Herausforderung und Chance für Aufzugsbetreiber
Die Deutsche Telekom schickt das 2G/GSM-Netz im Sommer 2028 endgültig in den Ruhestand. Was für Mobilfunknutzer ein Zeichen des Fortschritts bedeutet, ist für Betreiber von Aufzugsanlagen ein Weckruf zur Modernisierung. Denn zahlreiche Notrufsysteme in Aufzügen sind noch immer auf die über drei Jahrzehnte alte 2G-Technologie angewiesen.
Mit der Abschaltung des Netzes wird eine Aufrüstung auf gängige Verbindungsstandards erforderlich, damit der Notruf weiterhin funktioniert. Ein rund um die Uhr funktionierendes 2-Wege-Kommunikationssystem zählt gemäß der technischen Regel für Betriebssicherheit TRBS 3121 zu den sogenannten Betreiberpflichten und ist Voraussetzung dafür, dass der Aufzug überhaupt benutzt werden darf. Die 2G-Abschaltung ist damit eine Herausforderung, aber vor allem eine Chance, die Anlage ins digitale Zeitalter zu überführen und sich damit sinnvolle Innovationen zunutze zu machen. Damit sind Betreiber verpflichtet, ihre Systeme auf neue Mobilfunkstandards umzustellen, bevor das aktuell verwendete Mobilfunknetz abgeschaltet wird.
Warum Handlungsbedarf besteht
In Sachen Digitalisierung gibt es im Bereich der Aufzugsanlagen noch Nachholbedarf. So beträgt etwa der durchschnittliche Zeitraum, bis eine Aufzugsstörung gemeldet wird, bei konventionellen Anlagen aktuell rund drei Stunden. In Einzelfällen kann es aber auch länger dauern.
Manche Wohnungsgesellschaften erlauben es Mietern zwar, Störungen selbst direkt zu melden, die meisten tun dies jedoch nicht. So kommt es häufig vor, dass eine abends bei der Wohnungsgesellschaft eingegangene Störungsmeldung erst am darauffolgenden Tag bearbeitet wird. Dies kann den Stillstand erheblich verlängern.
In dieser Zeit kann der Aufzug nicht genutzt werden, was erhebliche Nachteile für den Betreiber haben kann: Die reduzierte Mobilität von Nutzern mit körperlichen Einschränkungen, Beschwerden unzufriedener Mieter, Umsatzrückgänge in Shoppingcentern oder Imageschäden bei Wohn- und Gewerbeimmobilien.
Es gibt auch Fälle, in denen die Störung während der Bearbeitungsdauer bereits wieder behoben ist, sodass der Besuch eines Technikers überflüssige Kosten verursacht.
Remote-Monitoring in Echtzeit
Das sind Situationen, die sich mit der Digitalisierung bestehender Aufzugsanlagen über die bloße Umstellung der Notruftechnik hinaus effektiv vermeiden lassen. Noch weiter gehen die Möglichkeiten mit dem sogenannten Remote Monitoring. Schon wenn die dafür eingesetzten Sensoren Auffälligkeiten im Betrieb feststellen, kann ein Techniker oder eine Technikerin gezielt die richtigen Maßnahmen einleiten, ohne dass es zum Stillstand kommt. Diese Lösung steigert die Verfügbarkeit von Aufzügen, darüber hinaus automatisiert sie viele Wartungs- und Instandsetzungsprozesse. Die Mehrheit der Neuanlagen ist bereits mit umfangreichen digitalen Möglichkeiten ausgestattet, die die Betreiber über ihre Wartungsfirma nutzen können. Bestandsanlagen lassen sich im Zuge der 2G-Umstellung problemlos digital aufrüsten.
Mit dem Remote Monitoring ist der Experte praktisch 24/7 vor Ort. Die digitale Aufzugssteuerung überträgt die Anzahl der Türöffnungen pro Etage, Statusmeldungen, Warnungen, Störungen, Verschleißdaten, Service-Bedarf und andere Informationen direkt an eine technische Leitwarte, bei großen Wartungsfirmen, zum Beispiel Technical Operations Center genannt, die entsprechend darauf reagieren und direkt Maßnahmen einleiten – oder mit der digitalen Fernentstörung sogar selbst umsetzen kann.
Fehlerbehebung per Digitaler Fernentstörung
Dieses Verfahren führt in vielen Fällen bereits zur Fehlerbehebung, ohne dass sich ein Techniker auf den Weg machen muss. Erweist sich der Einsatz eines Technikers als erforderlich, beanspruchen die Reparaturen weniger Zeit, da er auf dem Weg zum Einsatzort detaillierte Informationen über die Ursache erhält. Zudem sucht er die Fehlerquelle vor Ort zielgerichtet und kann die Anlage schneller instandsetzen.
Die permanente Überwachung des Aufzugs erlaubt es außerdem, den individuellen Verschleiß der Anlage zu messen. Entsprechend können Inspektionsbesuche daraufhin angepasst werden. Der Techniker kann sich vorbereiten und die benötigten Ersatzteile rechtzeitig beschaffen. Anschließend bewertet er die Vorschläge des Systems. Mit diesem wichtigen Feedback aus tausenden Einsätzen erhöht sich die Intelligenz des Systems Tag für Tag.
Digitale Personenbefreiung
Eine weitere wichtige Funktion, die eine Digitalisierung der Aufzugsanlage erschließt, ist die digitale Personenbefreiung. Eingeschlossene Personen in einem defekten Aufzug – das ist auch aus Sicht des Betreibers kein wünschenswertes Szenario. Mittels digitaler Steuerung können solche Situationen deutlich entschärft werden: Hier wird die Fehlermeldung unverzüglich an die Wartungsfirma übertragen, die die Ursache in vielen Fällen über eine 4G-Internetverbindung beheben kann.
Anstatt im Schnitt 30 Minuten oder mehr auf die Befreiung warten zu müssen, werden eingeschlossene Personen in vielen Fällen bereits innerhalb von nur fünf Minuten befreit. Zudem ist der Aufzug danach oft sofort wieder betriebsbereit. Das reduziert Ausfallzeiten, erhöht die Sicherheit sowie den Nutzungskomfort erheblich.
Cyber-GBU für maximale Sicherheit
Ein gelegentlich geäußerter Einwand in puncto Digitalisierung von Aufzügen ist das Thema Cybersicherheit. Um Risiken in diesem Bereich auf ein Minimum zu reduzieren, fordert die technische Regel zur Betriebssicherheit TRBS 1115-1 von Betreibern ihre Anlagen auf Cybersicherheit zu bewerten. Hersteller wie Schindler Deutschland bieten ihren Kunden eine Bewertung inklusive der Überprüfung der Cybersicherheit (Cyber-GBU) der Anlagen an.
Diese Dienstleistung enthält eine umfassende Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf mögliche Risiken durch potenzielle Cyberbedrohungen. Die Experten erstellen zusätzlich, wenn nötig, einen Maßnahmenplan, der auf den optimalen Schutz der Anlage abzielt. Anlagen, die jetzt im Zuge der 2G-Umstellung digital nachgerüstet werden, sind bereits bestmöglich gegen Cyber-Gefahren geschützt. Die Vorlage einer Cyber-GBU ist dennoch gesetzlich verpflichtend und kann im Zuge der Umrüstung mit erstellt werden.
Auch nicht-digitale Aufzüge zur Cyber-GBU verpflichtet
Wichtig zu wissen: Der Gesetzgeber verpflichtet Betreiber nach § 3 BetrSichV alle auftretenden Gefährdungen zu beurteilen und daraus notwendige Maßnahmen für das sichere Verwenden von Arbeitsmitteln abzuleiten. Die vorgenannte technische Regel TRBS 1115-1 fordert den Schutz gegen Cyberbedrohungen, das betrifft auch nicht digitalisierte Aufzugsanlagen. Fehlt der Aufzugsanlage eine Cyber-GBU, bewerten die zugelassenen Überwachungsstellen dies als Mangel im Prüfprotokoll.
Fazit: Die Zukunft beginnt jetzt
Die Abschaltung des 2G-Netzes ist eine notwendige Weichenstellung auf dem Weg in eine digitalisierte Zukunft. Für Aufzugsbetreiber bedeutet dies mehr als nur eine technische Anpassung: Es ist die Gelegenheit, den Betrieb zu optimieren, die Sicherheit und Verfügbarkeit der Anlage zu erhöhen und die Nutzerzufriedenheit zu steigern. Mit Lösungen wie Remote-Monitoring, digitaler Fernentstörung, Personenbefreiung und Cyber-GBU ist der Weg für die digitale Ära des Aufzugsmanagements geebnet. Der VDMA-Fachverband für Aufzüge und Fahrtreppen schätzt ein, dass ca. 400.000 Aufzüge in Deutschland betroffen sind, die bis zum Stichtag der Netzumstellung aufzurüsten sind. Aufgrund des zu erwartenden Ansturms im Zuge der näher rückenden 2G-Abschaltung sind Betreiber gut beraten, die Umstellung ihrer Anlage jetzt anzugehen. So vermeiden sie Fristüberschreitungen und profitieren zeitnah von den Vorzügen des digitalen Aufzugs.