Bauen im Bestand

Treffpunkt Attika

Dämmungen auf Flachdächern und an Fassaden fordern eine wärmebrückenfreie Ausführung – auch am Dachrand. Mit einem extra starken Attikaelement wurde dieses Detail an einem 8-geschossigen Wohn- und Geschäftshaus in Speyer gelöst.

Die Zukunft im Wärmeschutz ist klar vorgezeichnet. Die EU peilt für 2020, also in 7 Jahren, die Niedrigstenergiebauweise als Standard für Neubauten an. Ob dies gelingt, sei dahingestellt. Diese nahe Zukunft kann bei anstehenden Sanierungen mithilfe der DENA (Deutsche Energieagentur), gefördert mit KfW- und/oder Landesmitteln bereits heute realisiert werden. So geschah es in Speyer. Das 8-geschossige Wohnhaus mit 4-geschossigem Anbau, Geschäften im Erdgeschoss und rückwärtigem Lagergebäude wurde von einem spezialisierten Architekturbüro analysiert, geplant und der Firma C. Dupré saniert. Ergebnis: Der Transmissionswärmeverlust über die Gebäudehülle des 1961 errichteten Gebäudes wurde allein durch Dämmmaßnahmen auf 15 % des ursprünglichen Wertes reduziert. Der Energiebedarf (Primär- und Endenergiebedarf) konnte um rund 85 % reduziert werden. Vor der Sanierung war für die Heizung des Bauwerks ein 230 kW starker Ölkessel erforderlich, danach ein 34-kW-Blockheizkraftwerk (BHKW). Zur Spitzenlastdeckung steht zusätzlich eine 50-kW-Gasbrennwerttherme bereit. Ergänzt wird die Haustechnik heute durch eine zentrale Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung.

Den entscheidenden Beitrag zu dieser enormen Energieersparnis leistet eine bis ins Detail exakt geplante Wärmedämmung. Nicht weniger als 30 Wärmebrückenberechnungen erstellte das für dieses Bauvorhaben zuständige Architekturbüro Christian Hauss, heute HRA, Hauss.Rohde Architekten, Haßloch + Karlsruhe. Dabei standen Resolhartschaum (Fassade) und Polyurethan-Hartschaum, (Fassade und Flachdach), kurz PUR/PIR, zur Diskussion. Diese Dämmstoffe erfüllten zwei entscheidende Forderungen: möglichst geringe Schichtdicken (wegen geometrischer Zwänge) und ausreichender Brandschutz mit einem homogenen Material. Letztendlich fiel die Entscheidung zugunsten einer kompletten PUR/PIR-Dämmung. Diese Dämmvariante sicherte unter Berücksichtigung aller Aspekte an Dach und Wand und in der Detaillierung effiziente Lösungen.

Flachdachdämmung mit Zukunft

Vor der Sanierung waren die insgesamt 700 m2 großen Flachdächer mit einer 5  cm dicken Korkschicht gedämmt. Die Abdichtungen waren in Teilen defekt und vielfältig repariert, die Korkschicht großflächig durchnässt. Nach Rückbau des alten Dachaufbaus wurde auf die freigelegte Betondecke eine 4 mm dicke Bitumen-Schweißbahn mit integrierter Aluminiumdampfsperre aufgebracht. Darauf folgte auf den Dächern der Wohngebäude eine 2-lagige Wärmedämmung aus PUR/PIR. Die erste Lage bestand aus 18 cm dicken, aluminiumkaschierten Platten. Sie sind mit einem umlaufenden Stufenfalz versehen, durch ihre Geometrie verschnittarm beidseitig verwendbar und weisen einen besonders günstigen Lambda-Wert von nur 0,024 W/mK auf. Sie wurden mit einem PUR-Dachkleber auf der dampfdichten Dachabdichtung windsogsicher verklebt. Die zweite Lage bestand auf den Wohndächern aus einer Gefälledämmung und ist im Mittel 15 cm dick. Diese Dämmlage weist einen Lambda-Wert von 0,026 W/mK auf und ist zur Attika hin bis zu 20 cm dick. Zusammen mit der ersten aluminiumkaschierten Dämmlage ist das Dämmpaket im Mittel 33 cm dick. Der U-Wert dieser Konstruktion beträgt im Mittel 0,076 W/m2K und unterbietet damit die höchsten Anforderungen, die irgendwann für Passivhäuser gelten werden. Die großen, druckfest gedämmten Flachdächer eignen sich zudem zur nachträglichen Aufstellung von Solartechnik jeglicher Art.

Am Rand der Wohndächer sind die Dämmungen bis zu 380 mm dick. Hier trifft das Flachdach auf die 180 mm dicke Fassadendämmung. Um den Dachrand im Treffpunkt beider Dämmlagen stabil und  möglichst wärmebrückenfrei zu gestalten, war an diesem Objekt ursprünglich eine Hilfskonstruktion aus Holz vorgesehen. Mit dem Einsatz der neuen Purenit Attikaelemente wurde dieses Detail wärmebrückenfrei gedämmt. Eine Isothermenberechnung belegt den positiven Effekt. Zudem erlaubt das Attikaelement an dieser geometrisch sensiblen Stelle eine solide Montage und durchdachte Anschlüsse der horizontalen und vertikalen Dämmlagen.

Das Attikaelement besteht aus einem senkrechten, 80 mm dicken Dämmblock mit einem pultförmigen 5 °-Gefälleschnitt und einer darauf verschraubten, entsprechend geneigten Abdeckplatte. Bei dem Bauvorhaben in Speyer kam infolge einer vorhandenen, betonierten Aufkantung die Standardvariante des Attikaelements zum Einsatz. Hier ist der Dämmblock 343 mm hoch und die Abdeckplatte 280 mm breit. Die Elemente werden auf der obersten Betondecke mithilfe bauüblicher Laschen und Winkel verdübelt und verschraubt. Das Element aus Purenit (Lambda = 0,086 W/mK) lässt sich dabei wie Holz sägen und schrauben.

Die Gefälledachlösung wurde für dieses Projekt mit einem Gefälle von 2 % eigens konfektioniert und als fertiger Bausatz mit einem Verlegeplan vom Hersteller komplett geliefert. Die Standard-Gefälleplatten mit stumpfen Kanten sind 1000 x 500 mm, die Kehl- und Gratplatten passend dazu 500 x 500 mm groß. 1000 mm lange Attika-Keile ergänzen das System. Unkaschierter Polyurethan-Hartschaum, wie er hier Verwendung fand, eignet sich sogar zur Verlegung in Heißbitumen. Auf diesem Dach wurden Bitumenschweißbahnen mit einem Gasbrenner direkt auf die Dämmung geschweißt. Dies ist möglich, da PUR/PIR als duroplastischer Werkstoff kurzfristig bis 250 °C temperaturbelastbar ist und nicht schmilzt.

Die 2-lagige Bitumenschweißbahn wurde von der Flachdachfläche über die Dämmkeile auf das Attikaelement hochgeführt. Nach Aufmaß wurden bereits im Vorfeld der Arbeiten die Aluminiumabdeckungen der Attiken gefertigt und nach Verlegeplan montiert. Die Haften für die Attikaabdeckungen sind in die tragenden Attikaelemente geschraubt und die Abdeckungen darin eingehängt.

WDVS für die Fassade

Im ersten Schritt wurden alle vorstehenden und die Gebäudehülle durchdringenden Balkonplatten egalisiert. Die neuen, rund 12 m2 großen Balkone sind heute als filigrane Stahlkonstruktion vorgehängt. Aus energetischen Gründen durchdringt die Balkonkonstruktion das WDVS nur punktuell. Dafür wurden im ersten Schritt in der Wandebene an die Stahlbetondecken mit speziellen Injektionsankern Winkelhalterungen geschraubt. An diese Winkelhalterungen sind auf der Ebene des WDVS Isokörbe montiert und daran die außen sichtbaren Stahlhalterungen geschraubt. Über 16 mm dicke Zugstangen werden die Lasten des jeweils unteren Balkons in die Tragstruktur des darüberliegenden eingeleitet.

Basis für das aufzubringende WDVS mit dem Polyurethan Dämmstoff purenotherm war ein 24 cm dickes Mauerwerk. Es handelt sich dabei um die Kalksandsteinvariante Granulit, die heute nicht mehr produziert wird. Ihre unsicheren Eigenschaften und die zweifelhafte Oberflächenbeschaffenheit der Wandbekleidung (verschiedene Putze, lose und feste, auch latexartige Farbanstriche) zwangen zur besonderen Vorsicht. Durchgeführte Zugversuche fielen durchweg negativ aus. Daraufhin wurden die Farbanstriche, so weit es sinnvoll und machbar war, entfernt und die Oberflächen der Außenwände mit Mauerfräsen im Raster von etwa 40 x 40 cm bis zum Putz aufgefräst. Das purenotherm-WDVS wurde darauf geklebt und gedübelt, wobei je nach erwarteter Belastung zwischen 3 und 5 Dübel pro Quadratmeter gesetzt wurden. An den Gebäudeecken und in größeren Höhen wurden die Dübel dichter gesetzt. Zum Einsatz kamen nur spezielle Thermodübel.

Bevor die neue Dämmung montiert werden konnte, wurden die Fenster gegen neue mit Dreifachverglasung ausgetauscht (U-Wert der Verglasung 0,6 W/m2K) und hoch gedämmte Rollladenkästen eingebaut. Die 18 cm dicke PUR/PIR-Dämmung (Lambda 0,026 W/ mK) bildete nach den vielen vorbereitenden Schritten den Abschluss der Dämmarbeiten. Vor der Sanierung wies die 3127 m2 große Außenwandfläche einen U-Wert von 1,21 W/ m2K auf. Nach der Sanierung liegt der U-Wert der Wände bei 0,13 W/m2K.

Brandschutz und Lüftung

Bekanntermaßen ist der Brandschutz bei einem Gebäude knapp unter Hochhausgrenze elementar. WDVS mit großen Schichtdicken bedürfen hier besonderer Sorgfalt. In Abstimmung mit dem Brandschutzbeauftragten konnte unter Vorlage von Ergebnissen aus Brandversuchen wegen der materialtypischen Eigenschaften von PUR/PIR im Brandfall auf spezielle Brandbarrieren verzichtet werden. Somit konnte das WDVS konstruktiv vorteilhaft homogen ausgeführt werden.

Zusätzlich zu den Wärmeschutzmaßnahmen sorgt heute eine zentrale, kontrollierte Zu- und Abluftanlage mit einem Wirkungsgrad von 83 % für eine sichere Lüftung der Wohnungen. Für die Luftführung werden einerseits heute nicht mehr benötigte Schornsteinzüge, andererseits Hohlräume rund um die zurückgebauten Balkone genutzt. Der Energieverbrauch, der im Rahmen des DENA Programms Niedrigenergiehaus im Bestand, dokumentiert werden muss, ist, wie berechnet, um 85 % gesunken.

Spezielle Attikaelemente sichern wärmebrückenfreie Dachrand­konstruktionen.

Der Energiebedarf des Gebäudes

wurde um 85 % reduziert.

Das Attikaelement wurde vom Bundesarbeitskreis ­Altbauerneuerung (BAKA) als wärmebrückenfreie ­Dachrandkonstruktion ausgezeichnet.

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