralischen Putz sowie einem mineralischen Anstrich abschließt. Das Untergeschoss besteht aus Stahlbeton. Für den hölzernen Dachstuhl wurde eine 40 cm starke Dämmung eingebaut, außen schützt eine hinterlüftete, vorpatinierte Zinkblech-Stehfalzdeckung.

Die großen nach SSW ausgerichteten Fenster ermöglichen solare Einträge, die eine Heizlast von (≤ 10 W/m²) und einen Heizwärmebedarf von (≤ 15 kWh/m²a) ergeben, mithin den Passivhausstandard. Zusätzlich werden die Kriterien des KfW-Effizienzhauses 55 eingehalten.

Ökologische Baumaterialien

Auch der Innenausbau richtet sich nach den ökologischen Vorgaben: Holz und Naturstein wurden bevorzugt verwendet, alle Wohnungen verfügen über Eichendielenparkett sowie Feinsteinzeugfliesen, die Balkone über Robinien-Beläge. Die Wände der Wohnungen und des Treppenhauses sind mit Silikatfarben gestrichen und die Küchen sind nachhaltig und energieeffizient ausgestattet. Eine baubiologische Beratung und entsprechend orientierte Handwerker sicherten eine einwandfreie Ausführung und heimische Materialien.

Zur Nachhaltigkeit gehört die Möglichkeit einer veränderten Nutzung, dafür sind die Zimmertrennwände ohne statische Funktion.

Alle Wohnungen (mit Ausnahme der Dachgeschosswohnung) werden über einen gläsernen Aufzug erreicht, der Zugang zu den Wohnungen ist barrierefrei.

Technik

Die für den Passivhaus-Standard typisch luftdichte Gebäudehülle wird durch eine kontrollierte Lüftung mit bis zu 93 % Wärmerückgewinnung ergänzt, die wohnungsweise ausgelegt ist. Integrierte Luftfilter vermeiden eine Pollenbelastung für die Bewohner.

Der geringe Heizwärmebedarf wird mittels Gas-Brennwerttechnik mit solarthermischer Unterstützung gedeckt. Durch eine Solarthermieanlage mit Flachkollektor-Modulen vom 8,4 m² und einem 1.000 l-Warmwasser-Speicher können ca. 20 % des Warmwasserbedarfs gedeckt werden.

Die Wärme wird über eine raumweise regelbare Fußbodenheizung mit niedriger Vorlauftemperatur übertragen.

In der Planungsphase wurde auch an ein Mini-BHKW und eine Pellets-Heizung gedacht, für ersteres reichte der Platz nicht und der Einsatz von Pellets ließ sich aus  Gründen der Lagerung und Anlieferung nicht realisieren. Einer späteren innovativen Heizungslösung steht laut Bauherrn nichts entgegen. So könne er sich zukünftig auf dem 120 m² großen Flachdachteil eine Photovoltaikanlage vorstellen, die einen Großteil der im Haus benötigten elektrischen Energie erzeugt. Dies sei im Architekten-Vorentwurf bereits berücksichtigt.

Umfangreiche Schallschutz-Maßnahmen

Schallschutz ist für den Bauherrn ein wichtiges Thema. Da der Passivhausstandard den Außenlärm gut zurückhält, konnte sich ein auf Schallschutz spezialisiertes Ingenieurbüro auf die Schallübertragungen im Gebäudeinneren konzentrieren. Trennfugen zwischen den Wohnungen, die 30 cm starken  Kalksandstein-Konstruktion der Treppen­hauswände und die Anordnung der Bäder an das Treppenhaus sorgen für Schallschutz. Ebenso die 20 cm starken Betondecken mit schwimmendem Estrich.

Um eine Lärmbelästigung durch die Lüftungsgeräte zu vermeiden, wurden nach Vorgabe des Bauherren die Technikräume mit Schallschutz-Türen (Schallschutzklasse III) versehen, wie auch die Wohnungseingangstüren, die zusätzlich die Sicherheitsklasse WK II aufweisen.

Der geringe Heizwärmebedarf wird mittels Gas-Brennwerttechnik mit solarthermischer Unterstützung gedeckt.

Bautafel

Bauherr: Dr. Georg Winter / HAUS DER ZUKUNFT, Hamburg

Architekt: Architekturbüro Siemonsen,
Hamburg

Nutzfläche: 1.439 m²

Wohnfläche: 1.155 m²

(8 WEH, 2 Gewerbeeinheiten)

Energetischer Standard: Passivhaus-
standard, KfW-Effizienzhaus 55

Fassade: KS-Konstruktion mit 28 cm Dämmung, U-Wert 0,11 W/(m2K)

UG: Stahl-Beton mit U-Wert 0,20 W/(m2K)

Dach: Holz-Dachstuhl mit 40 cm Dämmung, U-Wert 0,20 W/(m2K)

Fenster: Vollholz-Fenster mit Dreifach-Verglasung, UW-Wert 0,9 W/(m2K)

Lüftung: Kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung (ca. 93 %)

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