Ökologisches Gesamtkonzept
Mitten auf dem Rathausplatz von Bischofswiesen im Berchtesgadener Land steht ein gelungenes Beispiel für einen durchdachten Schul-Neu- bzw. Anbau. Die Beteiligten betrachteten bei der Umsetzung das große Ganze – und erschufen ein stimmiges, modernes Gesamtkonzept einschließlich gewerkübergreifender Gebäudeautomation und flexiblem Thermosystem.
Lernen im Wandel der Zeit
Die Schule Bischofswiesen blickt auf eine lange Geschichte zurück: Bereits 1711 wurde eine Winterschule eingerichtet; das erste Schulhaus folgte knapp 100 Jahre später. 1924 beschlossen die damaligen Gemeinderäte, ein neues Zentrum in Bischofswiesen zu errichten. Es umfasste das heutige Schulzentrum sowie das Rathaus und die katholische Pfarrkirche.
Seit 2010 besteht ein Schulverbund zwischen Bischofswiesen und Berchtesgaden. Dieser ermöglicht es den Bildungseinrichtungen, ihre Angebote – insbesondere den M-Zug und arbeitspraktische Fächer – gemeinsam zu organisieren. So können alle ca. 600 Schüler der heutigen Grund- und Mittelschule Bischofswiesen sowie der Berufsfachschule für Kinderpflege von der ersten bis zur zehnten Klasse wohnortnah unterrichtet werden und dabei von einem erweiterten Fächer- und Abschlussangebot profitieren.
Rahmenbedingungen und Realisierung
2022 war die Zeit reif für eine Modernisierung. Der Umbau sollte in drei Phasen stattfinden, denn der Schulbetrieb musste in dieser Zeit weitergehen. „Das war wie eine Operation am offenen Herzen“, sagte der Bürgermeister von Bischofswiesen, Thomas Weber. Es wurde viel improvisiert, denn man wollte Schulunterricht in Containern vermeiden.
Im abzureißenden Trakt waren Versorgung und Entsorgung sowie der zentrale Serverraum der Schulen untergebracht. Übergangslösungen mussten geschaffen werden, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten und die Gebäude beheizen, ver- und entsorgen zu können. Das neue Gebäude sollte Räumlichkeiten für Fachräume, Klassenräume und eine große Aula und Mensa sowie die erforderlichen Räume der Gebäudetechnik beinhalten. Verbunden wurden beide Teile über ein bestehendes Treppenhaus und ein neu errichtetes Treppenhaus. Teilweise arbeiteten mehrere Gewerke gleichzeitig Hand in Hand, um das Ganze so schnell wie möglich zu realisieren.
Sanierung mit System
Um dem Zeitgeist und der neuen schulischen Auslegung gerecht zu werden, entschloss man sich für einen Anbau mit einer komplexen, dem neusten Standard entsprechenden Gebäudeleittechnik – mit allem, was dazu gehört. „Ich würde sogar sagen, dass die Schule in Bischofswiesen nun eine der modernsten in der Umgebung ist“, erzählt Hermann Walter, ehem. Ingenieurbüro Schoberth & Partner mbb aus Bad Reichenhall.
Aber warum genau? Das neue viergeschossige Schulgebäude sollte den bisherigen Anbau ersetzen, der den räumlichen Anforderungen nicht mehr gerecht wurde. Jede Etage wurde in individuellen Farbtönen gestaltet, die zur Orientierung dienen und zum Wohlbefinden von Schülerschaft und Lehrkräften beitragen soll. Durch gezielte akustische Maßnahmen wurden die Sprachverständlichkeit verbessert und der Geräuschpegel im Schulalltag reduziert. Das fördert nicht nur die Konzentration und den Lernerfolg der Schüler, sondern minimiert auch die Stressbelastung für Lehrkräfte. Außerdem führt es zu einem gesünderen Raumklima.
Bestmögliche Lernatmosphäre
Das Raumklima beschreibt alle Bedingungen in einem Raum – wie Temperatur, Luft, Licht und Geräuschdichte. Diese Faktoren beeinflussen maßgeblich das subjektive Wohlbefinden des einzelnen Menschen. Da man diese Punkte bei der Schulplanung bedacht hatte, wurde auch hier die Technik auf den neusten Stand gebracht: Die Unterrichtsräume sind mit WLAN, LAN und hellen digitalen Whiteboards ausgestattet. Tablets ermöglichen die Steuerung von Licht, Heizung und Kühlung über die sogenannte Delta Control App. Jede Lehrkraft hat einen eigenen Zugang zur Regelung und die Möglichkeit, in jedem Klassenzimmer und zu jeder Zeit die Beleuchtung, Beschattung und Raumtemperatur zu steuern. Um das Prozedere zu vereinfachen, erhielten alle Klassenzimmer einen eigenen QR-Code, der direkt zum individuellen Auswahlmenü führt.
Bei dem Lichtkonzept richtete man sich nach einer Em-pfehlung für „biologisch wirksames Licht in Schule und Bildung“. Die Leuchten für die dynamische Lichtkonzeption, welches sich nicht nur dem Tageslicht anpasst, sondern auch raum- und stimmungsabhängig geschaltet werden kann, kam vom jungen österreichischen Unternehmen planlicht GmbH & Co. KG aus Vomp.
Außerdem sind alle Klassenzimmer mit CO₂-Sensoren ausgestattet. Je nach Zustand der Luftqualität signalisieren sie im Ampelsystem von grün, gelb und rot, wann wieder ein Fenster geöffnet werden sollte. Man entschied sich bei diesem Bauvorhaben aktiv gegen ein Lüftungssystem, weil die Verantwortlichen sich einig waren, dass die Luftqualität in der Gemeinde so gut sei, dass es keiner technischen Alternative zur Fensterlüftung bedürfe.
Vom Klick zur Technik
In Sachen Energieeffizienz sollte das Gebäude ebenfalls Maßstäbe setzen: Eine 66,42 kWp große Photovoltaikanlage und ein Blockheizkraftwerk mit 50 kW elektrischer und 80 kW thermischer Leistung, das zusätzlich andere kommunale Einrichtungen versorgen soll, tragen zur nachhaltigen Energieversorgung bei. Die damals werksfrischen und brandneuen Gasthermen Logamax plus mit 150 kW, die auch bei niedrigen Temperaturen hohe Nennwärmeleistungen von 50/30 °C erzielen, runden das Energiekonzept ab.
Wohlfühltemperaturen im Wechselspiel
Eine logische Ergänzung zu den Wärmeerzeugern fand sich in den Thermosystemen des ortsansässigen Herstellers PYD. Auf Basis einer detaillierten thermischen Gebäudesimulation wurde im Planungsprozess besonderes Augenmerk auf die Optimierung der thermischen Behaglichkeit gelegt sowie auf die Sicherstellung eines stabilen und komfortablen Raumklimas. Für das Planungsbüro Schoberth & Partner mbb aus Bad Reichenhall kam hier nur das PYD-ALU FLOOR Nass Thermosystem infrage.
Das System basiert auf einer flächendeckenden Wärmeübertragung mittels spezieller Thermoleitbleche aus Aluminium, die direkt unterhalb des Bodenbelags in-stalliert werden. Diese Konstruktion gewährleistet eine gleichmäßige Temperaturverteilung und ermöglicht den Betrieb mit sehr niedrigen Systemtemperaturen (< 25 °C). Das Ergebnis: kurze Regelzeiten und eine hohe Energie-effizienz. Die Heizleistung kann mit minimalen Vorlauftemperaturen (< 30 °C) bedarfsgerecht bereitgestellt werden. Das ist insbesondere bei Einsatz regenerativer Wärmeerzeuger von Vorteil .
Eine besondere Eigenschaft der PYD-Thermosysteme liegt in ihrer hohen spezifischen Kühlleistung von über
50 W/m² im normgerechten Auslegungsfall gemäß
VDI 2078. Die Wärmeabfuhr erfolgt über die gekühlte Bodenfläche in Form von Aufnahme der Wärmestrahlung. Wenn also sommerliche Außentemperaturen herrschen und Sonneneinstrahlung oder Personen die Räume aufheizen, kann diese „thermische Last“ vom System effizient aufgenommen werden. Diese Raumkühlung funktioniert zu niedrigen Betriebskosten und zugluftfrei, was den thermischen Komfort deutlich erhöht.
Unverhoffte Kühlungsoption entdeckt
Ursprünglich hatte das PYD-Thermosystem der Schule ohne Kühloption laufen sollen. Doch dann rückte fast zufällig ein geothermisches System zur Kältebereitstellung auf den (Bau-)Plan. Ein findiger Mitarbeiter des Planungsbüros machte nebenbei eine Bemerkung, die alles ins Rollen brachte: „Eine Grundwasserhaltung für das gesamte Sanierungsprojekt stand sowieso auf der Agenda. Für einen kleinen monetären Mehraufwand könnte man das Ganze auch direkt zum Kühlen nutzen“ erinnert sich Hermann Walter.
Die Idee fand sofort Anklang und war schnell beschlossene Sache. Was zu diesem Zeitpunkt jedoch niemand ahnen konnte: Mehrere Grundbohrungen kamen zu keinem Ergebnis. Daher musste eine Sondererlaubnis zur Oberflächenwassernutzung her. Man errichtete ein ca. 4 m langes Sammelbecken mit Drainagewasser aus dem Grundwasser – und nutzte dies nun zur hydraulischen Einbindung des separaten Kühlkreises.
Fazit zur „Premium-Baustelle“
Der Neubau ist darauf ausgelegt, den Anforderungen einer zeitgemäßen, zukunftsorientierten Schule voll und ganz zu entsprechen. Das ökologische Gesamtkonzept, das
Barrierefreiheit, Digitalisierung, Energieeinsparung und Behaglichkeit vereint, konnte von allen Baubeteiligten vollständig umgesetzt werden.
Das Zusammenspiel der einzelnen Gewerke verlief vorbildlich in jeglicher Hinsicht: „Wir hatten mit allen Firmen ein riesiges Glück. Der gesamte Ablauf verlief zügig und unkompliziert“, erzählt Rupert Walch von der Gemeinde Bischofswiesen. Auch Hermann Walter schwärmt von dieser Premium-Baustelle, wie er sie gern nennt: „In meinen 17 Jahren als Bauleiter war das die beste Baustelle, an der ich beteiligt war. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten war hervorragend. Es konnten alle architektonischen und technischen Voraus-setzungen ohne große Kompromisse eingehalten werden. Die Baustelle war im Zeitplan und im Kostenrahmen. Besser kann es nicht laufen!“
