Wechsel an der ZVEH-Spitze: Fachkräftemangel weiter eine der größten Herausforderungen

2022 war für die E-Handwerke ein spannendes Jahr: Die Energiewende, für die sich der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH, www.zveh.de) seit Jahren stark macht, erhielt – durch den Regierungswechsel wie auch durch den Ukraine-Krieg – wichtige Impulse. Gleichzeitig fand an der Spitze der elektrohandwerklichen Organisation ein Generationenwechsel statt: Alexander Neuhäuser (47), seit 2014 Mitglied der ZVEH-Geschäftsführung, löste Ingolf Jakobi nach 30 Jahren an der hauptamtlichen Verbandsspitze ab. Ein Wechsel, der Kontinuität in der Verbandsarbeit garantiert und es dem ZVEH ermöglicht, sich auf wichtige zukünftige Herausforderungen zu konzentrieren.

Fachkräftemangel verschärft sich

Diese ist umso wichtiger, als mit Fortschreiten der Energiewende, die im Wesentlichen eine Elektrifizierung der Wirtschaft, des Verkehrs und der Energieversorgung im Gebäude bedeutet, auch die Herausforderungen für die E-Handwerke wachsen: Als Klimaschützer und Fortschrittmacher ist ihr Know-how für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende unerlässlich. Dabei geht das kontinuierlich wachsende Aufgabenspektrum – mit der Elektromobilität, Photovoltaik, Wärmepumpen und Speichersystemen sowie smarter Gebäudeautomation sind spannende Wachstumsmärkte hinzugekommen – und die steigende Nachfrage nach Zukunftstechnologien mit einem steigenden Bedarf an Fachkräften einher. Verschärft wird dieser durch den sich gleichzeitig vollziehenden demografischen Wandel.

„Was uns bewegt, ist, wie wir vor den komplexen Herausforderungen der kommenden Jahre nachhaltig Fachkräfte aufbauen und das zur Verfügung stehende Personal effizienter einsetzen können“, beschreibt Alexander Neuhäuser, Hauptgeschäftsführer des ZVEH, zwei der wichtigsten Aufgaben. Dass es dabei keine Zeit mehr zu verlieren gilt, zeigt die Fachkräftebedarf-Analyse des ZVEH. So werden in den E-Handwerken aktuell bereits knapp 86.000 Fachkräfte gesucht. Tendenz steigend! Das ergab eine Umfrage der elektrohandwerklichen Organisation bei ihren Innungsbetrieben. Die Erhebung wurde nach 2021 auch 2022 wieder am Jahresende durchgeführt und soll künftig regelmäßig zu diesem Zeitpunkt erfolgen. Basis für die Ermittlung der Werte waren die Antworten von 1.170 Handwerksbetrieben zur aktuellen Beschäftigten-Zahl sowie zur Anzahl der offenen Stellen.

Auszubildende, Gesellen und Meister dringend gesucht

Dabei zieht sich die wachsende Lücke – 2021 wurden insgesamt 81.239 Fachkräfte gesucht – durch fast alle Ebenen. Daran konnte auch das kontinuierliche Beschäftigten-Wachstum in den E-Handwerken – sogar während der Corona-Pandemie wuchsen diese gegen den Trend – nichts ändern. Besonders hoch war der Anstieg bei den Gesellen für grundlegende Tätigkeiten. Konnten hier 2021 noch 26.315 Stellen nicht besetzt werden, waren es 2022 bereits 29.229. Bei den hochqualifizierten Gesellen fällt der Anstieg nicht ganz so gravierend aus: In diesem Bereich wurden 2022 insgesamt 21.622 Mitarbeiter/-innen gesucht – nach 21.447 in 2021.

Eine große Nachfrage besteht weiterhin nach Meistern/-innen und Bürokräften. Zum Jahresende 2022 blieben 6.038 e-handwerkliche Meister-Stellen unbesetzt. 2021 waren es noch 5.820. Bei den Bürokräften stieg der Bedarf von 4.392 in 2021 auf 5.192 Ende 2022. Ein Rückgang der offenen Stellen war lediglich im Bereich der weniger qualifizierten Mitarbeiter/-innen, beziehungsweise auch am anderen Ende der Skala, bei den hochqualifizierten Mitarbeitern/-innen, zu verzeichnen. Die Nachfrage nach an- und ungelernten Helfern sank 2022 auf 6.532 (2021: 6.649); bei den Ingenieuren/-innen auf 1.038 (2021: 1.482). Die Zahlen belegen, was der ZVEH immer wieder betont: Gesucht wird vorwiegend qualifiziertes Fachpersonal – ein gutes Argument für die duale Ausbildung. „Die Erhebung zeigt deutlich, dass wir in den E-Handwerken vollausgebildete, hochqualifizierte Kräfte suchen“, so Neuhäuser.

Ein Alarmsignal ist indes, dass es zunehmend an Auszubildenden fehlt – trotz des sehr engagierten Nachwuchsmarketings der E-Handwerke und der seit Jahren steigenden Auszubildendenzahlen! Waren 2021 noch 15.133 Ausbildungsstellen nicht besetzt, so lag die Zahl der offenen Stellen im Ausbildungsbereich 2022 bereits bei 15.828. Damit fehlt es an der wichtigsten Ressource, die das Branchenwachstum nachhaltig sichert: e-handwerklichen Nachwuchskräften. Und diese braucht es maßgeblich für einen erfolgreichen Wandel zur All Electric Society.

Bildungswende einläuten

„Was wir dringend benötigen, ist eine Bildungswende. Die hochwertige berufliche Ausbildung im Handwerk muss dieselbe Wertschätzung erfahren, wie die akademische Bildung. Andernfalls können die Menschen nicht mehr mit den Dienstleistungen versorgt werden, die benötigt werden und die Energiewende wird nicht gelingen“, kritisiert Alexander Neuhäuser: „Warme Worten werden jedoch nicht reichen, während in die akademische Ausbildung hunderte Millionen Euro fließen, muss sich das Handwerk mit einem Bruchteil an Förderung zufriedengeben. Die dringend erforderliche Modernisierung vieler handwerklicher Bildungseinrichtungen gerät regelmäßig in einen Bürokratiestau. Dass muss sich ändern, sollen Niveau und Attraktivität der Ausbildung steigen.“

Der ZVEH weist die Politik schon seit Langem darauf hin, dass ein nachhaltiger Fachkräfte-Aufbau nur auf Basis des bewährten dualen Ausbildungssystems und über eine Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung erfolgen kann. Die Forderung nach einer Bildungswende war auch Teil des Maßnahmenkatalogs, den die e-handwerkliche Organisation im Frühjahr 2022 zusammen mit der IG Metall und drei anderen handwerklichen Bundesverbänden aufgelegt und an die Politik adressiert hatte. Auch bei den beiden Wärmepumpengipfeln sowie im Branchendialog mit vier parlamentarischen Staatssekretären war die Notwendigkeit einer Bildungswende immer wieder thematisiert worden.

Digitalisierung und gewerkübergreifendes Arbeiten ausbauen

Allerdings ist klar: Selbst, wenn ein nachhaltiger Fachkräfteaufbau gelingt: Der zunehmende Bedarf an Fachkräften, der durch die mit der Energiewende einhergehende Elektrifizierung entsteht, lässt sich durch organisches Wachstum allein nicht decken. Alexander Neuhäuser setzt daher parallel auf eine stärkere Digitalisierung und mehr gewerkeübergreifendes Arbeiten, um die e-handwerklichen Betriebe zu entlasten und durch Effizienzsteigerungen und Prozessoptimierungen neue Freiräume für diese zu schaffen.

Wichtige Lösungsansätze sieht der ZVEH-Hauptgeschäftsführer zum einen in der Digitalisierung und Vereinfachung bürokratischer Prozesse wie beispielsweise bei Netzanschlussbegehren und Inbetriebnahmeverfahren. „Diese Verfahren sind bei mehr als 800 Netzbetreibern uneinheitlich geregelt. Echte digitale Schnittstellen fehlen. So dauern die Prozesse zu lange und binden unnötig Arbeitskraft“, ist Neuhäuser überzeugt und wirbt daher für bundesweit einheitliche Reglungen und digitalisierte Verfahren.

Einen Beitrag zu einem effizienteren Fachkräfte-Einsatz kann zudem gewerkeübergreifendes Arbeiten leisten. „Wenn sich jedes Handwerk mit seinen Kernkompetenzen einbringt, befreundete Gewerke eng zusammenarbeiten und Schnittstellen klar definiert sind, schafft das ebenfalls Freiräume“, so Neuhäuser. Der Hauptgeschäftsführer verweist dabei auf die Ende 2022 abgeschlossene Kooperation mit dem Dachdecker-Handwerk für den Bereich „Photovoltaik“. Auch die ebenfalls in 2022 erneuerte Verbändevereinbarung mit dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) sowie die gemeinsame Vereinbarung zum Eintrag ins Installateurverzeichnis sind für den ZVEH-Hauptgeschäftsführer wichtige Schritte in die richtige Richtung, insbesondere vor dem Hintergrund der Wärmepumpenoffensive.

Für 2023 hat sich die e-handwerkliche Bundesorganisation eine Intensivierung der Gespräche mit dem Kfz-Handwerk sowie mit den Kälte- und Klimatechnikern auf die Agenda gesetzt.

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