Offener Realisierungswettbewerb: Bundesrat schließt Baulücke

Der offene Realisierungswettbewerb „Bundesrat - Anbau mit Besucherzentrum“ ist entschieden. Mit dem preisgekrönten Entwurf des Architekturbüros Max Dudler soll die sensible Nahtstelle zwischen Preußischem Herrenhaus und Leipziger Platz in Berlin-Mitte geschlossen werden.

Wettbewerbskultur erzeugt Baukultur

Die gebaute Umwelt beeinflusst maßgeblich unsere Lebensqualität und auch die der nachfolgenden Generationen. Baukulturelle Qualität verbindet ästhetischen und innovativen Anspruch mit einer ganzheitlichen Betrachtung von sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten. Die hohen Anforderungen an ein zukunftsfähiges Bauen werden zu­­nächst an die Planung gestellt. Hier werden die Weichen gestellt. Mit der Durchführung eines – wenn möglich offenen – Wettbewerbs erhält der Bauherr die größtmögliche Lösungsvielfalt für eine Planungsaufgabe. Im direkten Vergleich der unterschiedlichen Aspekte und Qualitäten der eingereichten Arbeiten wird die beste Lösung im Dialog zwischen Sach- und Fachpreisrichtern qualifiziert ermittelt. Die Öffentlichkeit wird durch ein Wettbewerbsverfahren sensibilisiert, Baukultur vermittelt.

Wettbewerbskultur braucht Verfahrenskultur

Nur die strikte Einhaltung von festgelegten Verfahrensregeln garantiert eine gerechte Auswahl mit hoher Qualität und die notwendige fachliche Akzeptanz und Bestätigung. Im Bundeshochbau und in den meisten Bundesländern sind die Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2013) verbindlich eingeführt und bei allen Planungswettbewerben anzuwenden. Das Bundesbauministerium (BMUB) als Richtliniengeber setzt damit verstärkt auf den Leistungswettbewerb in klar strukturierten und transparenten und letztlich auch rechtssicheren Verfahren. Auftraggeber und Auftragnehmer finden auf faire und partnerschaftliche Weise zueinander.

Beste gestalterische Lösung

Wieder einmal ist es gelungen, durch ein erfolgreiches Wettbewerbsverfahren die beste gestalterische Lösung zu ermitteln. Doch zuerst zu den Rahmenbedingungen: 1997 begann unter der Leitung des Architekturbüros Schweger & Partner der Umbau des ehemaligen Preußischen Herrenhauses für den Einzug des Bundesrates, der seit September 2000 hier tagt. Teile der Bundesratsverwaltung sind derzeit noch im A-Flügel des benachbarten Detlev-Rohwedder-Hauses, dem Sitz des Bundesministeriums der Finanzen, untergebracht. Das BMF möchte diese Flächen künftig wieder selbst nutzen. Ersatz ist nötig. Zudem strömen jährlich an die 70.000 Besucher in das denkmalgeschützte Gebäude. Tendenz steigend. Für die politische Bildungsarbeit wird ein optimiertes Besucherzentrum mit erweitertem Angebot benötigt.

Die benachbarte Baulücke bietet sich für einen Anbau an. Das 4.161 m2 große Grundstück gehört bereits dem Bund, genauer gesagt der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Mit einem Neubau an der Leipziger Straße würde auch die sensible Naht zwischen neoklassizistischem Preußischem Herrenhaus und der neuzeitlichen Wiederbebauung des südlichen Leipziger Platzes geschlossen werden. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat das Leipziger Platz Quartier bzw. die Einkaufspassage „Mall of Berlin“ auf dem ehemaligen Wertheim-Areal kürzlich den nordöstlichen Teil des oktogonalen Platzes arrondiert.

Stadträumliches Fingerspitzengefühl ist hier gefragt. Zumal noch aus den 90 iger-Jahren strikte Gestaltungsvorgaben für eine Bebauung einzuhalten sind, wie beispielsweise die mindestens sechseinhalb Meter hohen Arkaden - obwohl das dreiflügelige Bundesratsgebäude selbst keine Arkaden besitzt. Nicht zuletzt soll der Neubau selbstbewusst zu einer neuen Adressbildung am Standort führen, ohne jedoch in Konkurrenz zum historischen Preußischen Herrenhaus zu treten.

Verschiedenste Anforderungen

Mit dem Raumprogramm sind die verschiedensten Nutzungs- und Sicherheitsanforderungen auf optimale Weise zu verbinden und zu gewährleisten. Das Besucherzentrum mit 1.300 m2 Nutzfläche soll der Ausgangspunkt des Besucherrundgangs sein, der im Zusammenspiel mit den Originalschauplätzen im Hauptgebäude über die Arbeit des Bundesrates informiert. Es umfasst Konferenzräume und Rollenspielsäle für Schülergruppen, in denen die Arbeit des Bundesrates realitätsnah nachempfunden werden kann. Ein öffentlich zugängliches Foyer soll Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen bieten. Zudem sollen auf rund 5.700 m2 moderne Funktions- und Büroflächen für die Bundesratsverwaltung entstehen, die räumlich, atmosphärisch und klimatisch gute Arbeitsbedingungen bieten. Um das Grundstück voll auszunutzen, soll zudem im südlichen Teil ein unabhängig funktionsfähiges Bürogebäude zur anderweitigen Bundesnutzung entstehen.

In der Auslobung wurden neben den funktionalen und gestalterischen Anforderungen Vorgaben zum nachhaltigen und ressourceneffizienten Planen und Betreiben formuliert. Auf der Grundlage einer Machbarkeitsstudie wurde ressortübergreifend mit dem Nutzer und dem BMF ein geschätzter Kostenrahmen für den Wettbewerb vereinbart. Ziel ist, auf der Basis des Wettbewerbsentwurfs, eine belastbare Kotenberechnung für die ES-Bau in Entwurfsplanungsqualität zu erstellen.

Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) hat einen offenen 2-phasigen Wettbewerb in enger Abstimmung mit dem BMUB und dem Bundesrat durchgeführt. In der 1. Phase haben 86 Architekturbüros Entwürfe eingereicht, von denen 26 in der Preisgerichtssitzung im April 2014 für die 2. Phase ausgewählt wurden. Am 18. September 2014 hat das dreizehnköpfige Preisgericht unter Vorsitz von Frau Prof. Dorothea Becker den Wettbewerbsentwurf von Max Dudler, Berlin, mit dem ersten Preis ausgezeichnet und einstimmig zur Realisierung empfohlen.

„Das vom Verfasser etwas pathetisch formulierte Zitat „Versöhnung der Vergangenheit mit der Gegenwart“ verweist auf die wesentliche Qualität der Arbeit: Zwischen den Brandwänden des Preußischen Herrenhauses und der rückseitigen Bebauung des Leipziger Platzes steht ein im Maßstab, Proportion und Rhythmus gut ausbalanciertes „gerüsthaftes“ Bauwerk, welches in seinem Erscheinungsbild qualitätsvoll vermittelt ohne sich anzubiedern, ein gutes Maß an Öffentlichkeit zum Ausdruck bringt und der Jury somit für ein Besucherzentrum und den Erweiterungsbau zum Bundesrat äußerst angemessen erscheint. Insbesondere in Bezug auf seine Haltung, seinen Gestus, die städtebauliche Verknüpfung und Architektursprache stellt die Arbeit einen sehr kraftvollen und eigenständigen Beitrag zur gestellten Aufgabe dar.“ so ein Auszug aus der Beurteilung des Preisgerichts.

Die ebenfalls aus Berlin stammenden Büros LANKES KOENGETER Architekten und KSV Krüger Schuberth Vandreike, Planung und Kommunikation GmbH wurden mit einem 2. bzw. 3. Preis ausgezeichnet. Drei Anerkennungen wurden an Bär, Stadelmann, Stöcker Architekten, Nürnberg; Herrmann + Bosch Architekten, Stuttgart und gmp International GmbH, Berlin, vergeben.

Wettbewerbe sind weder zu teuer noch dauern sie zu lange

Dies bestätigt auch ein vom Bundesbauministerium initiiertes Forschungsvorhaben. Wissenschaftlich wurde nachgewiesen, dass andere, unerwartete Einflussfaktoren weit erheblichere monetäre und zeitliche Aufwendungen in der gesamten Vergabe- und Planungsphase haben.

Die Entscheidung zugunsten eines Wettbewerbs für den Anbau des Bundesrates war schnell klar. Bei diesem schwierigen Baugrundstück und dem anspruchsvollen Raumprogramm war ein offener,  2-phasiger Wettbewerb trotz der relativ langen Dauer von insgesamt einem Jahr das richtige Verfahren. Durch die gewonnenen Erkenntnisse in der 1. Phase konnten für die vertiefte Bearbeitung der 2.Phase noch wichtige denkmalpflegerische und planungsrechtliche Empfehlungen gegeben werden. Überdies musste nur eine begrenzte Anzahl von Architekturbüros – die immer mit hohem emotionalen als auch finanziellem Engagement in Vorleistung gehen – sich einem vertieften Wett­­bewerb unterziehen. Grundsätzlich bietet ein offenes und bis zum Schluss anonymes Verfahren auch kleineren und jungen Architekturbüros ohne um­­fangreiche Referenzliste gute Chancen.

Innerhalb der Vorgaben war die kreative Vielfalt und hohe Qualität der eingereichten Arbeiten auch in diesem Planungswettbewerb bemerkenswert. Dies bestätigt einmal mehr das ausdrückliche Bekenntnis des Bundesbauministeriums zur Durchführung von Wettbewerben, auch im Sinne von Baukultur.

Weitere Infos zum Wettbewerb gibt es unter www.bbr.bund.de/BBR/DE/Bauprojekte/Berlin/Politik/BR/Wettbewerb/Wettbewerbsergebnisse.html?nn=551384

Kerstin Schwarz-BockReferentin im BMUB, Referat B II 5
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