Gebauter Klimaschutz
für alle

Die 1. Klimaschutzsiedlung Nordrhein-Westfalen in Gelsenkirchen beweist, dass sich ein hoher Energieeffizienzstandard mit architektonischen Qualitäten und mehr als erschwinglichen Mietpreisen verbinden lässt. Auch im sozialen Wohnungsbau.

Licht durchflutet ist die 3-Zimmer-Neubauwohnung, mit ihren 82 m2 äußerst geräumig, gut geschnitten obendrein – und sie kostet den Mieter gerade einmal 574 € monatlich. Warm, wohlgemerkt, mit allen Nebenkosten. Auch die Adresse, direkt angrenzend an den neuen Wissenschaftspark in Gelsenkirchen-Ückendorf, ist zentral und doch im Grünen gelegen. Und von diesen Wohnungen gibt es noch mehr: Insgesamt 56 Einheiten mit ­Gartenanteil oder großen Balkonen, zwischen 45 und 82 m2 groß, bietet der Wohnpark Rheinelbestraße in vier viergeschossigen Mehrfamilienhäusern.

Dass der Nebenkosten- und vor allem der Heizkostenanteil am Mietzins so niedrig ist – rund 12,50 € monatlich bei der größten Wohnung – hat einen Grund: Diese im sozialen ­Wohnungsbau entstandene Anlage ist die erste Klimaschutzsiedlung Nordrhein-Westfalens, konsequent im Passivhausstandard errichtet. Die Stadt Gelsenkirchen hat dabei auf den Entwurf von Mohr Architekten aus Münster gesetzt: Deren Planung verstand es, höchste Energieeffizienzstandards mit architektonischen sowie städtebaulichen und sozialen Qualitäten zu verbinden.

„Hier konnten wir zeigen, dass Klimaschutz auch für Menschen mit geringerem Einkommen möglich ist“, fasst Architekt Helmut Mohr zusammen. Neben einer intelligenten Ausrichtung der Gebäude sowie moderner Energie- und Haustechnik spielten höchste Dämmstandards und eine genau konzipierte Farbgestaltung der Siedlung dabei eine ­wichtige Rolle.

Energiekonzept mit Vorbildcharakter

„100 Klimaschutzsiedlungen in NRW“ heißt das Programm, das die Landesregierung des größten deutschen Bundeslandes aufgelegt hat: Gefördert werden damit Neubauprojekte, die einen 3-Liter- oder Passivhausstandard mit weiteren Maßnahmen zur CO2-Reduzierung kombinieren. Dadurch sollen die Emissionen 50 bis 60 % niedriger liegen, als es die aktuelle Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) fordert. Das erste Projekt, das mit diesen Mitteln gefördert wurde, ist der Wohnpark Rheinelbestraße in Gelsenkirchen. Architekt Helmut Mohr ist besonders stolz darauf, „dass in dieser ersten Klimaschutzsiedlung NRWs die im Programm geforderten CO2-Grenzwerte noch einmal unterschritten werden konnten – um satte 36 %.“ Diese überzeugende Energiebilanz fußt auf ineinander greifenden Faktoren. Die vier Gebäude sind bewusst versetzt angeordnet um, – neben der besseren Wohn- und Ensemble-Qualität – eine optimale Lichteinstrahlung zu erreichen. Ihren Primärenergiebedarf deckt die Siedlung mit Erdgas und selbst erzeugter Solarenergie. Wärmetauscher und Wärmerückgewinnung steigern die Energieausbeute wirksam. Zusätzlich wurden Photovoltaikanlagen auf den Flachdächern installiert. Wohnraumlüftungsanlagen mit einem Wirkungsgrad von über 80 % und eine effiziente Wärmedämmung vervollständigen das Energiekonzept. Die gesamte Gebäudehülle der vier Mehrfamilienhäuser erhielt dafür eine Außendämmung mit dem Brillux Premium-System Qju. Dieses Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) empfahl sich, weil mit Qju hohe Dämmwerte machbar sind und das System – ausgestattet mit Passivhaus-Details gemäß Zertifizierung durch das Passivhaus-Institut in Darmstadt – die Planung von Passivhäusern erleichtert. Als ideal fürs Budget stellte sich zudem die Wirtschaftlichkeit heraus, mit dem dieses WDVS montiert werden kann: Die Dämmplatten werden hier mit fertig verfügbarem Schaumkleber fixiert und in einem Arbeitsgang justiert. Das sorgte für Zeit- und damit Lohnkostenvorteile auf der Baustelle.

Farbige Einbindung ins Umfeld

Ebenso sorgfältig wie bei der Umsetzung der Klimaschutzziele im Inneren des Wohnparks gingen die Planer bei seiner Außenwirkung vor. Die Siedlung liegt auf einem Teilgrundstück des ehemaligen Gussstahlwerks Rheinelbe, auf dem auch der mehrfach preisgekrönte Wissenschaftspark des Landes NRW entstanden ist. Die anderen direkten Nachbarn des Wohnparks sind Wohn- und Geschäftsgebäude, vornehmlich in Putz ausgeführt, sowie öffentliche Bauten, die seit 1900 entstanden waren. Die Farbdesigner des Brillux Farbstudios Münster, die von den Planern einbezogen worden waren, entwickelten in enger Abstimmung mit den Architekten das Farbkonzept für die Fassaden, das Umgebungszitate aufnimmt. „Passend zur Nuance eines nördlich angrenzenden, denkmalgeschützten Gebäudes haben wir die vier Mehrfamilienhäuser in Putz und im identischen sandfarbenen Grundton gestaltet“, erklärt Farbdesignerin Doris Weegen aus dem Brillux Farbstudio Münster. „Farbflächen in sattem Rot im Bereich der Aufzugtürme gliedern die Fassaden.“

Beide Leitfarben, Sand und Rot, finden sich auch in den Treppenhäusern wieder. Charakter und Frische gewinnen die Fassaden durch Farbakzente. Acht verschiedene Nuancen, von strahlendem Gelb bis zu gedecktem Kupfergrün, zieren die geschlossenen Fensterelemente (sogenannte Trespa-Platten), die den bodentiefen Lichtöffnungen beigeordnet sind. Architektur und Farbkonzept spielen bei dieser Gestaltung zeitgemäß und harmonisch zusammen und sind beide auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Auch die Wahl der Brillux Beschichtungsqualitäten hatte zum Ziel, möglichst langlebige Oberflächen zu gestalten und damit Renovierungsintervalle zu verlängern. Entsprechend fiel die Wahl auf Acryl Fassadenfarbe 100: Die Beschichtung enthält fotokatalytisch wirksame Bestandteile, die feinste organische Partikel an der Oberfläche zersetzen. Das sorgt für eine geringe Verschmutzungsneigung und macht dieses Fassaden-Finish hervorragend für ein städtisches Umfeld mit seinen erhöhten Schmutzpartikeln in der Luft geeignet. Mit Rausan KR-K3 kam ein Kratzputz zum Einsatz, der optisch und durch seine hohe Belastbarkeit überzeugt.

Kosten blieben im Rahmen

Seit Juli 2011 ist der Wohnpark Rheinelbestraße fertig gestellt – zu Gesamtbaukosten von 7,1 Mio. € inklusive Grundstück, Erschließung und Außenanlagen. Die reinen Baukosten summieren sich dabei auf rund 5,6 Mio. €, die sich angesichts des erreichten Standards sehen lassen können: Jeder der 3 860 m2 Nettowohnfläche konnte zu einem Preis von rund 1 450 € realisiert werden und liegt damit unter den 1 728 € pro m2 für ein Passivhaus, die nach DIN 276 veranschlagt werden.

Die Bewohner schätzen die Lebens- und Wohnqualität ihrer neuen vier Wände. Und die Verantwortlichen des Modellprojekts? Sie wünschen sich, dass ihr gelungenes Beispiel Schule macht – bei Bauvorhaben, die optimale Energieeffizienz mit einem Gewinn für Nutzer und Städte verbinden wollen. „Mit dieser Siedlung wollten wir aufzeigen, dass anspruchsvolle Architektur, energiesparendes Bauen und sozialer Wohnungsbau keine Gegensätze sind“, resümiert Architekt Helmut Mohr.

Diese im sozialen Wohnungsbau entstandene Anlage ist die erste ­Klimaschutzsiedlung Nordrhein-Westfalens, konsequent im

Passiv­hausstandard errichtet.

Die Planer verstanden es, höchste Energieeffizienzstandards ­mit ­architektonischen sowie städtebaulichen und sozialen Qualitäten ­zu ­verbinden.

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