Holzmodulbau: Zu Hause im Würfel

Die momentan drängendste Aufgabe vieler Städte und Kommunen ist die Versorgung und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Unter extremem Zeitdruck müssen sie Grundstücke oder Standorte finden, auf denen neue Unterkünfte errichtet werden können. Hier bieten Module in Holzbauweise in jeder Hinsicht flexible Lösungen. Ökologisch und wohnlich sind sie sowieso.

Unabhängig vom Zustrom vieler Schutzsuchender fehlt es auch sonst in vielen Kommunen und Großstädten an Wohnungen. Ob für Familien, Paare, Singles, Senioren oder Studenten, bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware und seit Jahren ein Dauerthema. Die Schaffung neuer Wohnungen wird  daher eine der dringendsten Aufgaben der nächsten Jahre und vielleicht Jahrzehnte sein. Im Moment rückt aber vor allen die hohe Zahl der Flüchtlinge, die schnell untergebracht werden muss, die Frage nach der Art der neuen und flexiblen Unterkünfte in den Fokus der Betrachtungen.

Bei der Bewältigung der Aufgabe geht es vielen Kommunen auch darum, einen menschenwürdigen Wohn- und Lebensraum zur Verfügung zu stellen. Ihnen fallen jedoch, wenn alle leerstehenden Bestandbauten ausgelastet sind, meist als erstes Stahl-Container ein. Doch Menschen brauchen Wohnungen, keine Behältnisse. Raummodule in Holzbauweise können hier in vielerlei Hinsicht Lösungen und zukunftsfähige Modelle bieten, wo immer Wohnraum benötigt wird oder Nutzungsänderungen anstehen.↓

Modulbauweise in Holz am Beispiel

Studentenwohnheim

Der Modulbau fasziniert seit jeher Investoren, Planer und Architekten und erfreut sich auch heute wieder großer Beliebtheit. Die Modulbauweise fordert Planer heraus, auf kleinstem Raum alle Funktionen einer eigenständigen Wohneinheit optimal zu verbinden. Gleichzeitig bietet sie viele Möglichkeiten, auf variablen Wohnraumbedarf zu reagieren. Klassische Aufgabenfelder der Modulbauweise sind daher Studenten- und Schülerwohnheime, aber auch Hotels, Altenheime, Krankenhäuser sowie Büro- und Verwaltungsgebäude – oder aktuell auch Flüchtlingsunterkünfte.

Am Beispiel des Studentenwohnheims „Im Neuenheimer Feld“ in Heidelberg lassen sich die Möglichkeiten und die Flexibilität des Zu- und Rückbaus eines Modulgebäudes exemplarisch zeigen. Das Studentenwerk Heidelberg benötigte dringend neuen bezahlbaren Wohnraum für Jungakademiker. Als es um die Investition in neue Apartmenthäuser „Im Neuenheimer Feld“ ging, initiierte es eine EU-weite Ausschreibung für einen Modulbau – wohlwissend um dessen Vorteile.

Neben den Bewertungskriterien „Baukosten“ spielten bei der Auswahl auch die „Betriebskosten“ und die Qualität der Bauteile eine zentrale Rolle. Gefordert war zudem eine auf Holz basierende Bauweise, weil sie mit vielen anderen positiven Aspekten verbunden ist, wie kurze Bauzeiten durch Vorfertigung und energiesparendes Bauen, Stichwort niedriger Primärenergiebedarf. Als Energiestandard war KfW40 zu erfüllen. Am Ende der kalkulierten Nutzungsdauer von etwa 60 Jahren sollten die Gebäude zudem (mit geringem Aufwand) rückbaufähig und die Materialien wieder verwendbar, oder – wenn nicht anders möglich – recycelbar sein. Und zu guter Letzt galt es, einen qualitativ hochwertigen Wohnraum zu gestalten, der kostengünstig ist und schnelle sowie flexible Lösungen ermöglicht.

Die Ausschreibung für den Bau der drei fünfgeschossigen Apartmenthäuser konnte ein Generalübernehmer aus München, die LiWood AG, für sich entscheiden. Außer der ökologischen Bauweise überzeugte die Jury vor allem auch die minimalen Betriebskosten, die sich aus dem Einsatz von Luft-Wasser-Wärmepumpen in Kombination mit einer leistungsfähigen Photovoltaik-Anlage ergeben. Das reduziert die Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung fast auf null.

Raummodule – projektbezogen variabel

In Heidelberg entstand ein reih- und stapelbares Raummodul mit Wänden aus massivem Kreuzlagenholz (KLH = Brettsperrholz (BSP)) und einem Stahlbeton-Boden. Die Raummodule sind nicht standardisiert. Sie können projektbezogen, je nach Raumprogramm, beliebige Abmessungen haben. Gemeinsam ist den Modulen lediglich die Möglichkeit, sie zu verschieden großen Apartments zu verbinden.

Die Raummodule der Apartmenthäuser in Heidelberg sollten knapp 20 m² Wohnfläche erhalten. Daraus ergaben sich Modul-Außenabmessungen von 6,60 m Länge und 3,40 m Breite. Auf den Bodenplatten verteilen sich bei den drei Häusern – zwei davon L-förmig angelegt, eines als kompakter Quader – je Geschoss 18, 20 und 15 Raummodule. Sie sind meist in zwei Reihen angeordnet. Ein Stichflur dazwischen erschließt sie und führt zum zentralen Treppenhaus. Die insgesamt 158 Apartments aus 265 Modulen können 265 Studenten aufnehmen.

Mischbauweise verbindet Vorteile

„Bei der Wahl der Baustoffe sprach der besser zu bewältigende Trittschall für Stahlbeton bei den Böden. Bei den Wänden waren es neben den vielen anderen Vorteilen von Holz vor allem auch der dampfdiffusionsoffene Außenwandaufbau, den der nachwachsende Rohstoff ermöglicht“, erklärten die Generalplaner. Seine natürlichen wärmedämmenden Eigenschaften waren ebenfalls ein Plus: sie reduzierten die zusätzlich aufzubringende Dämmstoffdicke der Gebäudehülle. So bestehen die Böden der Grundmodule aus Stahlbeton-Fertigteil-Platten mit Aufkantung rundum. Darauf setzen die Massivholzwände bündig auf. Aufkantung und Bodenplatte fungieren als „flaches Becken“. Darin sind Rand- und Trittschalldämmung sowie der Estrich samt Fußbodenheizung eingebaut. Stahllaschen verbinden die Wände an der Außenseite mit der Bodenplatte.

Doppelte Wände und einfache

Trenndecken

Nach oben sind die Raummodule offen wie ein Schuhkarton, so dass beim Stapeln der Boden des aufgesetzten Moduls gleichzeitig die Decke des darunter liegenden bildet. Dadurch lassen sich doppelte Decken vermeiden, was Material und Montageaufwand spart, ganz abgesehen von der damit verbundenen geringeren Gebäudehöhe, was auch die Fassadenfläche verringert und ein weiteres Mal Material spart.

Beim Aneinanderreihen der Raummodule ergeben sich doppelte Innenwände. Die Fugen werden aus Brandschutzgründen mit Mineralfaserdämmstoff gefüllt. Beim Stapeln der Raummodule sorgen konisch geformte Holzteile auf den Wandkronen dafür, dass die Folgemodule exakt auf den Wandachsen der unteren Module „einfädeln“ und über entsprechende Negativformen auf der Unterseite der Bodenplatte passgenau an sie anschließen. Stahlteilen koppeln die Grundmodule untereinander in Boden- bzw. Deckenebene und verbinden die einzelnen Fertigteilplatten zu durchgehenden Geschossdecken.
Zum Einbau der 1,50 m bzw. 2,0 m breiten Stahlbeton-Fertigteile der Flurböden sind die Raummodulböden an den flurzugewandten Seiten teilweise über die Modullänge hinausgeführt und die Ränder konsolenartig ausgeführt. Darauf sind die Flurelemente mit dazwischen gefügten Elastomerlagern (Schallentkopplung) aufgelegt und so in die Deckenscheibe integriert.

Raummodule bis zur Hochhausgrenze stapeln

Die Apartmenthäuser sind rund 15,40 m hoch und entsprechen der Gebäudeklasse 4 (GK 4: Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m, das heißt die Oberkante der höchsten Geschossdecke liegt auf maximal 13 m). Mit dem Modulbau-Konzept lassen sich laut LiWood Gebäude bis zur Hochhausgrenze bauen (OK der höchsten Geschossdecke liegt auf maximal 22 m) – je nach Geschosshöhe können das sieben oder acht Module sein.

Guter Schallschutz innerhalb der Geschosse und über sie hinweg

Das Studentenwohnheim wurde mit einem erhöhten Schallschutz nach DIN 4109 Beiblatt 2 geplant und ausgeführt. So erreicht der Luftschall zwischen den Modulen aufgrund der Zweischaligkeit der Wände und der Fugendämmung einen Dämmwert von R’wR = 60 dB. Er liegt damit über den geforderten 55 dB.
Für einen guten Trittschalldämmwert zwischen den Geschossen sorgt der schwimmend verlegte und damit schalltechnisch entkoppelten Zementestrich. Damit kommen die Trenndecken auf einen Luftschalldämmwert von R’wR = 62 dB. Die Trittschalldämmung der Geschossdecken beträgt L’n,w = 44 dB und liegt damit ebenfalls besser als die geforderten 46 dB (beim Trittschallschutz ist der kleinere Wert der bessere).

Brandschutzkonzept forderte Kapselung

Für das Brandschutzkonzept war ein Gutachten erforderlich, das ein Sachverständiger extra für dieses Bauvorhaben entwickelt hat. Das Ergebnis sah eine raumseitige Beplankung der KLH-Wände mit Gipsfaserplatten vor. Als Gesamtbauteil sind die Wände mit F60AB klassifiziert. Das Gebäude selbst ist mit einer Feuerwiderstandsdauer von F60 konzipiert. Dort, wo Sichtholzflächen aus gestalterischen Gründen gewünscht waren, wurden auf die Gipsfaserplatten zusätzlich Holz-Dreischichtplatten aufgebracht.

Die Länge der Schenkel der L-förmigen Wohnhäuser bzw. des kompakten dritten Apartmenthauses sowie die Lage der Treppenhäuser sind so gewählt, dass Fluchtwege von weniger als 35 m Länge entstehen (Brandabschnittsgrenze). Brandabschnitte waren daher nicht erforderlich. Als zweiter Flucht- bzw. Rettungsweg gilt die Anleiterung der Feuerwehr über die Fassade.

Wärmeschutz für KfW40-Standard

Die Gebäudehülle aus den 11 cm dicken BSP-Modul-Wänden erreicht zusammen mit dem 28 cm dicken Aufbau aus Dämmebene und Fassade einen U-Wert von 0,148 W/(m²K). Den oberen Abschluss bildet ein Pultdach mit Warmdachaufbau (U-Wert: 0,127 W(m²K)). Es setzt auf den Raummodulen des letzten Geschosses auf, die mit Stahlbeton-Fertigteil-Decken geschlossen sind.

Raummodul-Fertigung in der Feldfabrik

Die Raummodule wurden in Linienfertigung in einer so genannten Feldfabrik auf einem ungenutzten Teil des Baugrundstücks vor Ort montiert. Dieses Vorgehen ermöglicht einen systematischen Zusammenbau bei minimaler Bereitstellung von Lagerfläche für die jeweils zu verbauenden Elemente.

Die Montage der Modul-Wände umfasst neben der Beplankung auch die Konstruktion der Dämmebene sowie den Einbau der Fenster. Die Bekleidung der Fassaden erfolgte erst nach der vollständigen Montage aller Raummodule eines Gebäudes.

Bei 70 bis 90 Minuten Montagezeit können bis zu zehn Module am Tag gefertigt werden. Die Anzahl variiert jedoch je nach Randbedingungen auf der Baustelle bzw. der logistischen Rahmenbedingungen wie z. B. die in der Planungsphase festgelegte Menge der zu liefernden Bauteile oder die Taktzahl der LKW-Anlieferungen etc. In Heidelberg waren es sechs.

Installationskonzept

In der jeweiligen Fundamentplatte, auf der die Raummodule gegründet sind, wurde ein horizontaler Kanal mit einer Art Kabelbaum geführt, der zu den einzelnen Modulen abzweigt. Dieser fährt in die untersten Installationsschächte hinein und von dort in jedes darüber liegende Raummodul. Alle wasserführenden Leitungen sind von Hand verschraubt statt verpresst, so dass Reparaturen jederzeit mit einfachem Werkzeug und damit ebenso vom Hausmeister wie von einem handwerklich begabten Menschen ausgeführt werden können.

Flexibel mit vielen Optionen

Sollten die Studentenzahlen in einigen Jahren rückläufig sein, könnten die „Studierstuben“ wieder Geld in die Kassen spülen. Denn die Einheiten sind so konzipiert, dass sie sich jederzeit mit geringem Aufwand umbauen lassen. Vom Einzimmerapartment bis hin zu offenen Raumstrukturen über mehrere Module hinweg lassen sie sich auch als Sozialwohnungen, Seniorenwohnheim, Hotel oder Bürogebäude nutzen. Zudem sind sie demontierbar und können an anderer Stelle wieder neu zusammengesetzt werden.

Bei Bedarf lassen sich die Gebäude auch erweitern: Die I-Form des westlichen Baukörpers könnte man wie die beiden anderen Gebäude zu einem L erweitern, oder die L-Form zu einem U ausbauen. Dieses von LiWooD entwickelte ILU-Prinzip ermöglicht eine optimale Ausnutzung des Baugrunds auch bei nachträglicher Weiterentwicklung der Fläche. Angst vor Fehlinvestitionen muss man bei diesem Konzept also nicht haben.

Auch die Lebenszyklusbilanz der Häuser ist, bezogen auf die Nutzungsdauer, fast CO2-neutral. In den Studentenapartments sind insgesamt 3.000 Tonnen CO2 gespeichert. Insgesamt ist eine anpassbare und nachhaltige Architektur entstanden. Raumangebote werden nicht für ewig festgeschrieben – im wahrsten Sinn des Wortes „zementiert“ – sondern sind flexibel veränderbar.

Menschen brauchen Wohnungen, keine Behältnisse. Raummodule in Holzbauweise können hier Lösungen und zukunftsfähige Modelle bieten.

Die Modulbauweise fordert Planer heraus, auf kleinstem Raum alle Funktionen einer eigenständigen Wohneinheit optimal zu verbinden.

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