Bauen mit Kalksandstein

Aus Parkplatz wird Lebensraum

Im Herzen der Hannoveraner Südstadt entstanden auf einem ehemaligen Parkplatz die Krausenhöfe. Von BBU.Projekt Architekten BDA entworfen, komplettieren die drei Gebäude das nachbarschaftliche Ensemble und spiegeln mit ihrer Bewohner*innenschaft die urbane Vielfalt der Umgebung wider.

 „Wir reden inzwischen viel über die 15-Minuten-Stadt, aber hier ist eigentlich alles in drei Minuten zu erreichen“, erzählt Dilek Ruf, Gründerin und Geschäftsführerin von BBU.Projekt Architekten. Dabei verweist sie auf die gute Nahversorgung sowie den Maschsee, die Innenstadt und den Stadtwald. Die drei Fixpunkte rahmen das Viertel von Westen, Norden und Osten ein. Dass die Hoffläche trotzdem über Jahrzehnte hinweg ausschließlich als Parkplatz genutzt wurde, muss wohl als Ausdruck der autogerechten Stadt verstanden werden, die in Hannover lange maßgeblich war.

Inzwischen befindet sich die niedersächsische Hauptstadt im Wandel, wird längst als Vorbild für menschenzentriertes Planen gehandelt. BBU.Projekt Architekten, deren Büro selbst nur wenige Gehminuten entfernt liegt, beschäftigen sich mit dem Areal rund um die ehemaligen Parkflächen bereits seit 2012, als sie die ersten zwei Neubauten mit einem Investor realisiert haben. Auf Basis einer Studie des Büros hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft Hanova dann einen Gebäuderiegel aus den 1970er-Jahren aufgekauft, den Bestand saniert, nutzungsdurchmischt und erweitert. Darüber hinaus wurde die Hoffläche mit dem Ziel einer urbanen Nachverdichtung erworben.

„Leider sorgen die existierenden Leitplanken nach wie vor dafür, dass dieser Ansatz zu wenig Beachtung findet“, ist Dilek Ruf überzeugt, die als Landesvorsitzende des BDA Niedersachsen in der Verbandsarbeit aktiv ist. Dennoch entstanden 2015 erste Skizzen, auf Grundlage derer die Architekt*innen unterschiedliche Ideen für die Proportionierung und Anzahl der neuen Gebäude entwickelten. Im Inneren des Häuserblocks befanden sich neben den Parkplätzen bereits mehrere Gebäude unterschiedlicher Körnung und Höhe. „Vor diesem Hintergrund war es wichtig, eine ausgewogene, gute Ausnutzung der Fläche sicherzustellen, die angemessene Dimensionen mit Finanzierbarkeit verbindet“, so Ruf.

Urban wohnen im Grünen

Auf Grundlage unterschiedlicher Formen und möglicher Platzierungen entwickelte das Büro drei hintereinander aufgereihte Solitäre, deren Längsseiten einander zugewandt sind. Das mittlere Gebäude ist um etwa ein Drittel der Fassadenlänge versetzt, um möglichst freie Blickwinkel zu ermöglichen. So positioniert, vermitteln die Krausenhöfe einerseits zwischen dem langgestreckten Riegel, der fast die gesamte Länge der westlich gelegenen Straße einnimmt. Auf der anderen Seite stehen sieben kleinere rechteckige Wohnhäuser in einer Art wildem Versatz, die nicht nur in dieser Hinsicht Anknüpfungspunkte bieten: Dilek Ruf und ihr Team drehten die Ausrichtung der neuen Gebäude im Vergleich zwar um 90 Grad, weil sie nicht den Eindruck einer größeren Siedlung erwecken wollten. Zugleich nahmen sie sich jedoch die zahlreichen Freiflächen zum Vorbild und bauten die bereits im Bestand angelegte „grüne Insel“ weiter.

„Ehrlicherweise muss man sagen, dass das Thema der Entsiegelung hier gar nicht so einfach ist“, erzählt die Architektin. Denn was man, je nach Perspektive, überhaupt nicht wahrnimmt: Das komplette Grundstück inklusive der Gebäude befindet sich oberhalb einer Tiefgarage. Die knapp 300 Parkplätze, die sich hier zuvor befanden und vor allem besagtem Riegel zugeordnet waren, mussten zum damaligen Planungszeitpunkt größtenteils ersetzt werden. „Das gehört zu den Herausforderungen der Nachverdichtung, wobei wir heute anders planen dürften und etwa 50 Prozent der Stellplätze einsparen könnten“, so Ruf. Unterirdisch ist heute Platz für 195 Fahrzeuge, 88 weitere kommen im Innenhof unter. Trotz dieser Anforderungen war es den Verantwortlichen wichtig, nicht nur Rasenflächen auf Substrat anzulegen. Stattdessen wurden zahlreiche Bäume und Sträucher gepflanzt, die das Areal in den kommenden Jahren zunehmend bereichern sollen.

KS-Bauweise für Langlebigkeit und Effizienz

Die drei Gebäude wurden in KS-Bauweise errichtet. Für Dilek Ruf bot Kalksandstein die passende Antwort auf die projektspezifischen Anforderungen hinsichtlich Funktion, Konstruktion und Kosten. So punktet das Material mit seiner hohen Tragfähigkeit und – in so dicht bebautem Umfeld besonders wichtig – hohen Schallschutzqualitäten. „Darüber hinaus ist es für uns von Bedeutung, mit einem bewährten Material zu arbeiten und zu wissen, dass die beteiligten Firmen in der Lage sind, das, was wir planen, auch zu bauen – mit der Gewissheit, dass alle Beteiligten die Bauzeitenpläne einhalten können“, so die Architektin. Dass die Gebäude die gleichen Grundrisse besitzen, steigert die Effizienz und die Optimierung der Arbeitsabläufe zusätzlich.

„Für mich besteht nachhaltiges Bauen neben dem Einsatz ressourcenschonender, hochwertiger Materialien in erster Linie darin, durch kluge Konstruktionen und Grundrisse die Voraussetzungen für eine langfristige Nutzung zu schaffen“, erzählt Ruf weiter. Das Bauen sei teilweise von einer „Fast-Fashion-Mentalität“ befallen, ist sie überzeugt. Stattdessen müsse es wieder darum gehen, Gebäude zu schaffen, die weit länger als ein Menschenleben genutzt werden.

Insgesamt finden sich in den Häusern auf jeweils sechs Etagen 63 Mietwohnungen, von denen ein Drittel öffentlich gefördert ist. Durch Aufzüge sind alle Wohnungen barrierefrei zugänglich und neun von ihnen vollständig rollstuhlgerecht ausgebildet. Ganz bewusst wurden vielfältige Grundrisse geplant, die für verschiedene Lebensphasen der Bewohner*innen stehen könnten: mit zwei bis fünf Zimmern und 45 bis 112 m² sprechen die Wohnungen Student*innen und Paare ebenso an wie Familien mit Kindern, WGs oder ältere, alleinstehende Menschen.

Ein gutes Stück Alltagsarchitektur

Die Südstadt sei ein sehr durchmischtes Stadtviertel, in dem Menschen aller sozialen und beruflichen Gruppen leben, so Ruf – und man sei mit der Hanova von vornherein einer Meinung gewesen, dass sich diese Vielfalt in den Gebäuden konsequent widerspiegeln solle. Die Gebäude selbst sollten dementsprechend „ein Stück Alltagsarchitektur“ darstellen – „gute, simple, vernünftige Häuser“, die aber sorgsam geplant sind und innen wie außen eine hohe Lebensqualität bieten. Dass Dilek Ruf und ihrem Team diese Herausforderung gelungen ist, zeigt sich an der großen Beliebtheit der Wohnungen – und das bei Menschen, die so vielfältig und unterschiedlich sind wie das Viertel, in dem sie wohnen.

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