Regierung muss
soziale Verantwortung übernehmen

„Moment mal!“: Die Bundes­arbeits­­gemeinschaft Immo­bilien­wirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.

Nach monatelangem chaotischen Hin und Her hat die Ampel-Koalition jetzt das Gebäudeenergiegesetz (GEG) beschlossen. Ohne jegliche Änderungen, obwohl das oberste deutsche Gericht das von der Regierung beabsichtigte zügige Durchwinken kurz vor der Sommerpause untersagt hatte. Doch nicht nur die Chance auf dringend notwendige Verbesserungen des Gesetzes wurde – mit voller Absicht – verpasst, sondern noch viel schlimmer: Im Moment der Verabschiedung der Regelungen für den Heizungstausch fehlte die Grundlage für eine praxistaugliche und finanzielle Umsetzung komplett. Ein ernstzunehmendes Förderkonzept ist immer noch Fehlanzeige. Ein unglaublicher Vorgang, der in unserer sozialen Marktwirtschaft seinesgleichen sucht.    

Was bislang überhaupt in puncto Förderkonzept beim GEG vonseiten der Regierung vorliegt, würde Mieter und Vermieter gegenüber selbstnutzenden Eigentümern massiv benachteiligen. Ausgerechnet für vermietete Mehrfamilienhäuser, in denen ein Großteil der Haushalte mit niedrigen Einkommen lebt, soll der Heizungstausch deutlich schlechter als bisher und viel geringer als in Einfamilienhäusern gefördert werden. Das ist eine große soziale Ungerechtigkeit. Rund 60 Prozent der Haushalte wohnen zur Miete. Neben dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland stehen so weiterhin die Akzeptanz und der Erfolg der Energiewende insgesamt auf dem Spiel.

Die Wohnungs- und Immobilienunternehmen arbeiten aktiv und mit Hochdruck an der Dekarbonisierung ihrer Gebäude, um das gesetzte Ziel des klimaneutralen Gebäudebestandes im Jahr 2045 zu erreichen. Die laut Entschließungsantrag der Ampel-Koalition vorgesehene Förderung sieht aber weder tragbare Lösungen für das bezahlbare Wohnen noch notwendige Investitionsanreize für den Klimaschutz vor. Im Gegenteil: Die generelle Förderobergrenze für vermietete Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ist zu niedrig angesetzt und vor allem ist die Degression ab der siebten Wohneinheit völlig unverhältnismäßig und nicht durch eine entsprechende Degression der Kosten gedeckt. Gleichzeitig soll der Geschwindigkeitsbonus ebenso wie der Sozialbonus nicht für Mieter und Vermieter von Mehrfamilienhäusern gelten.

Dringend notwendig ist deshalb ein verlässliches und auskömmlich finanziertes Fördersystem für den Heizungstausch. Die Ampel-Koalition hätte es, genau wie ein praxistaugliches Wärmeplanungsgesetz, bereits vor der Verabschiedung des GEG vorlegen müssen. Das hätte den Gesetzgebungsprozess vorbildlich und unserer Demokratie würdig gemacht – und viel Unsicherheit und Unmut in der Bevölkerung wäre vermieden worden. Nicht umsonst sind die Zustimmungswerte der Regierung im Keller.

Es muss jetzt dringend nachgearbeitet werden. Die Grundförderung für Heizungen muss wie bisher auch die gesamte heizungstechnische Anlage einschließlich Umfeldmaßnahmen um-fassen. Beide vorgesehenen Boni – der Sozialbonus und der Klima-Geschwindigkeitsbonus – müssen auch den vielen Mieterhaushalten im Land zugutekommen. Die maximalen Förderkosten müssen die realen Investitionskosten berücksichtigen, ab der siebten Wohneinheit 10.000 statt bislang 3.000 Euro Förderung vorsehen sowie als maximale Fördergrenze für die erste Wohneinheit 45.000 € für den Regelfall und 60.000 € für besonders kostenintensive klimafreundliche Wärmelösungen. Ein zinsverbilligtes Kreditprogramm mit Tilgungszuschüssen ist ebenso notwendig wie eine Anhebung und Dynamisierung der vorgesehenen, sehr niedrigen Kappungsgrenze von 50 Cent pro m² und Monat bei Mieterhöhungen im Rahmen des Heizungstauschs.

Die Ampel-Koalition muss jetzt zügig handeln und diese sozial sowie wirtschaftlich notwendigen Grundpfeiler für den Heizungstausch umsetzen. Dann klappt’s auch mit den Zustimmungswerten – und mit dem, worum es eigentlich geht: bezahlbarem Klimaschutz.

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