Genossenschaften

Industriedenkmal wird Wohntraum

Genossenschaftliches Wohnen, das bedeutet: ein aktives Nachbarschaftsleben, innovative Wohnformen, sowie, besonders in den Städten, oft günstigere Mieten. In einer Mini-Serie stellen wir Beispiele für „den dritten Weg im Wohnungsbau“ neben Miete und Eigentum vor. Dritter und letzter Teil: das „Uferwerk“ in Werder an der Havel.

Das ehemalige Schaltgerätewerk Werder liegt direkt am Zernsee der gleichnamigen Stadt, im Speckgürtel von Potsdam und damit auch von Berlin. Die Havel liefert die oft genug romantische Kulisse für den Ort, der für Wohnungssuchende aus den benachbarten Städten immer gefragter wird.

Über wohnportal-berlin.de (heute: cohousing-

berlin.de) kam die Gruppe, die jetzt die Ge-nossenschaft „Uferwerk“ (www.uferwerk.org) mit ihren 99 Mitgliedern ist, an das Projekt und an das Büro „Winterer + Mohr Architektinnen GmbH“ (www.winterer-mohr.eu), die seit 30 Jahren darin spezialisiert sind, mit Gruppen zu bauen. Gemeinsam wird die „Uferwerk eG“ 2011 gegründet.

Das Industrieareal umfasst 17.000 Quadratmeter mit denkmalgeschützten Gebäuden und Nebengebäuden und wurde 2014 für 3,6 Mio. Euro erworben, davon 600.000 Euro für Altlastensanierung. Diese mussten vom bisherigen Besitzer beseitigt werden. Die Sanierungsarbeiten und Neubauten für die 58 Mehrgenerationen-Wohnungen mit 4.900 Quadratmetern Wohnfläche wurden mit 10,9 Mio. Euro veranschlagt und konnten mit der GLS-Bank als finanzierender Bank realisiert werden. Aus ökologischen Gründen wurden für die Neubauten teilweise die bisherigen Bodenplatten genutzt, was die heutigen Kubaturen mit bestimmte, und einige der Hallen wurden abgerissen. 

Im Sommer 2014 war Baubeginn, wobei zwei Familien in ein früheres Verwaltungsgebäude einzogen, um das Gelände zu behüten.

Aufwändige Sanierungsarbeiten

„Es handelte sich um eine Umnutzung vom Industriestandort zu einem gemischtem Standort Wohnen und Arbeiten, Bebauung nach §34. Stadt und Landkreis waren die baugenehmigenden Behörden“, sagte Irene Mohr von Winterer + Mohr Architektinnen GmbH zur Abwicklung. „Es sollte nicht stärker verdichtet werden, jedoch sollte die neue Bebauung auf den bestehenden Grundrissen der ehemaligen Fabrikhallen erfolgen. Wir durften umnutzen, so viel wie wir wollten, da es ein Mischgebiet ist. Das Land Brandenburg hat die Genossenschaftsförderung ganz herunter gefahren: als wir bauten, gab es keine soziale Wohnungsbauförderung, die auf unser Projekt gepasst hätte.“

Zur Entwurfsidee berichtete sie, dass das Gelände eine Leichtigkeit bekommen sollte als Gegensatz zur großen Baumasse. „Trotz der verschieden großen Baukörper und Baualter war uns wichtig, dass es ein Gesamtensemble ergibt mit differenzierten Gebäuden mit jeweils eigenem Charakter. Wir fanden Industrie- und Verwaltungsgebäude vor, keine Wohnräume und nur wenig Holzbauten. Herausfordernd bei den Sanierungsarbeiten war es, die komplett neuen Grundrisse in den Altbestand zu integrieren. Das trieb die Kosten nach oben. Wir hatten die Gebäude angeblich saniert vom Vorgänger übernommen, es gab jedoch zahlreiche eingesperrte Ölschäden, was zu nachträglichen Altlastensanierungen führte.“

Thema war auch der Wärmeschutz im denkmalgeschützten Raum. Man entschied sich dort in einigen Bereichen für Innendämmungen mit unterschiedlichen Materialien. Die Brandschutzanforderungen seien ohne große Aufwendungen zu erfüllen gewesen, da es keine Holzbalkendecken gab, so Irene Mohr weiter. Die Stahlstein- bzw. Kappendecken hätten sich sehr gut nach neuem Standard ertüchtigen lassen.

Auf den Energiestandard angesprochen, antwortete die Architektin: „Es ging bei diesem Objekt um 45 % Neubauten und um 55 % Altbauten, mit unterschiedlichen Dämmstandards, vom KfW-Denkmal bis hin zu hochgedämmten Fast-Passivhäusern. Darunter auch ein Haus mit Strohballendämmung, bei dem die späteren Bewohner nach entsprechenden Workshops auch aktiv mithalfen. Wir haben normale schwere Fußbodenheizungen in den Gebäuden eingebaut und im Keller wurde ein komplexes Heizsystem mit den Komponenten PV und Wärmepumpen installiert, die aus der Abluft der Gebäude gespeist werden. Das ist die Basiswärmeversorgung für alle Gebäude. Als kontinuierliche Dauerwärmeversorgung, hauptsächlich für die Altbauten, gibt es ein BHKW, als Spitzenkessel einen Pelletkessel und eine normale Gastherme. Aufwändig dabei war die dafür notwendige zentrale Steuerung, die Dank der Mitarbeit einiger Bewohner, jetzt praxisgerecht funktioniert. Für Heizung und Warmwasser werden durchschnittlich für alle Gebäude 50 Cent/qm berechnet.“

Finanzierung

„Genossenschaft bedeutet, dass man pro qm Wohnfläche Geschäftsanteile erwirbt, anfangs waren es beim Uferwerk 558 Euro/qm, jetzt sind es 633 Euro/qm“, erläutert Uferwerk-Vorstandsmitglied Wenke Wegner. Es gebe zudem die Möglichkeit, Mehreinlagen zu tätigen, um das Nutzungsentgelt von ca. 10,50 Euro/qm zu reduzieren. „Wir sind eine gemischte Gruppe, der auch ältere Menschen angehören, die teilweise vorher Häuser hatten, in denen sie nicht weiter alleine wohnen wollten, viele haben Mehreinlagen gemacht.“ 100 Erwachsene und 61 Kinder wohnten aktuell hier. „Es gibt Privatdarlehensgeber, ein Teil bekam Darlehen von einer Stiftung, nicht der gesamte Finanzierungsbetrag wurde von der GLS-Bank geliehen,“ Wenke Wegner weist darauf hin, dass derzeit kein Bewohner von Transferleistungen lebt.

Zum Wohnumfeld gehören Gemeinschaftsräume mit Bewegungsraum mit Kletterwand, eine gemeinsame Waschküche und natürlich Spielmöglichkeiten auf den Freiflächen, von denen fünf Prozent gemeinschaftlich genutzt werden. Es gibt eine Bestellgemeinschaft für Bio-Lebensmittel, eine Halle mit Werkstätten für Holz-, Metall- und Elektro-Bearbeitung, ein Repair-Café und eine Nähwerkstatt.

76 Parkplätze mussten laut Stellplatzsatzung der Stadt Werder bereit gestellt werden, sie werden aktuell von 23 PKWs genutzt.

„Als wir bauten,
gab es keine soziale Wohnungsbauförderung,
die auf unser Projekt gepasst hätte.“

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