Heizung

Durchdachte Planung für geringe Betriebskosten

Die „Inklusiven Wohnwelten“ der Lebenshilfe im Nürnberger Land beweisen, dass sich mit geringen Investitionen ein hohes Sparpotenzial mobilisieren lässt. Mit maßgeschneiderter Planung und Technik von der Stange ließen sich die Wärmebereitstellung und die Eigenstromerzeugung optimieren.

Die Lebenshilfe im Nürnberger Land e.V. betreibt über 20 Objekte, in denen Menschen mit Entwicklungsverzögerung oder Behinderungen ein Zuhause finden und betreut werden. Den Bewohnern stehen in der Regel Festangestellte der Lebenshilfe zur Seite. In den jungen „Inklusiven Wohnwelten“ in Altdorf wird jedoch ein neuer Ansatz verfolgt. Das im Frühling 2016 erstmals bezogene Objekt der Lebenshilfe bietet Wohnraum für Menschen mit Handicaps und für Personen ohne Behinderung. Letztere können sich für 20 Stunden im Monat bei der Betreuung, etwa beim Kochen oder bei der Freizeitgestaltung der berufstätigen Menschen mit Behinderung, einbringen und erhalten eine Ehrenamtspauschale hierfür, was wiederum die Mietkosten verringert.

Für das Konzept des inklusiven Wohnens errichtete die Lebenshilfe ein Gebäude mit 24 Apartments für Menschen mit Handicap, fünf weiteren für Mieter und zwei Einheiten für die sogenannte Verhinderungspflege. Das Haus hat drei Stockwerke mit jeweils ca. 2500 m² Bruttofläche. Im Erdgeschoss befinden sich unter anderen ein Aufenthalts- und ein Konferenzraum, ein Café mit eigener, großer Küche sowie diverse Hauswirtschafts- und Haustechnikräume. Im ersten und zweiten Obergeschoss sind die Apartments der Bewohner – jedes mit eigenem Bad und Vorraum – sowie pro Etage zwei Gemeinschaftsküchen und große Gemeinschaftsflächen. Dazu kommen im Kernbereich je ein Pflegebadezimmer und zum Beispiel Haushaltsräume.

Vernunft regierte bei Planung und Bau

Rund 6 Mio. Euro flossen in den Bau der „Inklusiven Wohnwelten“. 4 Mio. wurden durch Zuschüsse finanziert, den Rest hat die Lebenshilfe beigetragen. Da die Altdorfer Wohnwelten aus öffentlichen und eigenen Mitteln finanziert wurden und die Mieten für die Bewohner erschwinglich sein sollen, wurde das Objekt von Prof. Dipl.-Ing. Hans Peter Haid (Geschäftsführer der Haid+Partner GmbH Architekten+Ingenieure, Nürnberg) effizient geplant. Der Architekt, der auf Gesundheits- und Sozialbauten spezialisiert ist, hatte vor den Entwürfen mit angehenden Bewohnern gesprochen und ihre Wünsche und Ideen in die Konzeption eingebracht. Entstanden ist ein Gebäude mit einer hervorragend gedämmten Außenhülle und einer sehr guten Flächenaufteilung, das auf große Glasfronten verzichtet und so für niedrige Heizkosten sorgt.

Eine finanzierbare und wirkungsvolle, durchdachte und leicht zu bedienende Ausstattung erleichtert den Bewohnern das Leben. Beispielweise lassen sich die barrierefreien Bäder um Haltegriffe erweitern und sämtliche Waschtische im Haus sind mit einem Rollstuhl unterfahrbar. Auch kleine Merkmale wie die überall montierten Mischer für den Verbrühungsschutz oder die haltbaren Mischbatterien an Waschtischen und Duschen verraten, dass nicht am falschen Ende gespart wurde, sondern Sicherheit und Langlebigkeit bei den Investitionen im Vordergrund standen.

Klassisches Heizen und Lüften in den Apartments

Zum Heizen der Apartments kommen konventionelle, unter den Fenstern montierte Radiatoren mit Thermostatventilen zum Einsatz. In den Bädern der Apartments wird verbrauchte bzw. feuchte Luft abgesaugt. Die so entstehende Sogwirkung sorgt für ein stetiges Nachführen frischer Außenluft über Frisch-luftöffnungen, die hinter den Heizkörpern unter den Fenstern angebracht sind. Zudem lassen sich alle Fenster bei Bedarf öffnen.

Komplett maschinell belüftet werden nur die Gemeinschaftszonen und -räume. Für sie sind Lüftungsgeräte mit einer Wärmerückgewinnung (über Plattenwärmetaucher) in Küchenhängeschränken oder Wandschränken eingebaut. Die Geräte versorgen über kurze Kanalwege (was die Druckverluste minimiert) die jeweiligen Lüftungszonen. Niedrige Ventilatordrehzahlen und sorgfältige Schreinerarbeit stellen sicher, dass die Lüftungstechnik nicht nur optisch, sondern auch akustisch unauffällig ist.

BHKW deckt Grundbedarf an Wärme

Die Idee zu den verborgenen, dezentralen Lüftungsgeräten ist von Fachplaner Roland Goetz (Altdorf). Er konzipierte die komplette technische Infrastruktur. Für die Wärmeerzeugung wählte er ein erdgasbetriebenes Klein-BHKW (Blockheizkraftwerk) von Viessmann mit 6 kW elektrischer und 15 kW thermischer Leistung. Ergänzt wird es von einem 80-kW-Spitzenlast-Brennwertkessel. Beide geben die Wärme an einen Pufferspeicher von Varmeco mit einem Fassungsvermögen von etwa 3 m³. „Aus diesem Speicher werden alle Wärmeverbraucher des Hauses bedient“, erklärt Goetz.

Das BHKW ist ausreichend groß dimensioniert, um mehr als die Hälfte des gesamten Wärmebedarfs zu decken, so dass die Anforderungen des EE-Wärmegesetzes erfüllt werden. Andererseits ist die Leistung wiederum klein genug, um einen Grundlastbetrieb zu fahren – also hohe Laufzeiten bei wenigen Starts und Stopps, was durch den Einsatz des Speichers ermöglicht wird. Der Betrieb des BHKWs erfolgt temperaturgesteuert. Meldet der Sensor am oberen Teil des Speichers eine Temperatur unter 65 °C, schaltet die Steuerung des BHKWs den Motor an. Wie warm das Wasser im unteren Teil des Speichers ist, das zum Aufheizen zur KWK-Anlage gepumpt wird, ist für deren Betrieb ohne Belang: Eine drehzahlgeregelte Ladepumpe stellt sicher, dass die KWK-Anlage stets konstant arbeitet. Ist das Wasser kühl, regelt die Pumpe die Förderleistung so weit herab, dass die Verweilzeit zum Aufheizen des Wassers auf mehr als 80 °C ausreicht. Nur auf diese Weise lässt sich ein Brennwertbetrieb umsetzen, der die Leistung des Blockheizkraftwerks ausreizt. „Nicht alle BHKWs sind geeignet, die Abgaswärme mit Brennwerttechnik auszunutzen“, sagt der Planer, „doch die installierte Anlage ermöglicht das starke Abkühlen des Abgases und passt außerdem von der Größe perfekt zu diesem Objekt.“

Mit bis zu 75 kW steht für die Heizkörper der außenliegenden Räume die meiste Wärmeleistung zur Verfügung. Ein weiterer Wärmekreis bedient den Heizbedarf der Pflegebäder in den Zentralbereichen der Etagen mit maximal 3,5 kW Leistung und bei 70/50 °C Vor-/Rücklauf. Für die Lüftungsanlagen stehen bis zu 13,4 kW bei 40/25 °C bereit. Weitere 10 kW darf der Wäschetrockner beziehen: Auch die Industrie-Waschmaschine kommt meist ohne elektrische Heizenergie aus, denn für sie stellt die Haustechnik bis zu 16 l/min Regenwasser bei einer Temperatur von 60 °C bereit. Nur für das abschließende Spülen der Wäsche wird Trink-Warmwasser verwendet. Für höhere Waschtemperaturen (Kochwäsche) bringt die elektrische Heizung der Waschmaschine das Wasser mit 18 kW schnell auf Temperatur.

Dreikammer-Verteiler für optimale Temperaturspreizung

„Damit sich eine möglichst große Temperaturspreizung im Wärmespeicher ergibt, sorgen Dreikammer-Verteiler für eine thermische Optimierung“, erläutert Planer Goetz. „Mit diesen Ventilsystemen ist es möglich, die hohe Rücklauftemperatur eines Kreises von beispielsweise 50 °C für den Vorlauf eines Niedertemperatursystems bei etwa 40 °C – hier zum Beispiel die Lüftungsanlagen – nutzbar zu machen“, sagt er. „In Summe führt diese hydraulische Optimierung zu tieferen Rücklauftemperaturen am Speicher und steigert so den Gesamtwirkungsgrad des Systems.“

Auf minimale Rücklauftemperaturen ist auch die Warmwasserbereitstellung ausgelegt. Das Warmwasser wird von Wasser-Wasser-Durchlauferhitzern der Varmeco bereitgestellt, sogenannten Frischwassererwärmern. Es gibt also keinen Warmwasserspeicher im Haus, sondern jeder Liter Warmwasser wird erst bei Bedarf im Durchlaufprinzip erwärmt. „Das minimiert das Risiko der Legionellenvermehrung und sorgt somit für maximale Hygiene“, sagt Goetz. Es handelt sich um eine exergieoptimierte Zweier-Kaskade, die bis zu 5 m³/h Wasser mit maximal 75 °C im Vorlauf liefert. Die Wärmeenergie bezieht die Kaskade ebenfalls aus dem Varmeco-Speicher, wobei die Wärmebereitstellung bedarfsgerecht mit Hilfe einer drehzahlgeregelten Pumpe erfolgt.

Niedrige Rücklauftemperatur bei Warmwasserbereitung

Bei der exergieoptimierten Schaltung sind die Aufgaben der Erwärmung getrennt: „Die Zweier-Kaskade enthält einen Frischwassererwärmer nur zur Trinkwassererwärmung und einen zweiten, der Spitzenbedarfe deckt und das Zirkulationswasser temperiert.“ Durch eine getrennte Leitungsführung ergibt sich bei diesem System eine geringe Rücklauftemperatur, in diesem Fall fließt das Wasser im Idealfall mit 35 °C zum Speicher zurück.

Aufgrund der witterungsunabhängigen Wärmelasten im Gebäude, wie der häufig laufenden Waschmaschine und dem Wäschetrockner, ist das BHKW ganzjährig gut ausgelastet. Es läuft etwa 6500 Stunden im Jahr. Im Sommer, wenn nur warmes Wasser zum Duschen, Waschen und Spülen oder Wärme für die Waschküche benötigt wird, läuft es ungefähr acht Stunden täglich. „Dank des großzügigen Volumens des Wärmespeichers und der weiten Temperaturspreizung arbeitet das BHKW effizient und mit geringer Taktung“, berichtet der Planer. Rund 200 Starts pro Jahr minimieren den Verschleiß.

Zentrale Wärmeregelung mit Fernzugriff

Das Wärmemanagement erledigt die zentrale Varmeco-Regelung VarCon 380 Pro, die das Parametrieren und die Anzeige der Betriebsdaten am Gerät oder – über eine sichere, passwortgeschützte Internetverbindung – aus der Ferne ermöglicht. Die Regelung fordert beispielweise den Kesselbetrieb an, wenn die Leistung des BHKWs nicht zur Deckung des Wärmebedarfs ausreicht. Das BHKW wird also stets mit Vorrang eingesetzt. Die Regelung managt außerdem die Heizkreise und die Warmwasserbereitung inklusive aller Pumpen. Da die Pumpenantriebe drehzahlregelbar sind, erlauben sie einen bedarfsgerechten und zugleich energiesparenden Betrieb.

Wie gut Wärmebereitstellung und Stromproduktion in der kleinen KWK-Anlage harmonieren, liegt nicht zuletzt an der passgenauen Dimensionierung. Die sommerliche Grundlast und der Heizbedarf in den Übergangsjahreszeiten lassen sich mit dem BHKW allein decken, nur an relativ kalten Tagen ist der Einsatz des Brennwertkessels gefordert. Die zeitgleiche Stromerzeugung, die etwa 30 % der BHKW-Gesamtleistung ausmacht, passt hervorragend, um elektrische Energie zum Kochen, Kühl- und Gefriergeräte, die Lüftungsanlagen oder die Zusatzheizung der Waschmaschine bereitzustellen. „Dadurch muss nur ein Zehntel des BHKW-Stroms in das Netz eingespeist werden, 90 % werden sofort im Haus verbraucht und decken etwa die Hälfte des Gesamtstrombedarfs“, sagt Goetz.

In Anbetracht der – im Vergleich zum Strombezugspreis – geringen Vergütung für den BHKW-Strom bedeutet die Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch der elektrischen Energie eine zusätzliche Ersparnis. Möglich ist sie nicht zuletzt dank der Tatsache, dass Wärmebereitstellung und -verbrauch durch den 3 m³ großen Varmeco-Speicher entkoppelt werden.

Das BHKW ist ausreichend groß dimensioniert, um mehr als die Hälfte des gesamten Wärmebedarfs zu decken.

Das Warmwasser wird von Wasser-Wasser-Durchlauferhitzern
bereitgestellt.

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