Nachgefragt

Lästige Abholzettel werden überflüssig

Die BIEK-Studie 2017 prognostiziert für 2021 ein Zustellvolumen von bis zu 4,1 Mrd. Paketen, 2017 waren es bereits rund 3 Mrd. Für diese Paketflut bedarf es neuer, nachhaltiger Lösungen. ParcelLock-Geschäftsführer Gunnar Anger spricht über das Konzept von Paketkastenanlagen für Mehrfamilienhäuser.

Wie verändert der immer stärker werdende E-Commerce-Handel die Paket-Logistik?

Gunnar Anger: In den vergangenen Jahren hat sich das Wachstum des Paketversands analog zur Änderung des Konsumverhaltens beziehungsweise der gestiegenen Anzahl von Online-Käufen entwickelt. 2016 wurde die Schallmauer von drei Milliarden Sendungen in Deutschland durchbrochen, in 10 Jahren rechnet man mit einem Zustellvolumen von rund 6 Milliarden Paketen. Darin enthalten sind kostenlose Retouren, welche das ohnehin erhebliche Paketvolumen noch einmal auf die genannten Zahlen erhöhen.

Durch die aktuellen Themen wie ein Mangel an Zustellern, die Umstellung auf E-Mobilität sowie den Tendenzen der Städte, Lieferfahrzeuge aufgrund der Staus und Umweltproblematik aus den Städten zu „verbannen“, sind neue und innovative Zustellvorgänge notwendig. Eine Lösung hierfür sind beispielsweise Paketkastenanlagen für Mehrfamilienhäuser.

Welche Konsequenzen hat die Entwicklung des E-Commerce und des Paketvolumens speziell für Wohnumfelder?

Gunnar Anger: Verschärft wird die aktuelle Situation noch durch die Abwesenheit der Paketempfänger: Laut der ECC-Studie „Klick auf den ersten Blick“ aus 2017 bevorzugen 80 Prozent die Lieferung nach Hause. Bei der immer weiter verbreiteten Same-Day-Delivery sind es sogar 92 Prozent, die eine Lieferung nach Hause wünschen.

So ist zwar die Zustellung an die Haustür am beliebtesten, jedoch erreichen nur 61 Prozent der Pakete ihre Empfänger an der Haustür. Das liegt an der hohen und weiter steigenden Mobilität der Paketempfänger, die trotz Abwesenheit nicht auf den komfortablen Empfang an der Haustür verzichten möchten.

Diesen Entwicklungen und Ansprüchen der Paketempfänger müssen Wohnumfelder begegnen und nachhaltig lösen. Zwar ist die Mietsituation aus Vermietersicht aktuell sehr gut, aber aus Gründen der Logistik und der Erhöhung der Qualität des Wohnumfelds können sich Vermieter und Immobiliengesellschaften von Wettbewerbern absetzen.

Das Massengeschäft der Paketzustellung mit neuen Technologien abzuwickeln, ist und wird in Zukunft die Herausforderung der Branche sein. Welche mobilen Hard- und Software-Lösungen kommen hierfür in Frage?

Gunnar Anger: Drohnen, Paketroboter, Zustellung in Kofferräumen, Lastenfahrräder – all das sind spannende Möglichkeiten, deren Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit bisher noch erprobt wird. Als besonders nachhaltig gelten anbieteroffene Paketkästen am Wohnort sowie das Mikro-Depot Konzept. Während bei Mikro-Depots immer noch das Problem der persönlichen Annahme bestehen bleibt, ermöglichen Paketkästen eine signifikante Steigerung von erfolgreichen Erstzustellungen.

Mit Paketkastenanlagen für Mehrfamilienhäusern lässt sich das Konzept der Paketkästen als Bindeglied zwischen Zusteller und Empfänger skalierbar realisieren. So stehen schon dutzende dieser Anlagen in deutschen Mehrfamilienhäusern mit teilweise bis zu 100 Paketfächern. Diese können indoor (z. B. im Treppenhaus) oder stehen idealerweise outdoor vor der Immobilie und sind frei zugänglich.

Vor welche Herausforderungen stellt der wachsende E-Commerce-Handel Hausverwaltungen und Projektierer?

Gunnar Anger: Mit zunehmendem E-Commerce wird der Kunde auch mit immer mehr Lieferanten konfrontiert. Doch oft können Paketempfänger aufgrund von Abwesenheit, beispielsweise durch ihre Arbeitszeiten, die Sendungen nicht annehmen. Auch alternative Zustellmöglichkeiten wie Paketshops kommen nicht für jeden Empfänger oder Lieferanten infrage. Hier gilt es die Wohnsituation an die sich wandelnden Ansprüche anzupassen und der Lieferantenvielfalt mit einer offenen Lösung zu begegnen.

Convenience ist von Bedeutung, die besonders private Nutzer in diesem Zusammenhang interessiert. Unnötige Wege nach Feierabend vermeiden, die Unabhängigkeit von Zustell- und Öffnungszeiten und die erfolgreiche Zustellung der Sendung, auch wenn niemand die Lieferung persönlich in Empfang nehmen kann, sind für Verbraucher essenziell. Genau bei dieser Problematik setzt das Konzept von offenen Paketkastenanlagen für Mehrfamilienhäuser an: Sie ermöglichen dem Empfänger eine Annahme bei Abwesenheit und das unabhängig vom Lieferanten sowie 24/7.

Laut einer YouGov-Studie aus 2017 können sich schon heute rund 28 Prozent der Befragten eine Zustelllösung vorstellen, die sie unabhängig vom Anbieter nutzen können. Hierzu zählen vor allem Paketkästen, Paketkastenanlagen oder Paketstationen mit anbieteroffenen Systemen wie der ParcelLock-Technologie.

Solch eine offene Lösung ermöglicht es an einem Ort von verschiedenen Zustellern – wie z. B. Hermes, GLS oder DPD - und Händlern Pakete zu empfangen und so den Alltag effizienter zu gestalten. Da die Kunden nicht nur Paketdienste freischalten, sondern auch Bestellungen von lokalen Lieferdiensten, Apotheken oder vom Supermarkt problemlos nach Hause liefern lassen können, sind die Nutzungsmöglichkeiten für die Kunden unbegrenzt.  

Wie lassen sich anbieteroffene Paketkastenanlagen in bestehende Systeme in Mehrfamilienhäusern integrieren?

Gunnar Anger: Es gibt die Auswahl zwischen Indoor- und Outdoor-Varianten mit einem kleinen Schutzdach. Durch den modularen Aufbau sind diese Anlagen in verschiedenen Größen verfügbar, so dass der vorhandene Platz bestmöglich genutzt wird.

Es müssen lediglich eine Internetverbindung und ein freier Zugang für die Liefer-Partner vorhanden sein. Unser Hersteller-Partner kümmert sich um Aufbau und Schulung des Administrators vor Ort. Aber auch ParcelLock bietet entsprechende Informationsveranstaltungen für Eigentümer, Mieter und Verwalter an.

Die Kosten für die Anschaffung und den Betrieb können auf Mieter umgelegt werden. Die Paketkastenanlage wertet Immobilien auf und entwickelt sie in Richtung Smart Home weiter.

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