Serielles Bauen und Sanieren

Mit System gegen die Wohnungsnot

Der Wohnungsmangel in Deutschland ist so hoch wie lange nicht mehr. Gleichzeitig stellen neue regulatorische Anforderungen an Neubauten die Branche vor Herausforderungen: Eine Vielzahl an Bestimmungen zur sozialen Wohnraumförderung und Umweltschutzregelungen führt bei Bauherren zu Unklarheit. Zu guter Letzt drängt auch die energetische Modernisierung des Bestands, die teils sehr kostspielig ist. Die Lösung: Neubau und Sanierung mit System.

Trotz hohen Bedarfs ist die allgemeine Lage schwierig. Frank-Thomas Kronsbein, Produktmanager Wohngebäude beim Bau- und Dienstleistungsunternehmen Goldbeck, kennt die Auswirkungen, die sich aus der herausfordernden Situation ergeben: „Gerade private Investoren halten sich aktuell zurück und fokussieren andere Investments.“ Dabei ist der Bedarf dramatisch: „Jedes Jahr werden hunderttausende Wohnungen zu wenig geschaffen“, so der Experte. Dennoch: „Gleichzeitig spezialisieren sich Projektentwickler auf die Neuentwicklung stillgelegter Projekte, um diese dann unter geänderten Rahmenbedingungen wieder auf den Markt zu bringen.“

Für das vergangene Jahr hatte die Bundesregierung den Bau von 400.000 Wohnungen angesteuert – gebaut wurden aber nur rund 295.000. Aktuelle Schätzungen sprechen sogar von einem Bedarf an 700.000 Wohnungen pro Jahr, um eine dramatische Lage am Wohnungsmarkt abzuwenden. Kronsbein betont: „Dabei ist insbesondere der Bedarf an günstigem Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen enorm.“ Gleichzeitig beobachtet Kronsbein auch einen Mangel an architektonisch hochwertigen Miet- und Eigentumswohnungen im mittelpreisigen Segment. „Wer früher ein Einfamilienhaus baute, kauft heute eher eine Wohnung in der Stadt – die soll in Funktionalität und Architektur überzeugen.“ Zudem sei auch die Schaffung dezentraler Unterbringungsmöglichkeiten für geflüchtete Menschen weiter notwendig.

Ein starkes Duo für mehr Wohnungen

Der Bedarf ist hoch, die allgemeinen Rahmenbedingungen schwierig: Chancen sehen Frank-Thomas Kronsbein und Matthias Föllenz, Produktmanager Bauen im Bestand bei Goldbeck, in der klugen Kombination zweier Ansätze. „Der skizzierte hohe Bedarf an Wohnraum für unterschiedliche Bedarfe kann nur mit zwei Instrumenten gedeckt werden: Dem Neubau und der Modernisierung bzw. Sanierung und Nachverdichtung vorhandener Wohnungen und Quartiere“, erklärt Föllenz. Und: „Beides muss die Vorteile des prozessorientierten Bauens nutzen. Nur dann wird das notwendige Tempo im Wohnungsbau und bei Sanierungen erreicht.“ 

„Die eigene Fertigung ist zentrales Element unseres Neubaugeschäfts: Da wir einen Großteil unserer Elemente in eigenen Werken vorfertigen, sind wir unabhängiger von äußeren Einflüssen. Projekte realisieren wir so wirtschaftlich, schnell und nachhaltig bei passgenauer Funktionalität“, so Kronsbein. „Dieser Ansatz funktioniert im Neubau genauso wie im Bestand“, ergänzt Föllenz. Für den Neubau im Mietgeschossbau verzeichnet das Unternehmen Aufträge mit insgesamt rund 3.000 Wohneinheiten. Bei der Revitalisierung greift Goldbeck auf die Erfahrung von mehr als 200 Projekten zurück.

Es muss nicht immer neu sein

Patrick Möller, Geschäftsführer der Goldbeck Technical Solutions GmbH, weiß, dass nicht immer komplett neue Bauelemente notwendig sind, sondern auch kleine Umbaumaßnahmen große Wirkung erzielen: „Systematische Blocksanierungen oder kleinere Um- und Ausbauten steigern den Wohnkomfort sowie den Wert einer Immobilie schon spürbar“, betont er. „Wir müssen den bestehenden Wohnraum ebenso mitdenken, wie bisher anderweitig genutzte Flächen. Umstrukturierungen und der gezielte Innenausbau schaffen neue Nutzungsmöglichkeiten. Mit technischen Sanierungsleistungen revitalisieren und modernisieren wir Bestandsimmobilien.“  

„Die Weiternutzung vorhandener Bausubstanz birgt großes Potenzial“, sagt auch Föllenz. Die Sanierung bestehender Objekte zahlt auf das Ziel der Bundesregierung ein, die Versiegelung neuer Flächen bis 2050 auf null zu senken. Und: „Oft können ganze Bauteile weiterverwendet werden und müssen so nicht aufwendig hergestellt, transportiert und eingebaut werden. Welche Bauteile weiter genutzt werden können, hängt davon ab, ob ihre Qualität zu späteren Anforderungen passt.“ Bei Sanierungsvorhaben können zudem die Grundrisse eines Gebäudes so optimiert werden, dass sie zu den Bedürfnissen der künftigen Bewohnerinnen und Bewohner passen. Untersuchungen von Goldbeck haben gezeigt: Bei Revitalisierungsmaßnahmen können bis zu 51 Prozent CO2 eingespart werden. „Außerdem können wir bei Sanierungsmaßnahmen die richtigen Hebel für einen energiesparenden späteren Betrieb setzen“, so Föllenz.

Sanieren mit Weitblick

„Für einen möglichst nachhaltigen Innenausbau bedarf es neben dem Erhalt und der Weiterverwendung von Bausubstanz zusätzlich kluger, ganzheitlicher Konzepte, die nicht nur kurzfristig, sondern auch mit Weitblick über die nächsten Nutzungsphasen hinausgehen. An vielen Stellen ist ein Umdenken erforderlich, um sowohl attraktive sowie wirtschaftliche und zugleich ökologisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen“, erklärt Möller. „Das beginnt bei einer nachhaltigen Flächenplanung, die bestehende Raumstrukturen berücksichtigt und somit den Materialeinsatz optimieren kann und in der Nutzung energiesparend ist. Aber auch ‚Cradle to Cradle‘-Ansätze, bei denen es darum geht, rückgebaute Materialien wieder in den Kreislauf zu geben, verfolgen wir.“

Individualität und System: beim Sanieren kein Widerspruch

Sanierungen können im Vergleich zu Abriss und Neubau häufig schneller durchgeführt werden. Wird die sanierte Immobilie genau wie das ursprüngliche Gebäude genutzt, muss kein neues Baurecht geschaffen werden – das spart Zeit und Kosten. „Bei jeder Sanierung kommt es jedoch auf die ausführliche Arbeitsvorbereitung an, damit es im Baubetrieb nicht zu unangenehmen Überraschungen kommt“, betont Föllenz. „Das ist der Kern der Systematisierung: Bei Goldbeck haben wir alle Prozesse von der Erstbegehung bis zur Schlüsselübergabe systematisiert. So müssen wir nicht jede Revitalisierungsmaßnahme von Grund auf neu denken, denn viele Schritte sind ähnlich. Das führt zu kürzeren Bauzeiten und minimiert Kosten wie Risiken.“

„Der Neubau sowie die Bestandsmodernisierung und -erweiterung sind Teil der Lösung“, resümiert Kronsbein. Auch die Aufstockung von Bestandsimmobilien dient der Schaffung neuen Wohnraums. Sowohl neue Wohngebäude als auch die Modernisierung des Bestands bergen Chancen zur Verringerung von Energiekosten und CO2-Emissionen. „Oft ist die optimale Lösung eine Kombination aus beidem, zum Beispiel, wenn ein ganzes Quartier weiterentwickelt wird“, so Föllenz. Um die Klimaschutzziele in Deutschland zu erreichen, spielen bestehende Ressourcen eine zentrale Rolle: „Wir haben in Deutschland einen sehr großen Wohnungsbestand, der jetzt fit für die Zukunft gemacht werden muss“, betont Föllenz. Wesentlicher Faktor bei allen Maßnahmen ist die Zeit: Sowohl bei Maßnahmen gegen den Klimawandel als auch bei der Schaffung von Wohnraum. Der systematisierte, prozessorientierte Ansatz bietet große Chancen für beide Herausforderungen.

x

Thematisch passende Artikel:

BFW: SPD bremst Schaffung von bezahlbarem Wohnraum aus

„Die Pläne der SPD verschlimmern ein erwiesenermaßen kontraproduktives Gesetz“, kritisiert BFW-Präsident Andreas Ibel den Vorstoß der SPD-Bundestagsfraktion zur Verschärfung der...

mehr

Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“: Parteiprogramme machen Bogen um Mangel

Vier Wochen vor der Bundestagswahl – ernüchternder Blick in die Wahlprogramme der Parteien in Sachen Wohnungsbau: Keine Partei würde die Probleme des bestehenden Wohnungsmangels und explodierender...

mehr
Ausgabe 05/2010

Modernisierung schafft attraktiven Wohnraum

Eine der größten architektonischen He­­raus­forderun­gen der Zukunft liegt in Deutschland in der ökono­misch und ökologisch nachhaltigen Modernisierung der großen Wohnungsbestände in...

mehr

Wohnungsbautag in Berlin: Deutschland am „Miet-Limit“ – Einkommen reicht für immer weniger Wohnfläche

Wohnungsmangel durchdringt Deutschland: Die neue Wohnungsknappheit ist mittlerweile in 138 Städten und Kreisen angekommen – in einem Drittel der Kommunen. Hier steht die „Wohnungs-Ampel“ auf Hell-...

mehr
Ausgabe 11/2010 Länderdaten Wohnraumförderung

Neue Datenbasis zur Wohnraumförderung

Im Zuge der Föderalismusreform 2006 sind u.a. die bis dahin üblichen Berichte der Länder an den Bund und die amtliche Statistik gemäß §§ 41, 42 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung...

mehr