Cradle to Cradle

Grüne Oase: Deutschlands gesündestes Hochhaus

Nachhaltiges Bauen und bezahlbares Wohnen – diese zwei vermeintlichen Gegensätze vereint das „Moringa“-Hochhaus. Es wird nach dem Cradle to Cradle-Designprinzip errichtet. Mindestens 50 Prozent des Gebäudes sollen dabei aus kreislauffähigen Materialien bestehen. Auch soziale Aspekte spielen eine Rolle: Rund ein Drittel der Wohnungen wird als geförderter Wohnungsbau realisiert. Die Fertigstellung ist für Sommer 2024 geplant.

Noch ist auf dem Baufeld 105 im Elbbrückenquartier der Hamburger HafenCity nicht viel zu sehen. Doch die Vision des Projektentwicklers MORINGA GmbH by Landmarken AG und der Entwurf des Architekturbüros kadawittfeldarchitektur für dieses rund 4.700 Quadratmeter großes Grundstück sprechen für sich. Denn genau dort soll in den nächsten Jahren das neue Aushängeschild der HafenCity und das gesündeste Wohnhochhaus der Stadt aus dem Boden wachsen.

Moringa, so der Projektname, wird ein Ensemble aus drei Gebäudeteilen mit bis zu dreizehn Geschossen, die sich um einen grünen Innenhof gruppieren. Begrünte Flächen sind auch am und auf dem Gebäude geplant – und zwar in mindestens gleichem Umfang wie die bebaute Grundstücksfläche. Zudem wird Moringa in nachhaltiger Bauweise realisiert. Als grüne Lunge Hamburgs soll Moringa auf diese Weise Sauerstoff produzieren, Schadstoffe reduzieren und den sommerlichen Hitzeinseleffekten entgegenwirken. Der Bauantrag wurde im Juni 2021 gestellt.

Wohngebäude und Materiallager zugleich

Was Moringa besonders macht: Es ist das erste Wohngebäude Deutschlands, das nach Cradle to Cradle®, kurz C2C, realisiert wird. Dabei handelt es sich um ein Designprinzip, das die Natur zum Vorbild hat und auf schadstofffreie und kreislauffähige Produkte setzt. Weitestgehend alle Materialien, die zum Einsatz kommen, sollen sortenrein trennbar, rückbaubar und wiederverwertbar sein. Dadurch werden Ressourcen geschont sowie Abfall und Entsorgungskosten am Ende des Lebenszyklus vermieden. So wird das Gebäude zu einer Art Materiallager. Bei Moringa entsprechen mindestens 50 % der Materialien diesen Anforderungen. Alle zu verwendenden Bauprodukte werden auf ihre Nachhaltigkeit und Wirkung auf die Gesundheit und die Umwelt geprüft und optimiert.

Bei dieser anspruchsvollen Aufgabe setzt die MORINGA GmbH by Landmarken AG auf die Cradle to Cradle-Kompetenz der EPEA GmbH und die langjährige Erfahrung des Immobilienberaters Drees & Sommer. Die Experten begleiten das innovative Projekt von der ersten Minute an mit der C2C-Beratung und übernehmen zudem die Bauphysik, das Energiedesign, die Fassadenplanung sowie das Green Building Management. Gemeinsam mit der Bauherrin, Architekten und Planern haben sie ein Gebäudekonzept entwickelt, das Themen wie Kreislauffähigkeit, Umweltschutz und gesellschaftliche Aspekte ganzheitlich verbindet. Das Ziel ist es, ein Wohnhaus zu schaffen, das einen hohen Mehrwert in allen diesen Bereichen bietet und sich durch eine positive Wirkung auf die Stadt auszeichnet.

Noch bevor der Gebäudeentwurf entstand, wurden in Workshops mit allen Beteiligten – vom Bauherrn über Architekten und Planerteams – die Ziele und Anforderungen des Projekts definiert und konkretisiert. Wichtig war es, das Cradle to Cradle-Mindset zu verstehen und während des gesamten Projekts aufrechtzuerhalten. Was heißt es, ein kreislauffähiges Gebäude zu bauen? Wie kann es auf aktuelle Herausforderungen wie Klimawandel und Rohstoffknappheit, aber auch gesellschaftliche Themen wie Wohnungsnot und soziale Gerechtigkeit reagieren? Mit welchen Konzepten, Maßnahmen und Bauprodukten lässt sich die Vision von Moringa am besten und wirtschaftlichsten umsetzen? Diesen Fragen ging das Projektteam in enger Zusammenarbeit intensiv nach. Erst auf dieser Grundlage entstanden der architektonische Entwurf und die Umsetzungsstrategie. Maßgeblich für den erfolgreichen Projektstart war es auch, dass die MORINGA GmbH by Landmarken AG als Projektentwickler von Beginn an von dem Cradle to Cradle-Konzept überzeugt war und sich auf diese ökologische Bauweise spezialisiert hat.

Zirkulär, modular und beispielhaft

Ganz im Sinne von Cradle to Cradle werden Bauprodukte und Materialien bei Moringa so ausgewählt oder optimiert, dass sie bei der späteren Gebäudesanierung bzw. dem Rückbau wieder in den technischen oder biologischen Kreislauf zurückgehen können. Was das Angebot an C2C-zertifizierten Bauprodukten angeht, so ist ihre Anzahl in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Bandbreite reicht dabei von System- und Glastrennwänden und Bodenbelägen über Isolierungsprofile und Deckensysteme bis hin zu Druckfarben und Textilien. Welche Bauprodukte bei Moringa genau eingesetzt werden, wie groß ihr ökologischer Fußabdruck ist und welchen Wert die eingesetzten Materialien haben, wird in einem sogenannten Building Circularity Passport, einer Art Gebäude-Materialausweis, festgehalten.

Eine wesentliche Rolle spielen beim C2C-Konzept auch Modularität und Demontagefähigkeit der Produkte. Was modular gebaut ist und ohne giftige Klebstoffe auskommt, kann auch schneller demontiert und einfacher in die Kreisläufe zurückgeführt werden. So werden Rohstoffe effizient genutzt, der Abfall vermieden und die Umwelt geschont. So sind etwa die Innenwände genauso wie die Fassade von Moringa modular geplant. Nach seiner Fertigstellung gilt das Gebäude nicht nur als erstes Cradle to Cradle inspiriertes Wohnhochhaus Deutschlands, sondern wird auch die Anforderungen des HafenCity Umweltzeichens in der Kategorie Platin erreichen. Dabei werden die Unterkategorien „Gesundheit“ und „ökologische Baustoffe“ sogar übererfüllt.

Bezahlbares Wohnen im attraktiven Umfeld

Neben den ökologischen Faktoren stehen auch soziale Aspekte im Fokus des Projekts. Denn bei rund 30 Prozent der entstehenden Wohnungen handelt es sich um den geförderten Wohnungsbau. Ein weiteres Drittel ist als Co-Living im Sinne von modernen Wohngemeinschaften vorgesehen. Das Nutzungskonzept sieht familienfreundliches Wohnen, nachbarschaftliches Miteinander und öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen vor. Auf 17.700 von knapp über 20.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche entstehen Mietwohnungen, die in zentraler Wasserlage Wohnraum für Familien, Paare, junge Leute und Senioren aller Einkommensklassen schaffen.

Ergänzend zur Wohnnutzung bietet das Moringa einen Co-Working-Space, eine Kindertagesstätte und Angebote wie Veranstaltungsräume, Ausstellungsflächen, Fitness- oder Lounge-Bereich sowie eine Gastronomie mit Terrasse im Erdgeschoss. Neben knapp 45 Stellplätzen für Pkw, wovon ca. 30 Prozent für Carsharing vorbehalten sind, befindet sich im Untergeschoß eine zentrale Fahrradgarage mit der Möglichkeit, insgesamt 380 Fahrräder dort abzustellen. Zudem gehört zum Moringa ein Mobility-Sharing-Konzept mit Angeboten vom Lastenrad bis hin zu E-Autos. Damit entsteht mit Moringa Hamburg nicht nur das gesündeste Wohnhochhaus der Stadt, sondern auch ein Projekt, das in bisher einzigartiger Weise nachhaltiges Bauen, gefördertes Wohnen und soziale Infrastrukturen in bester Lage vereint. Erster Hauptmieter steht auch schon fest: Der Co-Living-Anbieter POHA House wird den gesamten zweiten von insgesamt drei Bauteilen mit rund 4.600 Quadratmetern Mietfläche des Moringa übernehmen.

Weitestgehend alle Materialien, die zum Einsatz kommen,
sollen sortenrein trennbar, rückbaubar und
wiederverwertbar sein.

Neben den ökologischen Faktoren stehen auch soziale Aspekte im Fokus des Projekts. Denn bei rund 30 Prozent der entstehenden Wohnungen handelt es sich um den geförderten Wohnungsbau.

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