Absturz mit Ansage: Ist der Neubaustopp noch zu stoppen?

„Moment mal!“: Die Bundes­arbeits­­gemeinschaft Immo­bilien­wirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.

Als wir im Frühjahr 2022 bereits eindringlich vor einem massiven Einsturz beim Neubau gewarnt haben, wurden wir politisch als „Schwarzseher“ diffamiert. Doch die Lage ist dramatisch und es gibt kaum eine Region, die nicht betroffen ist. Und noch immer scheint die Bundesregierung den Ernst der Lage nicht begriffen zu haben und redet die aktuellen Neubauzahlen schön. Dabei ist der perfekte Sturm auf dem Wohnungsmarkt längst zu einem Orkan geworden.

Es ist richtig, dass der Einbruch bei den neuesten Fertigstellungszahlen noch nicht deutlich zu spüren ist. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Wohnungen, die jetzt fertiggestellt werden, unter vollkommen anderen Rahmenbedingungen geplant und gebaut wurden.  Damals gab es noch verlässliche Förderprogramme. Damit hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr gebrochen. Aktuell wird fast nur noch dort gebaut, wo noch früher geschlossene Verträge mit günstigeren Konditionen vorliegen oder es um Sozialwohnungen geht, bei denen die Bundesländer die Kostensteigerungen finanziell ausgleichen.

Erwartungsgemäß liegen die Neubauzahlen für 2022 also erneut unter 300.000. Der Anstieg von 1,5 Prozent bei den Mehrfamilienhäusern ist marginal. Bei den Baugenehmigungszahlen wird der Einbruch bereits seit einiger Zeit deutlich: Im April 2023 wurde in Deutschland der Bau von 31,9 Prozent weniger Wohnungen genehmigt als im April 2022.

Die Folgen der zahlreichen Stornierungen unter den aktuellen Rahmenbedingungen werden erst in den nächsten Jahren in vollem Umfang zum Tragen kommen. Damit liegt die Gefahr eines Absturzes noch vor uns. Die gemeinsame Aufgabe aller beteiligten Akteure – sowohl auf politischer als auch auf ausführender Ebene – ist es jetzt, den Absturz beim Wohnungsbau aufzuhalten. Die ausführende Seite hat diese Aufgabe bereits in Angriff genommen. So haben wir kürzlich den zweiten europäischen Wettbewerb für das serielle Bauen gestartet. Darüber hinaus haben wir Vorschläge für bessere Finanzierungsbedingungen und zur Absenkung von Nebenerwerbskosten unterbreitet. Die Ideen sind also da – nun müssen sie aber auch mit politischem Willen umgesetzt werden.

Wir haben in Deutschland einen Zustand erreicht, bei dem nicht-geförderte Mietwohnungen in Neubauten für Normalverdiener unerschwinglich werden. Auch deshalb liegen immer mehr Bauprojekte auf Eis. Wir brauchen eine völlig neue Förderpolitik über den sozialen Wohnungsbau hinaus für die breite Bevölkerung mit normalem Einkommen. Mieten zwischen zehn und elf Euro beim Neubau sind ohne Subventionen unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr machbar. Hier brauchen wir eine Förderung für das mittlere Preissegment. Denn der Großteil der Menschen in Deutschland kann sich Mieten zwischen 15 und 20 Euro nicht leisten.

Die günstigen Angebotsmieten unserer Unternehmen sind auch das Resultat einer über lange Jahre verlässlichen und auskömmlichen Förderpolitik für bezahlbaren Wohnungsbau. Seit dem Förderfiasko im vergangenen Frühjahr werden Projekte des bezahlbaren Wohnungsbaus reihenweise abgesagt, weil sie nicht mehr finanzierbar sind. Die Menschen in Deutschland werden also künftig deutlich schwieriger eine Wohnung finden und die Preise werden angesichts allseits explodierender Kosten ohne wirksames Fördersystem weiter nach oben gehen.

Wir brauchen umgehend kurzfristige Maßnahmen, die schnell greifen, damit die Wohnungsunternehmen wieder in die Lage versetzt werden können, Neubauprojekte aufzusetzen. Für die Bauwilligen gibt es derzeit weder Planungssicherheit noch eine angemessene Förderung zum Erreichen der sehr hochgesteckten Neubauziele. Deshalb ist es dringend notwendig, alle Hebel in Bewegung zu setzen, den bezahlbaren Wohnungsneubau wieder anzukurbeln.

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