Klimaschutz in Zeiten von Corona

„Moment mal!“: Die Bundes­arbeits­­gemeinschaft Immo­bilien­wirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.

Vor einem Jahr habe ich die erste Kolumne als BID-Vorsitzender für das BundesBauBlatt verfasst. Damals hätte sich noch niemand vorstellen können, wie rasant die Welt sich im Jahr 2020 innerhalb weniger Monate wandeln würde. Im Moment scheint sich alles nur um dieses eine Thema zu drehen: Corona. 

Doch die Welt steht nicht still. Gerade der Klimaschutz ist und bleibt eine der zentralen Aufgaben unserer Zeit, denn der Klimawandel macht auch in Zeiten von Corona keine Pause. 

Ende Januar – kurz vor der ersten Infektion in Deutschland – wurde der Entwurf des Gesetzes zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (GEG) vorgelegt. Dessen Umsetzung könnte sich nun aufgrund der Krise verzögern. Zur selben Zeit läuft die Debatte um eine Verschärfung der EU-Klimaziele jedoch weiter. Dabei wird bisher außer Acht gelassen, dass die Corona-Pandemie bereits jetzt notwendige energetische Modernisierungen ausbremst. Die politisch formulierten Klimaziele sind voraussichtlich weder durch Mieter, noch durch Vermieter, noch volkswirtschaftlich finanzierbar.

Um das Klimaziel von minus 95 Prozent CO2 bis 2050 gegenüber 1990 im Gebäudebereich zu erreichen, entstehen in den vermieteten Wohnungen nicht wirtschaftliche Mehrkosten von etwa 10 Mrd. Euro pro Jahr. Quartierslösungen mit erneuerbarer Wärmeversorgung können diese Problematik zum Teil aufbrechen. Jedoch bestehen derzeit erhebliche Bremsen für den notwendigen Ausbau gebäudenaher erneuerbarer Energien, sowohl für Wohnungsunternehmen als auch für Stadtwerke und Dienstleister.

Mit der Corona-Krise kommen für die Wohnungsunternehmen nun weitere Herausforderungen hinzu. Obwohl Mietausfälle und Stundungen derzeit noch relativ gering ausfallen, sind deutliche Steigerungen zu befürchten. Dadurch kann die Investitionsfähigkeit der Wohnungsunternehmen drastisch sinken – auch in Klimaschutz-Maßnahmen. Geringere Investitionen bedeuten dabei auch weniger Aufträge für Handwerker und Bauunternehmen, was eine wirtschaftliche Kettenreaktion in Deutschland auslösen würde.

Instandhaltungsmaßnahmen und energetische Modernisierungsprojekte müssen jetzt schon aufgrund des Coronavirus teilweise verschoben werden. Dies wird zu einem Modernisierungsstau führen und die Erreichung des 2030-Klimaziels weiter erschweren.

Mit dem Konflikt zwischen leistbaren Mieten und Klimaschutzzielen dürfen die Wohnungsunternehmen nicht allein gelassen werden. Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Energiewende darf weder auf dem Rücken der Mieter noch der Wohnungsunternehmen abgeladen werden. Bei der Erreichung der Klimaziele müssen alle gemeinsam und jeder unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit mitwirken. Nur dann kann eine Chance bestehen, die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Diese ambitionierten Ziele jedoch in einer Zeit noch weiter zu verschärfen, in der alle volkswirtschaftlichen Kräfte auf die Bewältigung der Corona-Krise gerichtet sind, könnte für die Wohnungswirtschaft zu einer nicht zu bewältigenden Aufgabe werden.

Es muss jetzt zunächst vor allem darum gehen, die Investitionsfähigkeit der Wohnungsunternehmen in die Zukunft des Wohnens zu sichern. Dazu müssen in erster Linie die Bedingungen für den Bezug von Wohngeld weiter verbessert werden – und dafür brauchen wir einen echten Digitalisierungsschub in den Ämtern sowie in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft selbst.

Lassen Sie uns hierfür gemeinsam an der digitalen Transformation arbeiten. Nur so können Baugenehmigungsverfahren, Unterstützungsleistungen wie Wohngeld und am Ende auch Wohnungsbau und Klimaschutzmaßnahmen beschleunigt – und dadurch für alle machbarer und bezahlbarer werden. Mit Blick auf die Kosten müssen die Prinzipien von gerechter Verteilung und Solidarität an vorderster Stelle stehen. Das Motto lautet deshalb: #GemeinsamDurchDieKrise

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 09/2021

Ein klares Ja zum praxistauglichen Klimaschutz

Die Flutkatastrophe zeigt uns auf schmerzlich Weise auf, dass Extremwetter, auch bedingt durch den Klimawandel, immer häufiger werden. Wir wollen also alles daransetzen, die Klimaziele von Paris zu...

mehr
Ausgabe 03/2024

Gute Ideen – unter dem Strich reicht es aber nicht

Die Wohnungswirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Aktuelle Zahlen des ifo-Instituts zu sinkendem Geschäftsklima und sinkenden Erwartungen beim Wohnungsbau zeigen: die Stimmung ist auf dem...

mehr
Ausgabe 4-5/2020

Gemeinsinn in Zeiten von Corona

Der Kampf gegen die Ausbreitung und die gesundheitlichen Folgen des Coronavirus bedeutet eine ernsthafte und noch nie dagewesene Herausforderung. Dies gilt sowohl für unser Gesundheitssystem als auch...

mehr
Ausgabe 7-8/2019

Kolumne: Deutschland braucht die Wohnwende

Es hakt in der Wohnungspolitik. Der Neubaumotor stottert, bevor er überhaupt richtig angelaufen ist. Die Baugenehmigungszahlen sinken seit Jahresanfang. Und die Zahl der neu gebauten Wohnungen lag...

mehr
Ausgabe 05/2022

Deutschland zwischen Anspruch und Wirklichkeit

„Wer Führung bestellt, bekommt sie auch“ sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach der gewonnenen Bundestagswahl im vergangenen Jahr. Die Ziele der Ampel-Koalition waren ambitioniert: 400.000...

mehr