Sanierung

Energieeffiziente Verbindungen

Knapp 70 Jahre alt ist die Wohnanlage in Hamburg-Bramfeld. Die Eigentümer haben sie kontinuierlich modernisiert – mit Blick auf bezahlbare Miete und zukunftsträchtige Energieversorgung. Clevere Kombinationen sparen Energie und damit bares Geld.

Zugegeben: sie ist in die Jahre gekommen, die Wohnanlage Bramfeld im Hamburger Norden. Geplant wurde sie von Paul A.R. Frank, einem der Pioniere des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland. Wohnungen mit Licht, Luft und Grün, die zudem für jene bezahlbar bleiben, deren Verdienste bescheiden sind – nach diesem Grundsatz entwarf Frank auch die Bramfelder Siedlungsanlage. Ab 1950 – nach dem Krieg und dem enormen Bedarf an neuen Wohnungen – wurde sie gebaut. Heute besteht die Wohnanlage aus 194 Wohneinheiten, davon 150 Reihenhäuser, mit einer Gesamtwohnfläche von 12.554 m2. Damit der Bestand erhalten bleibt und die Wohnqualität gesichert wird, renovieren die Besitzer seit 1996 kontinuierlich und immer nach demselben Prinzip: Bei Mieterwechseln werden die Wohneinheiten grundsaniert – die Maßnahmen umfassen Heizung, Sanitär, Fenster und Elektrik. Seit 2005 sind darin energetische Sanierungsmaßnahmen mit eingeschlossen. Vor allem die bezahlbare Heizlösung rückte in den Fokus von Paul-Günter Frank, Miteigentümer und Enkel von Paul A.R. Frank. Der diplomierte Architekt mit Schwerpunkten in Bauphysik und Bauwirtschaft hatte sich schon früh mit Fragen der Energieeffizienz beim Bauen und Sanieren auseinandergesetzt – immer unter der Maßgabe, ökologische Ansprüche mit ökonomischen Aspekten zu vereinen. Er selbst bezeichnet sich als „Ideenfinder“, wenn es um Möglichkeiten und Techniken geht, die zu optimalen Lösungen führen. 

Sein energetisches Sanierungskonzept der Bramfelder Wohnanlage beruht auf der grundlegenden Einsicht, dass separate Einzelheizungen – zu Beginn der Sanierungen immerhin 163 an der Zahl – heute weder sinnvoll, noch wirtschaftlich sind. Die Quartiersbebauung brachte Paul-Günter Frank auf andere Ideen. Die erste war, dass die Grundlast der Wärmeerzeugung im Verbund gedeckt sein sollte. Anstelle der Einzelheizungen wurden die Wohneinheiten in vier Heizkreisen zusammengeschlossen und über dieses Nahwärmenetz zentral beheizt. In den Heizkreisen arbeiten 14 kleine Gas-Blockheizkraftwerke mit jeweils 14,7 kW Wärmeleistung und 5,5 kWh Stromerzeugung. Ergänzt werden sie durch Gas-Brennwertthermen mit jeweils 180 kWh für Spitzenlasten. Weil durch den per BHKW erzeugten Strom etwa so viel CO2 eingespart wird wie beim Heizen entsteht, arbeitet die Anlage nahezu CO2-neutral. In 2010 konnten allein über diese Heiztechnik 159,72 t CO2 vermieden werden – eine Reduktion von ca. 60% gegenüber konventionellen Lösungen.

Learning by doing

Doch damit nicht genug: Dem enthusiastischen Tüftler war aufgefallen, dass die Blockheizkraftwerke allein durch ihren Betrieb – aufgrund der Motorleistung – Wärme „unkontrolliert“ abgeben. Die muss sich doch nutzen lassen! Und damit kam die Wärmepumpe ins Spiel. 2009 wurde ein Anlagenteil (Heizkreis II) mit 28 Reihenhäusern saniert. Hier wird die Wärmeleistung erbracht durch zwei Blockheizkraftwerke mit knapp 30 kWh und ebenfalls durch eine zusätzliche Brennwerttherme mit 180 kWh. Die Restwärme der beiden BHKWs nutzt die Wärmepumpe WPL 33 HT von Stiebel Eltron mit 15 kWh Leistung. Dazu wird Luft aus dem Außenbereich angesaugt, durch den Heizraum mit den BHKWs geführt und dabei aufgewärmt. Trotz Hochtemperatur von 50 bis 60 °C wird allein aus der warmen Heizraumluft Energie gewonnen, die ansonsten ungenutzt verloren wäre. Die Wärmepumpe wird ausschließlich mit in der Wohnanlage selbst erzeugtem Strom betrieben, bei jedem Start der BHKWs läuft sie automatisch mit. Durch den selbst erzeugten Strom – mit nur einem Drittel CO2-Anteil gegenüber dem Strom aus der Steckdose – ist die Kombination im Hochtemperaturbereich sowohl ökologisch, als auch wirtschaftlich. Anfängliche Bedenken, dass bei kalten Wintern durch die angesaugte Außenluft ein Einfrieren der Leitungen im Heizraum erfolgen könnte, haben sich zerstreut: unter +4 °C ist die Temperatur dort selbst in eiskalten Nächten nie gefallen.

Insgesamt 2.000 l Warmwasser gelangen über zwei Pufferspeicher in die Heizkreise der 28 Reihenhäuser. Die BHKWs decken dabei 59% der Wärmelast ab, die Wärmepumpe 20,1% (zusammen also 79,1%), hinzu kommen 20,9% über Gas-Brennwerttherme. Nachdem der Betrieb ein Jahr lang akribisch gemessen und dokumentiert wurde, konnte Paul-Günter Frank belegen, dass die Zahlen in diesem Anlagenteil noch besser ausfielen: Durch die Einbindung von ökologisch erzeugtem Strom konnte gegenüber herkömmlichen Heizlösungen eine Reduzierung von 71,9% CO2 erzielt werden.

„Um optimale Lösungen zu erreichen, muss man bereit sein zu experimentieren. Wir glauben an das Prinzip learning by doing.“ Die Ergebnisse aus dem Heizkreislauf II gaben Paul-Günter Frank recht – und doch keine Ruhe. Denn inzwischen hatte sich ein neuer Aspekt ergeben, der für die Energiewirtschaft im Allgemeinen und für die angestrebte Energiewende im Besonderen von großer Bedeutung ist. Langfristig sollen Wind und Sonne einen Großteil der benötigten Elek-trizität bereitstellen. Doch die Bereitstellung dieser regenerativen Energien birgt ein Problem, denn die umweltfreundliche Stromerzeugung unterliegt starken Schwankungen aufgrund von Witterung und Tageszeit. Bei Flaute oder dichter Wolkendecke etwa wird zu wenig Energie produziert. Bei kontinuierlichem Wind und langen Sonnentagen wird sogar mehr Energie produziert, als die Netze aufnehmen können. Das gilt auch für die sogenannten Stromtäler bei Nacht, in denen Windkraft Ökostrom erzeugt, den niemand verbraucht.

Energie zwischenspeichern

Eine Lösung dieser Problematik liegt in der Speicherung von Energie. Was zu neuen Schwierigkeiten führt: Die Speicherung in Form von Batteriestrom, der nach Bedarf verbraucht wird, ist für größere Objekte wie Wohnanlagen technisch noch unausgereift und vor allem nicht marktreif. Ein Grund mehr für Paul-Günter Frank, sich hierzu intensiv Gedanken zu machen. Seine Lösung: regenerativen, möglichst selbst erzeugten Strom als Energie in Form von Warmwasser zwischen zu speichern. Da kam ihm gerade recht, dass der Energieversorger Vattenfall Europe in Berlin ein „virtuelles Kraftwerk“ errichtet.

Der Begriff „virtuelles Kraftwerk“ umschreibt den Zusammenschluss vieler kleiner dezen-traler Anlagen, um die Erzeugung von Strom und Wärme aus großen konventionellen Kraftwerken zu ersetzen oder sie zumindest wesentlich zu ergänzen. Sie sind über moderne Kommunikations- und Informationstechnik so miteinander verknüpft, dass sie wie eine größere Einheit agieren. Letztlich kommt es durch die intelligente Verschaltung der dezentralen Anlagen mithilfe einer zentralen Steuerung zu einem sinnvollen Zusammenschluss von Stromverbrauchern und -erzeugern. Und der ist durchaus bi-direktional, denn der Strom fließt in beide Richtungen – zum Nutzen von Erzeugern und Verbrauchern.

Eingebunden in ein virtuelles Kraftwerk

Ein Anlagenteil der Bramfelder Wohnanlage (Heizkreis III) wird über das virtuelle Kraftwerk in Berlin gesteuert. Hierbei ergänzt eine Luft-Wärmepumpe WPL 47 mit einem zusätzlichen Pufferspeicher von 750 l die Heizzentrale. Wenn Vattenfall nun plötzlich ansteigende Mengen von Windstrom schnell „verbrauchen“ will, kann die zentrale Leitstelle jederzeit und sekundenschnell die Wärmepumpe aktivieren. Wenn zu wenig Strom im Netz ist, können die BHKWs gestartet werden.

In Deutschland gibt es allein von einem Hersteller kleiner BHKWs über 30.000 Anlagen mit jeweils ca. 5 kWh Stromerzeugung. Wären alle Geräte über ein virtuelles Kraftwerk zusammengeschlossen, stünden über 150.000 kWh Strom innerhalb von 20 Sekunden im Netz zur Verfügung – oder ließen sich ebenso schnell vom Netz nehmen. Größere BHKWs – und davon gibt es hierzulande hunderte – erlauben eine Steigerung dieses Potenzials um ein Vielfaches.

Grundversorgung mit Wärmepumpe – Gasbrenner für Spitzenlast

Wenn Spitzenlastthermen ersetzt werden müssen, entscheidet sich Paul-Günter Frank für intelligente Lösungen. So sind im jüngst sanierten Heizkreis IV zwei Wärmepumpen in Verbindung mit Gas-Brennwertthermen mit optimaler Stiebel Eltron-Regelung eingebaut worden. Dabei handelt es sich um den Wärmepumpen-Pufferspeicher SBP 750 G von Stiebel Eltron. Die Steuerung schließt auch den Bramfelder Eigenstrom mit ein – erzeugt über die BHKWs und mit eigener Photovoltaik, denn inzwischen hat Paul-Günter Frank auf dem Dach der Reihenhaussiedlung entsprechende Anlagen installieren lassen. Dabei hat der Solarstrom Vorrang, danach folgt Strom aus den BHKWs und dann erst das Netz. „Mein primäres Ziel ist es, unseren Eigenstrom aus Photovoltaik und BHKWs über die Wärmepumpen zu verbrauchen.“ Dass damit letztlich der Heizkostenanstieg gebremst wird und sich den Betreibern der Wohnanlage Spielräume bei der Bemessung der Kaltmiete eröffnen, ist ein auch für die Wohnungswirtschaft zweifellos interessanter Aspekt. Ganz wichtig ist Paul-Günter Frank deshalb: „Wir machen das nicht aus Idealismus oder weil wir Ökoromantiker sind. Wir müssen wirtschaftlich arbeiten“ – zum Vorteil für Besitzer, Betreiber und Bewohner.

Für Stiebel Eltron hat die Wohnanlage Bramfeld noch eine ganz andere Bedeutung: Die hier eingesetzte Technik ist prädestiniert für die Sanierung. Eingebunden in intelligente, ganzheitliche Lösungen trägt sie zudem ihren Teil zur Energiewende bei.

Matthias Goebel, Leiter Vertrieb Wohnungsbau Nord bei Stiebel Eltron, fasst zusammen: „Wir haben die Produkte, die Heizung und Warmwasser ökologisch und wirtschaftlich erzeugen. Sie sind zukunftsfähig – auch in der Sanierung.“ Insgesamt werden in der Wohnanlage fünf große Heizungs-Wärmepumpen, diverse Warmwasser-Wärmepumpen WWK 300, Photovoltaikmodule, zwei Wärmepumpen-Pufferspeicher mit integriertem Gas-Brennwertgerät und etliche bedarfsgereiche Lüftungsgeräte LA 60 genutzt.

Durch den per BHKW erzeugten Strom wird etwa so viel CO2 eingespart wie beim Heizen entsteht.

Die Abwärme der BHKW-Motoren wird über Wärmepumpen genutzt.

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