Projektmanagement

Bauprozesse
erfolgreich steuern 

Mit dem Aktionsprogramm „Reform Bundesbau“ der Reformkommission des Bundesbauministeriums sollen Bauvorhaben der öffentlichen Hand zukünftig besser koordiniert und effizienter umgesetzt werden. Welche Rolle Projektmanagement hierbei spielt, erläutern Andreas Spathelf und Mathias Heiser von der Thost Projektmanagement GmbH im Interview.

Wieso stehen Bauvorhaben der öffentlichen Hand immer wieder in der Kritik?

Andreas Spathelf: Gerade bei öffentlichen Projekten werden Fertigstellungstermine und Kosten häufig zu einem sehr frühen Zeitpunkt veröffentlicht, oft politisch motiviert, bevor Projektziele, Inhalte und Rahmenbedingungen umfassend geklärt sind und ohne realistische Angabe zur Prognosegenauigkeit. Stellt sich im weiteren Planungsverlauf heraus, dass das zwischenzeitlich präzisierte Bauprogramm und der möglicherweise über Wettbewerb ausgewählte Gestaltungsentwurf nicht in den anfangs genannten Rahmendaten umzusetzen ist, geraten Bauvorhaben in der öffentlichen Wahrnehmung schnell in Verruf.

Dazu kommen in öffentlichen Projekten häufig sehr lange Projektlaufzeiten, welche zusätzliche Risiken, wie z. B. aktuell sehr drastische Baupreissteigerungen zur Folge haben können. Qualifiziertes Projektmanagement, verbunden mit guter und transparenter Öffentlichkeitsarbeit, kann helfen, dies zu vermeiden.

Die Reformkommission „Bau von Großprojekten“ hat 2015 Vorschläge erarbeitet, wie Kosten, Termine und Qualitätssicherheit verbessert werden können. Was halten Sie davon?

Mathias Heiser: Die Empfehlungen der Reformkommission halten wir weitgehend für richtig, wenngleich einige Erkenntnisse nicht wirklich neu sind. Dem Projektmanagement und den klassischen Bauherrenaufgaben wird eine zentrale Bedeutung zugeordnet. Die Ausführungen zum Risikomanagement, zur Etablierung außergerichtlicher Streitschlichtungsverfahren und insbesondere zur Bedarfsermittlung und -planung und damit der qualifizierten Ermittlung von Nutzeranforderungen verdienen besondere Beachtung.

Die Reformkommission hat an mehreren Stellen darauf verwiesen, dass der Projektbedarf früher und gründlicher ermittelt werden muss, um damit dem Grundsatz „erst planen, dann bauen“ in der Realität auch näher kommen zu können.

Andreas Spathelf: Diesen Ansatz vertreten wir mit großer Überzeugung. Hierin sehen wir einen Schlüssel, um einen störungsärmeren Planungs- und insbesondere Bauprozess zu ermöglichen. Der Verweis auf die DIN18205 hilft dabei jedoch nur begrenzt. Diese DIN ist weithin unbekannt und darüber hinaus sehr überholungsbedürftig.

Wir haben mit der „Integrierten Bedarfsplanung“ bereits eigene Lösungsansätze, Methoden und Tools entwickelt. Damit unterstützen und beraten wir Bauherren systematisch und qualifiziert bei der Ermittlung und Planung des tatsächlichen Bedarfes und sichern parallel die tatsächliche Machbarkeit dieser Bedarfsanforderungen.

Wie schätzen Sie die Empfehlungen in Richtung partnerschaftliche Projektzusammenarbeit ein?

Mathias Heiser: Die Förderung einer Kooperationskultur befürworten wir absolut (z. B. durch Einführen einer Projektcharta). Dies ist vorrangig eine Bauherrenaufgabe und lässt sich nicht delegieren. Externes Projektmanagement kann hier qualifiziert unterstützen und die Umsetzung fördern. Was die partnerschaftlichen Vertragsmodelle betrifft - hier wird oft auf positive Erfahrungen im angelsächsischen Raum verwiesen - sehen wir insbesondere bei Infrastrukturmaßnahmen erhebliches Potenzial. Ebenso beim Umgang mit Konflikt- und Streitschlichtungsfragestellungen.

Internationale Regelwerke, wie z. B. FIDIC bieten gute Ansätze und könnten als Vorlage dienen, um zügig und nach festgelegten Prozessen außergerichtliche Streitbeilegung zu ermöglichen. Die Projektbeteiligten könnten sich auf die Projektarbeit konzentrieren, anstatt auf langwierige Rechtsauseinandersetzungen.

Nehmen Sie seit der Veröffentlichung dieser Vorschläge eine Veränderung / Entwicklung wahr?

Andreas Spathelf: Nach unserer Beobachtung verläuft die Umsetzung der Empfehlungen eher zurückhaltend und zögerlich. Das Bestreben, Risiken möglichst Dritten zu übertragen, ist noch immer recht ausgeprägt. Die „prominenten“ Negativbeispiele zeigen: Wesentliche Risiken lassen sich nicht beliebig auf Andere übertragen. Am Ende trägt sie der Bauherr selbst. Ein offensiver Umgang mit Risiken und den auch oftmals damit verbundenen Chancen ist nach unserer Erfahrung der erfolgversprechendere Weg.

Kennen Sie ein positives Beispiel aus dem Bereich der öffentlichen Hand, bei dem die Empfehlungen zum Risikomanagement bereits beherzigt werden?

Mathias Heiser: Wir arbeiten wiederholt für eine Landeshauptstadt und eine große Kreisstadt, die im Sinne der Kostensteuerung ein sehr vernünftiges Risikomanagement betreibt. Kostenrahmen bzw. Kostenermittlungen in sehr frühen Projektphasen werden mit entsprechend hohen Risikoreserven beaufschlagt, entsprechend der Varianz, die derartigen Ermittlungen zuzuordnen sind. In fortgeschrittenen Planungsphasen wird diese Risikoreserve schrittweise reduziert. So konnten wir in allen Projekten durch seriöse Kostenplanung und qualifizierte Kostensteuerung die Projektziele erreichen. 

Die Nutzung digitaler Methoden, wie z. B. Building Information Modeling (BIM) soll gerade auch bei öffentlichen Projekten stark forciert werden. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

Mathias Heiser: BIM wird in den kommenden Jahren wesentlich an Bedeutung gewinnen. Wir gehen davon aus, dass in einigen Jahren alle Großprojekte mit dieser Methodik bearbeitet werden. Wir sind dafür schon heute sehr kompetent aufgestellt. Ein erfolgreicher Einsatz von BIM erfordert allerdings auch eine darauf abgestimmte Projektorganisation mit klar definierten Rollen, Schnittstellen und Zuständigkeiten. Der Einsatz dieser neuen Planungs- und Realisierungsmethode hat Auswirkungen auf Aufbau- und Ablauforganisationen der Vorhaben, ebenso auf die Vergabeverfahren und Vertragsgestaltungen aller Beteiligten.

Im Rahmen strategischer Beratungen schafft unser BIM-Expertenteam bei den Bauherren zunächst ein einheitliches Verständnis und eine realistische Erwartungshaltung bzgl. der neuen Methodik. Dann werden mögliche Umsetzungsstrategien geklärt und mit dem Bauherrn erarbeitet. In der Projektrealisierung steuern wir die Auswahl geeigneter Partner und Systeme und erstellen die BIM-Projektabwicklungspläne, in denen die projektspezifischen Prozesse und organisatorischen Regelungen für alle Beteiligten verbindlich definiert werden.

Projekte werden nicht gänzlich vor Änderungen verschont werden. Was haben
Sie hierzu für Erfahrungen und Empfehlungen?

Andreas Spathelf: Auswirkungen von Änderungen im fortgeschrittenen Planungs- oder gar Bauprozess werden oft zu optimistisch dargestellt. Es werden nur die „sichtbaren“ Änderungen – häufig unter enormen Zeitdruck – sehr oberflächlich zusammengestellt. Die tatsächlichen Ablaufstörungen werden im Nachhinein aufgezeigt, wenn „das Kind im Brunnen liegt“.

Ein qualifiziertes Änderungsmanagement mit Aufzeigen der tatsächlichen Folgen beugt negativen Überraschungen vor. Hier schließt sich der Kreis zum Thema qualifizierte Bedarfsplanung und einem verbindlichen Abschluss der Leistungsphasen der HOAI. Es gilt den Umfang des Änderungspotenzials zu reduzieren und mit den tatsächlich erforderlichen und gut begründeten Änderungen seriös umzugehen.

Herr Spathelf, Herr Heiser, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Matthias Bucher von der Agentur Edelman.ergo, Frankfurt am Main

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