Vorbild für zukünftiges Zusammenleben

Das Projekt „Gemeinsam statt einsam“ in Arnstadt gehört zu den Beispielen, von denen Studierende der Hochschule Nordhausen lernen. Jörg Pfäffinger sprach mit Prof. Dr. Dagmar Everding. Sie lehrt an der Universität  Nachhaltigkeit im Energetisch-Ökologischen Stadtumbau (Masterstudiengang) sowie das Fach „Barrierefrei gebaute Umwelt“.

Frau Prof. Dr. Everding, Sie beschäftigen sich (nicht nur an der Hochschule Nordhausen) mit nachhaltiger Entwicklung. Was ist an dem Projekt in Arnstadt nachhaltig?

Everding: Dieses Projekt ist für mich deshalb nachhaltig, weil es sowohl ökologische, ökonomische und soziale Aspekte miteinander verbindet. Es werden somit alle drei Nachhaltigkeitsziele erreicht.

Es wurden zwei vorhandene Plattenbauten wirtschaftlich einer neuen Nutzung zugeführt. Damit wird dem Wohnungsunternehmen gerade unter Betrachtung der demographischen Entwicklung eine neue Zukunftsperspektive ermöglicht, die vorher in der Plattenbausiedlung nicht vorhanden war. Nach der Wende gab es einen starken Wegzug aus der Gegend und die Gebäude standen eine Zeit lang leer, trotz der attraktiven Lage nahe der Innenstadt. Ich sehe in der energetischen Sanierung erstrangig einen ökologischen Aspekt, denn es wurde energiesparend saniert. Es wurden die Fenster ausgetauscht und Fassade und Dach gedämmt.

Es ist beeindruckend, dass es gelungen ist, dass eine Wohnungsbaugesellschaft Wünsche einer Bewohnergruppe aufgegriffen hat und sich auf einen mehrjährigen Prozess eingelassen hat, den Bestand entsprechend umzugestalten. Beeindruckend ist dieser soziale Aspekt der Nachhaltigkeit. Und er wurde in Einklang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten dieser Wohnungsbaugesellschaft gebracht. Ich kann mir gut vorstellen, dass eine WBG den Wünschen der Bewohner eher mit Vorsicht begegnet, weil sie nicht weiß, welche Zusatzbelastungen auf sie zukommen. Die Bewohnergruppe „Gemeinsam statt einsam“ hatte Kenntnis von den Rahmenbedingungen der WBG. Durch das Aufeinander Zugehen von Bewohnern und WBG war das Projekt erst möglich.

Eine wichtige Rolle übernahm eine Mediatorengruppe

Everding: Die Stadtstrategen wurden sowohl von der Bewohnergruppe als auch von der WBG als sehr wichtig angesehen. Dabei ging es um die Arbeit der Gruppe in der Planung sowie um die Organisation in der Gruppe und wie sie das Leben in diesem Wohnprojekt gemeinsam gestalten.

Die Geschäftsführung der WBG zeigte sich dankbar über die Dienstleistung. Sind derartige Projekte auch ohne eine solche Steuergruppe realisierbar?

Everding: In kleineren Ortschaften könnte diese Rolle auch vom Bürgermeister oder Sozialdezernenten übernommen werden. In Arnstadt wurde der Moderationsprozess gefördert. Es waren Geld und Zeit vorhanden, um das Projekt im Vorfeld auszudiskutieren.

Die Mediatoren konnten auch Interessengegensätze innerhalb der Gruppe ausgleichen. Eine Moderation ist auf jeden Fall ein Gewinn für derartige Prozesse.

Könnten Moderatoren mehr staatliche Förderung erfahren?

Everding: Im Prinzip ist das im Rahmen der Städtebauförderung möglich, gerade in Bezug auf quartiersbezogene Planung, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Im Quartiers­­ansatz liegt die Chance, soziale Prozesse mit zu nutzen, um Bewohner, Eigentümer und Unternehmen zum gemeinsamen Handeln zu motivieren. Das konkrete Projekt war Teil der Quartiersentwicklung Arnstadt Ost.


Wie sieht das überregional aus?

Everding: In Hamburg beispielsweise gibt es ein spezielles Programm für Baugemeinschaften von der Senatsbehörde. Damit werden Gruppen unterstützt, die gemeinsames Wohnen in Angriff nehmen. Es geht um die Beschaffung von entsprechenden Grundstücken und Gebäuden. Dabei können Menschen mit unterschiedlichen Einkommensverhältnissen eine gemeinsame Wohnidee entwickeln, wie auch in Arnstadt.


Was kann in Sachen Förderung noch verbessert werden?

Everding: Viele Menschen wissen gar nicht, wie man auf eine WBG zugehen kann und Wünsche und Ideen äußern. In Gesprächen mit der Wohnungswirtschaft könnte Interessierten verdeutlicht werden, dass in einer Kooperation Chancen liegen für eine wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit von schwierigen Beständen an bestimmten Standorten. Auf der anderen Seite könnten durch derartige Förderungen auch die Wohnbaugesellschaften dafür sensibilisiert werden, wie sich ein Unternehmen für die Bevölkerung öffnet und sie animiert, Wohnwünsche zu äußern.

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