Denkmalschutz

Luftschleieranlage für „Wirtschaftswunder“

Die „Alte Kongresshalle“ an der Münchner Theresienwiese ist ein architektonisches Kleinod aus der Wirtschaftswunderzeit. Um den prägenden innenarchitektonischen Charakter des Foyers zu bewahren, hat Systemair für den Eingangsbereich projektbezogen eine sämtliche Außentüren überspannende Luftschleieranlage entwickelt – im bauzeittypischen Design mit einer Verkleidung aus poliertem Messing.

Als die „Alte Kongresshalle“ 1953 eröffnet wurde, waren die Architekturkritiker voll des Lobes über den neuen Kongressbau. Es sei eine „aus Ort, Zweck und Aufgabe geborene Ideallösung“, die „über die sachliche Zweckfunktion hinaus keine repräsen­tativen Pflichten erfüllt“. Es grüßt der Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe. Mittlerweile steht das Gebäude als viel beachtetes Zeugnis retrofuturistischer Baukunst unter Denkmalschutz. Denn das 2007 umfassend entlang der ursprünglichen Pläne der Architekten Etzold, Strobl und Freymuth durch die Stiftung Edith-Haberland-Wagner (ehw) restaurierte und sanierte Objekt atmet in seiner Formensprache und Ausstattung wie kaum ein anderes den Geist der Wirtschaftswunderzeit.

Für Architekt Dipl.-Ing. Michael Freyer von der Stiftung ehw bedeutet das aber gleichzeitig eine permanente, nahezu täglich neue Herausforderung. Denn jede Veränderung am Baukörper oder an der Technischen Ausstattung der Alten Kongresshalle muss über die funktionalen Aufgaben hinaus gleichzeitig klar definierten ästhetischen Ansprüchen genügen – selbst, wenn sie für die Nutzung als histo­rische Location kultureller und gesellschaftlicher Veranstal­tungen unverzichtbar ist: „Fast schon exemplarisch dafür steht die neue Luftschleieranlage, mit der wir den weit öffnenden Eingangs- und den nicht minder großzügigen Empfangsbereich im Inneren thermisch konditionieren. Ursprünglich übernahm diese Funktion eine im Boden eingelassene Quelllüftung, die aber nicht mehr den aktuellen Komfort- und Effizienzanforderungen gerecht wurde.“

Insbesondere, weil der Windfang mit den großflächig verglasten Flügeltüren aus anthrazit-farbigem Stahlrahmen und Messingbeschlägen nach Norden ausgerichtet ist - also neben der Strömungsdynamik als solcher ein permanent spürbarer Kaltlufteintrag ausgeglichen werden muss. Dies gilt vor allem, wenn beispielsweise im Foyer der „Alten Kongresshalle“ Stehempfänge durchgeführt werden, sich die Gäste dadurch ständig im Einflussbereich von Zugluft befinden.

Historische Architektur als Maßstab

Als anerkannten Stand der Technik anstelle der Quellluftauslässe im Boden eine Luftschleieranlage zu installieren, wie sie in anderen Zweckobjekten gängige Praxis ist, lag nahe. Allein: Die „Alte Kongresshalle“ ist historisches Zentrum der ursprünglichen Messe München, kein schnödes Warenhaus, und die in seltener geometrischer Klarheit gestaltete Türenanlage zum Foyer kein simpler Durchgang, sondern eine fast schon sinnliche Erfahrung.

In enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller Systemair präsentierten die Lüftungsspezialisten der W. Kalmbach GmbH & Co. KG aus Egenburg Architekt Freyer stattdessen eine den kompletten Türenbereich wie ein Tor umfassende Luftschleier-Sonderkonstruktion, die alle wesentlichen Gestaltungselemente des geschichtsträchtigen Umfeldes aufnimmt – und als dreigliedrig konzipierte Anlage mit einer Luftleistung von 7.400 m³ dennoch die geforderte Abschirmung des Foyers gegen eindringende Kaltluft inklusive thermischer Konditionierung selbst bei hohen Temperaturdifferenzen zwischen Innen und Außen sicherstellt.

Senior-Chef Wolfgang Kalmbach: „Eine Luftschleieranlage in dieser Größenordnung auszulegen, gehört für uns als spezialisiertes Fachhandwerksunternehmen zwar zum Tagesgeschäft. Sie aber gleichzeitig möglichst perfekt in ein derart anspruchsvolles Umfeld zu integrieren, war etwas ganz anderes.“

Denn die ursprünglichen Ansätze, die drei Doppeltüren lediglich mit je zwei seitlich angeordneten vertikalen Luftschleiern abzuschirmen, wurde ebenso schnell verworfen wie ein den gesamten Eingangsbereich überspannender Luftschleier. Architekt Freyer legte im Sinne des Denkmalschutzes ein Veto ein: „Beide Varianten hätten den Vorraum optisch stark eingeengt, also den licht-offenen Charakter gestört. Zudem wären bei vertikalen Luftschleiersäulen die Verbindungen zwischen den Türen nicht mehr frei zu begehen; der Eingangsbereich hätte also auch noch deutliche funktionale Einschränkungen erfahren.“ Beides war inakzeptabel; die Aufgabenstellung lag neu auf dem Tisch.

Aufgelöst wurde sie letztlich durch einen von Systemair realisierten, komplett aus poliertem Messing ausgeführten Luftschleier als „Torbogen“, der stützenfrei sämtliche Türen überspannt. Peter Mantovan, im Technischen Außendienst des Herstellers tätig, beschreibt die Technik hinter dieser „50er-Jahre-Kulisse“: „Im Kern handelt es sich bei der Luftschleieranlage um eine kundenspezifisch weiterentwickelte Variante der Systemair-Serie ,Oval eco EC‘. Der Luftschleier ist also dank EC-Motoren energieeffizient und bedarfsgerecht drehzahlgeregelt. Zudem bietet er durch die integrierte 90°-Luftumlenkung bzw. die 180°-Luftführung hinreichend Spielraum, die Luftströme exakt an die Anforderungen vor Ort anzupassen.“

Das Besondere ist in diesem Falle aber zum einen die Kombination aus drei solcher Oval-Luftschleieranlagen mit zwei konstruktiv abgestimmten „Dummies“. Dadurch wird die notwendige Baulänge erreicht, gleichzeitig aber verhindert, dass verwirbelnd-störende Luftströme außerhalb der Türen entstehen. Zum anderen wurde das komplette Gehäuse der Luftschleieranlage von Systemair auftragsbezogen aus poliertem Messingblech angefertigt. „So gelang ein perfektes Match mit den bauzeit-typischen, originalen Messingbeschlägen und -applikationen an den Pendeltüren und im Foyer“, freut sich Kalmbach-Projektleiter Peter Schuster, „ohne auf Leistungsmerkmale wie die Heizleistung von etwa 36 kW bzw. Kühlleistung von rund 20 kW verzichten zu müssen - in beiden Fällen zudem bei kaum wahrnehmbaren Luftströmungen, die von Nutzern ansonsten schnell als unkomfortabel empfunden würden.“

Erzeugt wird die benötigte Heizenergie dabei aktuell noch über einen Gaskessel; die Temperaturspreizung liegt bei 60/40 °C Vorlauf/Rücklauf. Perspektivisch soll der fossile Wärmeerzeuger durch eine Anbindung an regenerativ erzeugte Fernwärme ersetzt werden. Muss der Eingangsbereich gekühlt werden, geschieht dies über einen Kaltwassersatz mit einer Temperaturspreizung von 6/12 °C.

Gesamtkonzept jetzt abgerundet

Die wie ein Torbogen gestaltete Oval-Luftschleieranlage stellt jetzt im Übrigen fast schon das „i-Tüpfelchen“ auf einem durchmodernisierten Gesamtlüftungskonzept dar, das die komplette „Alte Kongresshalle“ umfasst: Aufbauend auf dem in den 50er-Jahren baulich gesetzten Konzept sorgt Lufttechnik sowohl im 500 m² großen Saal wie in der 265 m² großen Eingangshalle mit ausladender Galerie für ein angenehmes Raumklima. Dafür musste unter anderem der Keller des Gebäudes komplett umgebaut werden, um anstelle der Druckkammern Platz für zwei neue RLT-Lüftungsanlagen zu schaffen.

Was für den Besucher erkennbar geblieben ist, ist beispielsweise im Saal die neue Zuluftführung über Düsen in der Decke, anstelle der ursprünglichen Variante durch Gitter unterhalb der Bühne. Auf der Galerie der Eingangshalle wiederum finden sich die ursprünglichen Weitwurfdüsen, die trotz geringer Strömungsgeschwindigkeit den gesamten Raum abdecken. Die Absaugung erfolgt hier über einen neu installierten Lochboden.

Für Architekt Dipl.-Ing. Freyer ein jetzt durch die Luftschleieranlage in jeder Hinsicht stimmiges haustechnisches Gesamtkonzept: „Durch die projektbezogen individuelle Herangehensweise haben wir es mittlerweile geschafft, nahezu die gesamte technische Gebäudeausrüstung sukzessive zeitgemäß zu erneuern, insbesondere unter energetischen wie nutzerorientierten Aspekten. Gleichzeitig ist es uns aber gelungen, diese Technik harmonisch in Einklang zu bringen mit dem Anfang der 50er-Jahre entwickelten Architekturkonzept. Das Ergebnis rechtfertigt also auf jeden Fall den höheren Planungs- und Abstimmungsaufwand, der in der Praxis jedoch durch die enge Zusammenarbeit von Stiftung, Fachplanern, ausführenden Fachhandwerksunternehmen und Systemair als spezialisiertem Hersteller wieder deutlich erleichtert wurde.“

Die „Alte Kongresshalle“

Die „Alte Kongresshalle“ gehört zu den noch im Original erhaltenen Bau­werken des alten Messegeländes auf der Theresienhöhe. Als größte Halle dieser Art wurde sie 1952/53 von den Architekten Etzold, Strobl und Freymuth und diente bis 1998 als Veranstaltungszentrum der Messe München.

Nach der denkmalgerechten Restaurierung und Sanierung des Baus durch
die Stiftung konnte die Kongresshalle im neuen, alten Design mit modernster Technik 2007 wiedereröffnet werden. Seitdem wird sie für kulturelle und ge-
sellschaftliche Veranstal­tungen im öffentlichen wie privaten Bereich genutzt. Neben dem Saal mit Empore, eine Bühne mit direktem Zugang zu einem Seitenflügel-Séparée und der Galerie der Eingangs­halle steht dafür auch der freigelegte Innenhof mit Neubepflanzung gemäß der ursprünglichen Planung aus den 50er Jahren zur Verfügung. (Quelle: Edith-Haberland-Wagner-Stiftung)

Weitere Infos unter altekongresshalle.de

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