Neue Muster-Garagenverordnung

Vielleicht zeitgemäßer – aber auch sicherer?

Mit der Veröffentlichung der „Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (M-GarStVO)“ steht ein Regelwerk zur Diskussion, das für Architekten und Fachplaner schon heute auf künftige, insbesondere langfristig vorzuplanende Projekte wie Mittel- und Großgaragen abstrahlt. Umso wichtiger ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Entwurf, da über die Konzentration der Schutzziele nicht nur erhebliche Anforderungen an jedes Brandschutzkonzept gestellt werden, sondern mit dessen Umsetzung auch die Investitions- und Betriebskosten deutlich steigen dürften.

Die Ursprünge der Muster-Garagenverordnung (M-GarVO) gehen auf Anfang der 1990er Jahre zurück; die Erstfassung datiert aus Mai 1993. VW stellte damals auf der IAA den ersten „Golf mit Rucksack“, also einen Variant vor, und Mercedes weitete seine Produktpalette mit der A-Klasse auf den Massenmarkt aus. Bundesweit waren damals rund 32,6 Mio. Fahrzeuge zugelassen, heute sind es laut Kraftfahrtbundesamt 66,9 Mio. – also etwa doppelt so viele.

Die Folgen sieht man auf den Straßen und in den Parkhäusern. Denn die Autos sind nicht nur mehr, sondern gleichzeitig größer, schwerer, leistungsstärker geworden. Mit unmittelbaren Folgen für die Sicherheit in den Parkhäusern und Tiefgaragen, denn dadurch ist gleichzeitig natürlich auch die Brandlast gestiegen. Nach Novellierungen in 1996, 1997 und zuletzt 2008 will – und soll – die im September 2020 vorgelegte „Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (M-GarStVO)“ diesen Risiken besser Rechnung tragen.

Wie komplex die Thematik aber geworden ist, zeigt sich nicht zuletzt an den zahlreichen Diskussionen, die sich seitdem rund um den Entwurf der Verordnung entwickelt haben – und die bis heute nicht abgerissen sind. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte nicht zuletzt die Verschärfung der Anforderungen sein, die sich unter anderem durch die Streichung der Erleichterungen der Gebäudeklassen 1 und 2 ergeben. Künftig soll Gebäudeklasse 5 das Maß der Dinge sein. Das hat insbesondere für die Errichter und Betreiber von Mittel- und Großgaragen (über 1.000 m² Fläche bzw. > 50 Stellplätze = 575 m²; Quelle: Bayern.Recht) Folgen. Denn damit ist ein grundlegender Systemwechsel verbunden: weg von der Bildung von Rauchabschnitten, hin zu Brandabschnitten mit feuerbeständigen Wänden bzw. Abschlüssen.

Als Begründung werden zum einen die am Markt verfügbaren „qualifizierte[n] Abschlüsse für Garagen (Tore und Türen mit Verwendbarkeitsnachweisen)“ angeführt, die eine entsprechende bauliche Umsetzung zulassen. Zum anderen brennen laut Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) „immer häufiger mehrere Fahrzeuge nebeneinander in Garagen, so dass eine wirksame räumliche Begrenzung der Flächen den Schutzzielen (Brandausbreitung vorbeugen und wirksame Löscharbeiten ermöglichen) der Muster-Bauordnung entspricht.“

Der zugehörige Entwurfsparagraf aus der M-GarStVO soll daher zukünftig lauten:

㤠12 Brandabschnitte

(1) Geschlossene Garagen, ausgenommen automatische Garagen, müssen durch Brandwände nach § 30 Abs. 3 Satz 1 MBO in Brandabschnitte mit Nutzflächen

1. in oberirdischen geschlossenen Garagen bis höchstens 5.000 m²,

2. in sonstigen geschlossenen Garagen bis höchstens 2.500 m² unterteilt sein.

Die Nutzfläche darf höchstens doppelt so groß sein, wenn die Garagen selbsttätige Feuerlöschanlagen haben. Ein Brandabschnitt darf sich auch über mehrere Geschosse erstrecken.

(2) Automatische Garagen müssen durch Brandwände nach § 30 Abs. 3 Satz 1 MBO in Brandabschnitte von höchstens 6.000 m³ Brutto-Rauminhalt unterteilt sein.

(3) Öffnungen in den Wänden nach Absatz 1 müssen mit feuerbeständigen, dicht- und selbstschließenden Abschlüssen versehen sein. Feuerhemmende, dicht- und selbstschließende Abschlüsse sind zulässig, wenn die Garagen selbsttätige Feuerlöschanlagen haben. ...“

Virtuelle vs. reale Brandschutzabschnitte

Welche Herausforderungen sich daraus für die künftige Arbeit von Architekten und Fachplanern ergeben, lässt sich am besten an einem typischen Praxisbeispiel darstellen: einer rund 20.000 Quadratmeter großen, zweigeschossigen Tiefgarage unter dem vor rund zehn Jahren komplett neu errichteten Quartier hinter dem „Römer“ in der Frankfurter Innenstadt. Ausgangssituation war ein stark verwinkelter Baukörper. Um

– den Brand- und Rauchschutz qualifiziert abzusichern,

– ein möglichst hohes Maß an praxisgerechter Funktionalität zu gewährleisten und

– die wirtschaftlichen Belange des Bauherrn – zum Beispiel mit Blick auf die Investitions-, aber auch die folgenden Betriebskosten – zu berücksichtigen,

wurden auf Basis mehrerer CFD-Simulationen (CFD: Computational Fluid Dynamics) auf Parkebene „-1“ sechs und auf Parkebene „-2“ vier virtuelle Rauchabschnitte und CO-Abschnitte eingerichtet. Dadurch konnte auf die sonst üblicherweise durch Türen und Tore getrennten Rauchabschnitte verzichtet werden, die hier aufgrund des verwinkelten Baukörpers technisch nicht realisierbar gewesen wären.

Kommt es in der Tiefgarage zu einem Fahrzeugbrand, wird je nach Brandort ein Entrauchungsszenario ausgelöst, das im zeitlichen Ablauf in Eigenrettung und Feuerwehrangriff unterteilt ist. Es laufen dem Szenario zugeordnete Ab- und Zulüfter sowie auf den zwei Ebenen insgesamt 67 unter der Decke montierte „Systemair“-Jetventilatoren (überwiegend vom Typ „AJ8“) an. Sie unterstützen die Mindestluftgeschwindigkeit, die zur Rauchabschnitttrennung nötig ist, um eine Ausbreitung der Rauchgase zu verhindern. Dabei korrigieren die Schublüfter in der Phase der Eigenrettung analog zu dem computersimulierten Strömungsverhalten die Bereiche der natürlichen Luftströmung (also Zu- nach Abluft ohne Jetventilatoren), die eine zu niedrige Luftgeschwindigkeit oder im Sinne der Rauchabschnittstrennung eine falsche Strömungsrichtung haben.

In der zweiten Schaltphase – wenn sich unter der Decke Rauchgase gesammelt haben – werden diese für den Feuerwehrangriff über die Lüftungstechnik gezielt in den betroffenen Rauchabschnitten konzentriert und abgesaugt. Die angrenzenden Zonen sind als rauchfrei anzusehen und dienen den Einsatzkräften als gesicherter Ausrüst- und Angriffsweg. Abluftpunkte sind dabei (je nach Szenario) sowohl die Hauptzufahrt als auch durch alle Stockwerke der darüber liegenden Bebauung geführte Schächte.

Das weitestgehend „nicht-bauliche“ Brand- und Rauchschutzkonzept macht damit erst eine vollumfängliche Nutzung der beiden Parkebenen möglich.

Höhere Investitions- und Betriebskosten

Eine vergleichbare Aufgabenstellungen auf Basis des Entwurfs der neuen M-GarStVO hätte bereits in der frühen Planungsphase des Quartiers deutlich höhere Anforderungen an die Architekten und Statiker gestellt, da entweder

– die Lasten aufgrund der darüber liegenden mehrgeschossigen Bebauung anders hätten abgefangen werden müssen oder

– die Tiefgarage nicht in diesem Ausmaß zu realisieren gewesen wäre, da die Grundrissplanung weder die Erstellung der geforderten Brandwände noch den Einsatz selbstschließender feuerbeständiger Tore zugelassen hätte.

In Mittel- und Großgaragen anderen Zuschnitts, bei denen die in der M-GarStVO geforderten baulichen Brandschutzvorgaben erfüllt werden könn(t)en, wäre künftig wiederum mit deutlich höheren Investitionskosten zu rechnen, da durch die kleinteiligere Bauweise bzw. Abschottung im Brandfall durch selbstschließende Tore mit mehr Zu- und Abluftpunkten für die lüftergestützte Rauchfreihaltung gearbeitet werden muss als bisher.

Stattdessen wäre die erstens deutlich aufwändigere, also kostenintensivere Installation zusätzlicher Kanalnetze notwendig. Zweitens wäre mit steigenden Betriebskosten zu rechnen, da durch den Luftwiderstand dieser Kanäle der Energieeinsatz für Lüftungstechnik massiv ansteigen würde (s. Tabelle): Bei einer typischen Tiefgarage mit einem Lüftungskanal von 70 Meter Länge müssten beispielsweise zusätzliche Druckverluste von 500 bis 700 Pascal (je nach Zahl der Bögen und Verschwenkungen) ausgeglichen werden – und das nicht nur für den Brandfall, sondern genauso bei der täglichen CO-Bedarfslüftung, also ohne Unterbrechung 24/7 an zwölf Monaten im Jahr.

Sollten anstelle selbstschließender Tore bauaufsichtlich zugelassene, feuerbeständige Rauchschutz- und Feuerschutzabschlüsse installiert werden, ergäben sich zudem potenzielle Probleme beim Auftreten von durch die Lüftungsanlagen erzeugtem Unterdruck: Ausgehend von einer durch eine Rauchschürze zu verschließende Durchfahrtbreite von 5 Meter Breite und 3 Meter Höhe und einem zur Rauchfreihaltung notwendigen Lüftungsdruck von 10 Pascal würde eine Kraft von etwa 150 Newton auf die bodenschließend und in Führungsschienen gehaltene Schürze einwirken. Praxistests haben aber gezeigt, dass dann das allein auf Schwerkraft basierende Schließen der Rauchschürze nicht mehr zuverlässig gewährleistet ist, da diese in den Führungsschienen verklemmt. Die im Brandschutzkonzept geforderte Abschottung wäre also nicht mehr gewährleistet – dieser „architektonische Ausweg“ aus der Herausforderung „fehlender Platz für Brandschutztore“ wäre demnach nicht praxistauglich.

Fazit

Mit der M-GarStVO ist zweifellos ein wichtiger Schritt getan, das Regelwerk den veränderten Brand- und Rauschutzanforderungen insbesondere in Mittel- und Großgaragen anzupassen. Durch die Verschärfung der Schutzanforderungen ergeben sich aktuell jedoch noch eine ganze Reihe unterschiedlichster Herausforderungen in der Umsetzung, die in dieser Form noch nicht aufgelöst werden können. Hier ist ein weiterer Abgleich mit den gängigen (und ökologisch wie ökonomisch bewährten) Brand- und Rauchschutzkonzepten nötig, insbesondere der Möglichkeit, mit virtuellen Brandschutzabschnitten arbeiten zu können.

Mehr Informationen unter www.systemair.de

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