Denkmalschutz

Oase für verletzte Seelen

Therapeutische Nutzung, Denkmalschutz und Realisierung auf engstem Raum: Das Anforderungsprofil für den Erweiterungsbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier war vielschichtig. Bei der für die Ensemblewirkung entscheidenden Fassadengestaltung konnte sich das Büro Heinrich Lessing Architekten handwerklich auf die Firma Dahm aus Bernkastel-Kues verlassen. Die Arbeit wurde mit dem Gewinn des Brillux Design Awards 2021 in der Kategorie Öffentliche Gebäude ausgezeichnet.

Wie muss ein Gebäude konzipiert sein, in dem die Kleinsten unserer Gesellschaft wieder gesund werden können? Wie lässt sich dieses Gebäude zudem harmonisch in einen denkmalgeschützten Straßenzug einfügen und in den hofseitigen Freiraum hinein entwickeln – mitten in einer verdichteten städtischen Struktur? „Schon bei der ersten Begehung hatten mein Partner Heinrich Lessing und ich eine Idee, wie wir den roten Faden des Ortes aufnehmen, seine Geschichte fortschreiben und etwas der Nutzung angemessenes Neues mit Bezug schaffen“, erinnert sich Stefan Paulus.

Der 41-jährige Architekt ist Geschäftsführer von Heinrich Lessing Architekten aus Mainz. Mit seinem Entwurf konnte das Büro den 2017 ausgeschriebenen Wettbewerb um den Trierer Erweiterungsbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Mutterhaus der Borromäerinnen für sich entscheiden und im Jahr 2021 den ersten Abschnitt fertigstellen.

Nicht nur ein Gebäude, sondern einen Ort entwickeln

Vorgefunden hatten die Architekten ein niedriges dreigeschossiges Wohngebäude von 1760, das sich neben höheren Nachbarhäusern in dem unter Denkmalschutz stehende Ensemble der Krahnenstraße einfügte. Weder die vorhandenen Geschosshöhen noch die Bausubstanz des historischen Baukörpers erlaubten eine direkte Umnutzung für den neuen barrierefreien Klinikzweck. Das Gebäude wurde rückgebaut, durch einen ebenfalls dreigeschossigen Mauerwerksbau mit höheren Raumhöhen ersetzt und seine Geschichte dennoch in die Zukunft getragen.

Vor dem Rückbau ließ das Büro die Sandstein-Fensterfassungen des Erdgeschosses und 1. Obergeschosses ausbauen und integrierte sie in neuer Ordnung in die heutige Fassade. Zur Hofseite des Gebäudes hin stand ein freies Grundstück zur Verfügung. Hier verorteten die Architekten einen schmalen Riegel, der über alle Ebenen mit dem straßenseitigen Gebäude verbunden und aus Betonfertigteilen konstruiert ist.

Das gesamte Gebäudevolumen bietet nun genügend Raum für eine Bettenstation mit zehn Plätzen, Therapie- und Untersuchungsräume sowie eine Tagesschule für die jungen Patientinnen und Patienten. Ein geschützter Freibereich mit Gemeinschaftshof und Ruhegarten ergänzt das Rehabilitationsangebot und bietet, durch seine Ausformung als tradierter Hinterhof, auch den Nachbarhäusern Mehrwert. „Wichtig war uns, alle Wege und Räume im Haus mit natürlichem Licht zu versorgen“, betont Stefan Paulus. „Die Ausrichtung und Gestaltung der Außen- und Innenräume soll die Genesung der Kinder und Jugendlichen bestmöglich fördern.“

Bauen, das Bezüge herstellt

Ob auf die Nutzung, den Stadtraum oder auf denkmalpflegerische Gesichtspunkte bezogen: Der Entwurf denkt das Leitmotiv des Ensembles überall mit und verwirklicht sie bis ins Detail. Ganz in diesem Sinne wurden die beiden Baukörper über ihre mit Mineralwolle-Platten gedämmten Fassadenflächen mit zwei verschiedenen Putzstrukturen und einem einzigen hellen, warmen Beigefarbton zusammengeführt. Der Baukörper an der Krahnenstraße ist als Mauerwerksbau (Hochlochziegel) verputzt. Der glatte, feine Filzputz der straßenseitigen Gebäudehülle bezieht sich auf die Oberflächenstrukturen der historischen Nachbargebäude. Auf der hofseitigen Fassade taucht sie im Erdgeschossbereich wieder auf. „Der feine Filzputz greift so von vorn nach hinten um den gesamten Gebäudekomplex einmal herum“, sagt Stefan Paulus. 

Die beiden oberen Geschossflächen des rückwärtigen Baukörpers dagegen sollten die positive Lebendigkeit des Ortes weiter ausgestalten. Ein Kratzputz mit drei Millimeter Körnung schafft nun das gewünschte subtile Licht- und Schattenspiel. Eine handwerklich lebendige Handschrift statt einer industriell stumpfen Optik war für beide Putzstrukturen gesetzt. Verwirklicht haben sie, wie auch die Dämmung und die abschließende Farbgestaltung, die Maler und Stuckateure der Firma Dahm aus Bernkastel-Kues. „Schon die Feinabstimmung des Farbtons und der Putzstrukturen zusammen mit der Bauherrin und den Architekten hat uns großen Spaß gemacht“, so Inhaber Peter Dahm.

Mit großflächigen Bemusterungen und technischer Expertise hat der Betrieb den Gestaltungsprozess mit vorangetrieben und optimiert. Diese Gemeinschaftsleistung von Planung und Handwerk schätzt auch der Architekt: „Wir mögen den Dialog mit erfahrenen Fachleuten und sind immer bereit, eine Idee zu verwerfen, wenn uns ein gutes Argument überzeugt.“

Ohne Abstriche: Aus vorbildlicher Idee wird ausgezeichnete Realität

Das mit viel Leidenschaft realisierte Gebäude steht bereits seit zwei Jahren im Dienst der jungen Patientinnen und Patienten. Für die Planer und den Handwerksmeister bleibt das Projekt etwas Besonderes. „Das Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen ist jedem in unserer Region ein Begriff. Entsprechend ist die Mitarbeit am Erweiterungsbau für uns eine tolle Referenz“, betont Peter Dahm. Stefan Paulus ergänzt: „Mich beeindruckt und erfreut bis heute, dass die erste Idee zu diesem Bauvorhaben nahezu identisch ist mit seiner Realisation – dank einer starken Leistung aller Beteiligten, speziell auch der Bauherrin.“

Das sah auch die Jury des Brillux Design Awards 2021 so. Die Auszeichnung wurde im Herbst 2022 in Münster verliehen. Das überzeugende Konzept und vor allem seine kluge und sensible Umsetzung brachten dem Erweiterungsbau in Trier den Gewinn des Wettbewerbs in der Kategorie Öffentliche Gebäude ein.

Alle Informationen zum Brillux Design Award und zur Einreichung der Teilnahmeunterlagen für 2025 gibt es unter www.brillux.de/design-award

Bautafel

Standort:
Krahnenstraße 6, 54290 Trier

Eigentümerin:
Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen GmbH, Trier

Planer:
Heinrich Lessing Architekten PartGmbB, Mainz

Handwerksbetrieb:
Dahm, Bernkastel-Kues

Eingesetzte Brillux-Produkte

– BaseTec 3540

– Mineral-Leichtputz KR/R

– MW Top Lamelle 3611

– Perimeter-Dämmplatte 3537

– Ultrasil HP 1901

– WDVS Leichtmörtel XL 3532

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