Moderne Lernlandschaft

Klasse gemacht: Schule saniert und erweitert

Mit Einführung der gymnasialen Oberstufe beabsichtigte die schleswig-holsteinische Gemeinde Rellingen die Sanierung und den Umbau der Bestandsbauten sowie eine Erweiterung von Unterrichtsflächen für die Caspar-Voght-Schule im Ortsteil Egenbüttel. Geplant wurde eine moderne „Schule für alle“ – die Baumaßnahmen sollten als übergeordnetes Ziel auch eine einheitliche Architektur bewirken.

Die Caspar-Voght-Schule in Rellingen aus den 1960er bis 1970er Jahren stellte mit Grund- und Gemeinschaftsschule sowie den über die Zeit entstandenen Gebäudeteilen ein nicht zusammenhängendes Konglomerat unterschiedlicher Baukörper ohne zentrales Herzstück dar. Die Gebäudestruktur war zudem veraltet und trotz einiger Sanierungen in den letzten Jahrzehnten nicht mehr zeitgemäß. Jetzt hat man es geschafft, das Gebäude-Ensemble zu einer Einheit zusammenzuführen, Sanierung und Erweiterung haben sich gelohnt. 

Eine Schule für alle

Mit Einführung der gymnasialen Oberstufe bereits im Jahr 2016 und der daraus resultierenden Notwendigkeit einer Erweiterung nutzte die Gemeinde Rellingen die Chance, die bestehenden Gebäude zu modernisieren und über ein neues Zentrum zu einem modernen Schul-Ensemble zusammenzuführen.

Die Schule sollte durch das beschriebene Bauvorhaben um Unterrichtsräume für die Oberstufe ergänzt werden. Zudem plante man, die bestehende Gemeinschaftsschule zu sanieren und um ein bis zwei Züge zu erweitern. Davor mussten jedoch Abbruchmaßnahmen und Interimslösungen koordiniert werden.

Problematischer Bestand

Innen waren die bestehenden Bauten klassisch der typischen Bauweise der 1970er Jahre gestaltet. Problematisch waren die Gebäude auf dem rund 35.000 Quadratmeter großen Gelände in Bezug auf den Brandschutz und die inzwischen sehr veraltete technische Ausrüstung. Optisch waren die Bauten ebenfalls sehr in die Jahre gekommen.

Verantwortlich für die innovative Planung des vielschichtigen Bauvorhabens, die im Jahr 2017 startete, ist die pbr Planungsbüro Rohling AG aus Osnabrück, die Projektleitung übernahm Dipl. Ing. Christian Roestel, Leiter der Architekturabteilung am Standort Hamburg. Das Team von pbr legte die gesamte Planung auf eine ressourcenschonende Bau- und Betriebsweise aus.

Bauablauf im Rotationsprinzip

Der ursprüngliche Rahmenterminplan für die Umbauten und auch für die Erweiterung der Schule sah zunächst eine Bauzeit von anderthalb Jahren vor. Das hatte zur Konsequenz, dass die Umbauten in der Grundschule und der Gemeinschaftsschule sowie der Erweiterungsneubau nahezu zeitgleich umgesetzt werden mussten. „Die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen in der Grundschule waren im Wesentlichen von punktuellen Optimierungen und Instandsetzungen geprägt. Energetische Hüllflächensanierungen waren nur in sehr begrenztem Umfang vorgesehen.“ so Christian Roestel.

Umbauten in der Grundschule

Um die Belastung der Schülerschaft während der Bauphase in Grenzen halten zu können, wurden die Arbeiten für die Grundschule in vier Bauabschnitte aufgeteilt. Nacheinander ging man einen Bauabschnitt nach dem anderen im Rotationsprinzip an.

Umbauten in der Gemeinschaftsschule

Die Umbauten und Modernisierungen in der Gemeinschaftsschule begannen wie geplant im Sommer 2019.

Erweiterungsneubau

Zeitgleich nahm man die Arbeiten an dem Erweiterungsneubau mit Aula, Mensa, Verwaltung, Fachräumen und Unterrichtsräumen für die Oberstufe in Angriff.

Der Schulbetrieb sollte während der Bauarbeiten aufrecht erhalten bleiben, die ersten Klassen der bereits eingeführten Oberstufe zudem in der Zeit unterrichtet werden. Um das zu ermöglichen, hat man vor Baustart vier mobile Containeranlagen errichtet, eine für die Grundschule, zwei für die Mittel- und Oberstufe und eine für die Verwaltung, deren Flachbau im Osten der Gemeinschaftsschule dem Neubau hatte weichen müssen. Die Bauarbeiten selbst begannen im Februar 2019 mit dem Abriss des der Schule vorgelagerten Flachdachgebäudes, der bisherigen Verwaltung und des Fahrradunterstandes.

Direkt nach Baubeginn der Neubauarbeiten kam es zu unvorhergesehenen Verzögerungen, da man während der Aushubarbeiten durch den Fund alter Öltanks und durch die entsprechende Entsorgung einen Zeitverzug in Kauf nehmen musste. Aus diesem Grund änderte man den ursprünglichen Ablaufplan und startete statt mit dem unterkellerten sogenannten Kopfbau, der Mensa und Fachräume enthält, mit dem Bau des Neubauriegels, der die Verwaltung und Unterrichtsräume beinhaltet.

Neuer Kubus

Die Gemeinschaftsschule wurde zunächst um einen neuen „Kubus mit Fuge“ - den Kopfbau - erweitert und fügt sich so gestalterisch in den Bestand aus vier gereihter solcher Kuben ein. Diese Erweiterung der Gemeinschaftsschule nimmt jetzt neben der Mensa im Erd- und dem separaten Speisesaal für die Grundschüler im Obergeschoss, Fachräume für Kunst und DaZ (Deutsch als Zweitsprache) auf. Durch das neue Gebäudeensemble wird eine klare Gebäudekubatur mit zentralem Eingang entlang des Schulwegs geschaffen.

Zwei dreigeschossige Neubauten vor den

Gebäudebestand gesetzt

Der Bereich „Neubau“ teilte sich auf in mehrere verknüpfte Einheiten:

- Kopfbau mit Mensa und Fachräumen

- Aula (mit Membrandach)

- Neubauriegel mit Verwaltung und Unterrichtsräumen

Die Gebäude sind aus Stahlbeton-Stützen, tragendem Mauerwerk und Ortbetondecken konstruiert und wurden vor die Bestandsbauten gesetzt. Im Neubauriegel wurde jetzt die neue Verwaltung im Erdgeschoss einquartiert. In den beiden Obergeschossen sind nun die Unterrichtsräume der Mittel- und Oberstufe untergebracht.

„Die einfache Gebäudeform der Neubauten begünstigte eine wirtschaftliche Bauweise“, erläutert Projektleiter Dipl. Ing. Christian Roestel. „Den neu geplanten Baukörpern liegt ein regelmäßiges Konstruktionsraster zugrunde. Das ursprüngliche Entwurfskonzept hat sich über die gesamte Planungs- und Bauphase als robust und auch verschiedenen geänderten Anforderungen während des Planungsfortschritts als gewachsen erwiesen.“

So konnte das vorgeschlagene Gebäudeensemble auch die deutliche Erhöhung der Mensa-Kapazitäten und den Tausch eines ganzen Geschosses in der Zuordnung der Nutzungen kompensieren.

Der Klassiker auch für den Neubau: Rotes Klinkermauerwerk

Die einzelnen Schulbereiche blieben durchgängig klar gegliedert und ablesbar. Die räumlich nahen Freibereiche und Pausenflächen wurden der jeweiligen Schulform zugeordnet. Die gesamte Schuleinrichtung bekam eine neue Adresse, einen neuen Hauptzugang und insgesamt ein neues Gesicht.

Nicht nur in Höhe und Dimensionierung orientieren sich die neuen Gebäude am Bestand, sondern auch in ihrer äußeren Erscheinung. Rotes Klinkermauerwerk prägt das Erscheinungsbild und steht für die Werthaltigkeit des Gebäudes. Fensterbänder mit anthrazitfarbenen Blindfeldern gliedern die neuen Baukörper im Rhythmus der Geschosse. Über Filtermauerwerk im Bereich der Treppenhausfenster, ein Thema, das als Klinkerkunst an anderen Stellen der Fassade wieder aufgenommen wird, werden weitere Akzente im Fassadenbild gesetzt.

Äußere und innere Erschließung und Funktionalität – neuer Eingang

Im Bereich der jetzigen Verwaltung wurde von den Planern durch geschickten Eingriff in den Bestand nun ein neuer Zentraler Eingangsbereich mit Mensa und Aula angeordnet. Die bestehenden Zugänge zur Grundschule blieben erhalten und werden für die Erschließung zu Bring- und Abholzeiten weiterhin genutzt. Die Nutzung der Feuerwehrzufahrt bleibt auch weiterhin gewährleistet. Während der Unterrichtszeiten erfolgt der Zugang zur Gemeinschaftsschule ausschließlich über den kontrollierten neuen Haupteingang. Dieser neue Eingang fungiert als Verteiler zu den verschiedenen Schulbereichen. Alle Bereiche wie Verwaltung, Klassentrakte und Fachräume sind leicht auffindbar und auf kurzem Wege miteinander verbunden.

Der Neubauriegel hat an jedem Ende ein Fluchttreppenhaus, dass direkt ins Freie führt. Der Kubus/Kopfbau ist an den zentralen Flur des bestehenden Klassenriegels mit seinen Treppenhäusern angeschlossen. In der Fuge zwischen Bestand und Neubau ist ein weiteres Treppenhaus angeordnet, das bis ins Untergeschoss führt. Der Rettungsweg verläuft im Untergeschoss zu einem Aufgang der direkt neben dem Haupteingang ins Freie führt. Die Erschließung des Gebäudes ist barrierefrei.

Konstruktion und Materialität

Die Erweiterung der bestehenden Kubenreihe des Klassentraktes der Gemeinschaftsschule um einen weiteren Kubus, die Fortführung des eingeschossigen Fachtraktes der Gemeinschaftsschule bis an den Schulweg heran und die Ausformung des Neubauriegels in den gleichen Dimensionen wie der Neubau-Kubus erscheinen städtebaulich zwingend, Die Gemeinschaftsschule wirkt nun „fertig“ gebaut - vollendet.

An den Treppenhäusern werden die Klinkerflächen in Filtermauerwerk aufgelöst, ein Motiv, das an anderer Stelle als Klinkerkunst wieder auftaucht.

Innenräume – Farbig und fröhlich

Für die Neubau-Anteile des Ensembles wurde von den pbr Architekten ein Farbkonzept entwickelt. Die langen Flure der Schule sind jetzt durch zurückgesetzte Nischen aufgelockert, die Raumzugänge wurden farbig markiert betont. Dabei hat man stark gesättigte Farben kontrastreich in den Türnischen der Flure sowie in den Schranknischen der Klassenräume eingesetzt.

Raumbedarf

Die notwendige Ausweitung der Nachmittagsbetreuung für Grundschüler ergab einen neuen Raumbedarf für die Grundschule. Durch das Auslagern der FÖZ-Räume hat man diese erforderlichen Räumlichkeiten schaffen können. Somit wurde kein direkter Anbau an die Grundschule notwendig. Der Raumbedarf der Gemeinschaftsschule wird durch den oben beschriebenen Anbau bzw. dem neuen dreigeschossigen Oberstufengebäude mit Verwaltung verwirklicht.

Neues Herzstück und ein Membrandach für die Aula

Der lichtdurchflutete Eingangsbereich beherbergt jetzt das neue Herzstück des Schulensembles, die Aula. Sie ermöglicht als Verteilzone den Zugang zu allen Schulbereichen. Eine nicht nur optisch herausragende Membrankonstruktion überdacht das Atrium der Aula. Hier entstand durch eine überspannte Fläche von 8,5 m x 18,25 m optimale Belichtung. Das Dach besteht aus sechs rechteckigen pneumatischen Elementen, als Mehrkammersystem realisiert. Akzentuiert eingesetzte hölzerne Akustikverkleidungen, Holzparkett im Bühnenbereich sowie vereinzelte Sitzbänke aus Eichenholz im Bühnenvorbereich setzen warme Akzente im zentralen Schulbereich. 

Die Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahmen der Caspar-Voght-Schule konnten im August 2021 fertiggestellt werden. Sie stellten das größte Bauprojekt der Gemeinde Rellingen der vergangenen Jahrzehnte dar. Die Gemeinde-Verantwortlichen reagieren damit auf den gestiegenen Bedarf an Schulplätzen und positionieren sich mit ihrer Entscheidung, die vorhandene Schule zu erweitern, gleichzeitig auch für eine Stärkung der städtischen Lage.

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