Deutsche Wohnungs- und Immobilienmärkte: zwischen Wachstum und Schrumpfung

In zahlreichen deutschen Regionen sind die Wohnungsmärkte angespannt, in anderen stagniert die Wohnungsnachfrage oder ist gar rückläufig. Während die Großstädte und Umlandgemeinden wachsen, schrumpfen viele kleine und mittelgroße Kommunen in ländlich geprägten strukturschwachen Gegenden. Gewinne bei der Binnen- und Außenwanderung sorgen in den Wachstumsräumen weiterhin für Wohnungsengpässe, obwohl die Neubautätigkeit stark angezogen hat. Die Preise für Bauland, Häuser und Wohnungen sowie die Angebotsmieten steigen hier weiter, wobei sich die Dynamik bei den Erst- und Wiedervermietungsmieten in vielen Großstädten zuletzt deutlich abgeschwächt hat.

Die Ergebnisse seines Wohnungs- und Immobilienmarktberichts hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) auf dem Bilanzkongress der Wohnraumoffensive in Berlin vorgelegt. Zentrale Erkenntnisse finden sich auch in den vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und dem BBSR herausgegebenen Faktenblättern zum deutschen Wohnungsmarkt 2021.

Wachsende Städte und Regionen erleben durch hohe Wanderungsgewinne eine stark wachsende Nachfrage nach Wohnraum. Die Bevölkerung der kreisfreien Großstädte wuchs im Zeitraum 2010 bis 2019 um 1,7 Mio. Einwohner (+7,5 Prozent). Dabei sind die Binnenwanderungssalden in einigen Großstädten wie München, Frankfurt am Main und Dresden wegen höherer Fortzüge ins Umland negativ. Andere Großstädte wie Potsdam, Leipzig und Ingolstadt wachsen durch vermehrte Zuzüge, besonders aus dem Inland. Die Bevölkerungsverluste in strukturschwachen ländlichen Räumen konnten durch die Außenzuzüge der letzten Jahre verringert werden, dennoch bleibt hier der Umgang mit Leerstand eine Herausforderung. Nach BBSR-Berechnungen standen im Jahr 2018 schätzungsweise 1,7 Mio. Wohnungen in Deutschland leer. Das entspricht 4,2 Prozent des Wohnungsbestands.

Wohnungsbautätigkeit und Bauüberhang deutlich gestiegen

Die Wohnungsbautätigkeit ist seit dem Tiefpunkt der Fertigstellungen im Jahr 2009 deutlich gestiegen. Das Niveau konnte auf gut 293.000 fertiggestellte Wohnungen im Jahr 2019 und damit um gut 84 Prozent erhöht werden. Für 2020 werden mehr als 300.000 fertiggestellte Wohnungen prognostiziert. Die Anzahl der Baugenehmigungen hat sich zwischen 2009 und 2019 sogar verdoppelt und lag 2019 bei knapp 361.000 Wohnungen. Für das Jahr 2020 zeichnet sich ein weiterer Anstieg der Baugenehmigungen ab.

Da die Anzahl der Baugenehmigungen die der Fertigstellungen seit 2009 übersteigt, gab es Ende 2019 gut 740.000 Wohnungen, die genehmigt, aber noch nicht fertiggestellt waren. Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass sich der positive Trend bei den Baufertigstellungen auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird.  

Anteil des Geschosswohnungsbaus steigt

Die Dynamik bei den Baufertigstellungszahlen wird fast ausschließlich von einem starken Anstieg der für den Mietwohnungsbau entscheidenden Fertigstellungen im Geschosswohnungsbau getragen. Mit rund 153.000 Wohnungen wurden 2019 fast dreimal so viele Wohnungen in neu errichteten Mehrfamilienhäusern fertiggestellt wie 2009. Für 2020 werden rund 161.000 fertiggestellte Wohnungen in neu errichteten Mehrfamilienhäusern (inkl. Wohnheime) prognostiziert. Die Baufertigstellungen von Wohnungen in neu errichteten Ein- und Zweifamilienhäusern liegen in den letzten Jahren bei etwas über 100.000 Wohneinheiten. Komplettiert werden die Baufertigstellungen durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden (2019: ca. 32.000 Wohnungen). Der Anteil des Geschosswohnungsbaus ist mittlerweile auf 59 Prozent der gesamten Wohnungsneubautätigkeit gestiegen.  

Neubautätigkeit fällt regional unterschiedlich aus

Sowohl beim Eigenheim- als auch beim Geschosswohnungsbau gibt es deutliche regionale Unterschiede. Schwerpunkte des Neubaus liegen in den Wachstumsstädten, in Umlandkreisen und ländlichen Kreisen im Süden, Westen und Nordwesten, in der Region Berlin sowie in touristisch attraktiven Räumen. In den großen Städten überwiegt der Mehrfamilienhausbau, während im Umland der Großstädte sowie in den ländlichen Regionen der Einfamilienhausbau dominiert. Der Anteil der Bautätigkeit in den kreisfreien Großstädten an der gesamtdeutschen Bautätigkeit wuchs zwischen 2005 und 2019 von 20 auf 30 Prozent, trotz limitierender Faktoren wie knappem Bauland und steigender Baulandpreise auf den angespannten städtischen Märkten. 

Angebotsmieten unterscheiden sich regional stark

Die durchschnittlichen Angebotsmieten für Wohnungen unterscheiden sich ähnlich wie die Immobilienpreise sehr stark zwischen den Regionen. Die Erst- und Wiedervermietungsmieten variierten im Jahr 2020 zwischen 4,69 Euro je Quadratmeter im Landkreis Lüchow-Dannenberg und 19,21 Euro je Quadratmeter nettokalt in der Stadt München. Die prosperierenden Groß- und Universitätsstädte heben sich deutlich von ihrem Umland ab. Von den Metropolregionen München, Stuttgart und Rhein-Main werden die hohen Mieten weit in die ebenfalls wirtschaftlich starken Umlandkreise getragen. In anderen Regionen wie Düsseldorf/Köln/Bonn oder Berlin reichen die hohen Mieten nur in das engere Umland. Dort schließen sich ländliche Räume mit deutlich niedrigeren Erst- und Wiedervermietungsmieten an. 

Mietendynamik lässt nach – besonders in den großen Großstädten

Mieten inserierter Wohnungen sind bei Erst- und Wiedervermietung deutschlandweit im Jahr 2020 nur noch um 3,1 Prozent auf 9,16 Euro pro Quadratmeter nettokalt gestiegen. Der Preisanstieg hat sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Prozentpunkt verringert. Die Rückgänge der Mietensteigerungen werden vor allem im zweiten Halbjahr 2020 deutlich. Hier sind die Erst- und Wiedervermietungsmieten bundesweit im Vergleich zum ersten Halbjahr nur noch um 0,7 Prozent gestiegen – der niedrigste Halbjahresanstieg seit 2010. 

Die deutlichste Abschwächung der Steigerungsraten bei Erst- und Wiedervermietungen ist in den Großstädten über 500.000 Einwohner zu erkennen. 2020 sind die Erst- und Wiedervermietungsmieten hier um 2,9 Prozent gestiegen; im zweiten Halbjahr nur noch um 0,9 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr. 

Die höchsten Steigerungen der Erst- und Wiedervermietungsmieten hatten im Jahr 2020 bundesweit die städtischen Kreise mit 3,8 Prozent (zweites Halbjahr im Vergleich zum ersten Halbjahr: 1,1 Prozent). Dabei handelt es sich häufig um Umlandkreise prosperierender Städte, in denen die Wohnungsnachfrage in den letzten Jahren ebenfalls stark zugelegt hat.

Die Nettokaltmieten nach Verbraucherpreisindex, welche sich vor allem auf Bestandsmieten beziehen, haben im Durchschnitt der letzten vier Jahre um 1,4 Prozent zugelegt – ungefähr auf dem Niveau der allgemeinen Preisentwicklung. In den kreisfreien Großstädten stiegen die Nettokaltmieten im Durchschnitt der letzten vier Jahre um 1,6 Prozent. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2020 hat die allgemeine Preisentwicklung spürbar nachgelassen. Auch die Entwicklung der Nettokaltmieten stagnierte deutschlandweit im Dezember 2020. 

Mehrheit der Großstädte mit qualifiziertem Mietspiegel

Mietspiegel sind ein wichtiges Instrument zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Wohnungsmieten und Mieterhöhungsverlangen. Rund 1.000 Kommunen (9 Prozent) bezogen sich im ersten Halbjahr 2020 auf Mietspiegel. 53 Prozent der Großstädte verfügen über einen qualifizierten Mietspiegel.

Baulandengpässe in vielen Großstädten bei abnehmender Preisdynamik

Die Preise für Bauland stiegen zwischen 2010 und 2019 bundesweit um 84 Prozent. Das ist ein deutlich stärkerer Anstieg als bei den Preisen für Wohnimmobilien selbst sowie bei den Erst- und Wiedervermietungsmieten. Der Preisanstieg spiegelt die Knappheit von Wohnbauland in vielen städtisch geprägten Regionen wider. Die Preise für neu erstellte Wohnimmobilien sind im gleichen Zeitraum um rund 47 Prozent, für bestehende Wohnimmobilien um rund 55 Prozent gestiegen. Beim Vergleich der Jahre 2019 und 2018 ist bei den Preisen für neu erstellte Wohnimmobilien und Bauland eine abnehmende Dynamik zu beobachten. Die Preise stiegen im Jahr 2019 also weniger stark an als in den vorherigen Jahren.  

Erwerbsnebenkosten und Immobilienerwerb

Hohe Transaktionskosten erschweren die Eigentumsbildung. Nach Berechnungen des BBSR liegen die Nebenkosten beim Immobilienerwerb für die Käufer je nach Bundesland aktuell zwischen knapp 5 und 11,5 Prozent. Dazu zählen Kosten für die Grunderwerbsteuer, den Notar, den Grundbucheintrag und optional den Makler. Um die Kosten für den Erwerb selbstgenutzten Wohnraums bei den Maklerkosten zu senken,  sind  am 23. Dezember 2020 neue gesetzliche Regeln zur Maklerprovision in Kraft getreten, wonach sich Käufer und Verkäufer die Maklerkosten teilen.

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