Klimaneutraler Gebäudebestand

Digitale Effizienz statt Sanierungsstau

Der Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand ist eingeschlagen – doch hohe Investitionskosten, fehlende Fachkräfte und unklare Rahmenbedingungen bremsen das Tempo. Laut Umweltbundesamt droht der Gebäudesektor seine Klimaziele bis 2030 um rund 110 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zu verfehlen.

Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der ineffizienten Wärmeversorgung: Etwa 70 bis 80 % der gebäudebezogenen Emissionen entfallen auf die Wärmebereitstellung – damit liegt hier ein enormer Hebel zur Emissionsminderung. Digitale Retrofit-Lösungen setzen genau dort an und entfalten unmittelbar Wirkung.

Der Weg zu klimaneutralen Gebäuden ist komplex: Auf der einen Seite stehen ambitionierte Klimaschutzziele und verschärfte regulatorische Vorgaben. Auf der anderen Seite müssen Wohnungsunternehmen bezahlbaren Wohnraum erhalten, wirtschaftlich tragfähige Investitionsentscheidungen treffen und die Akzeptanz ihrer Mieter sichern.

Klassische Maßnahmen wie Dämmung, der Austausch von Heizungsanlagen oder der Umstieg auf Wärmepumpen sind zweifellos wichtige Bausteine der Energiewende. Doch sie sind teuer. In der Regel sind sie mit 500 bis 1.500 Euro pro Quadratmeter zu veranschlagen und benötigen erhebliche Fachkräftekapazitäten. Angesichts angespannter Budgets und eines chronischen Handwerkermangels lässt sich eine flächendeckende energetische Sanierung des gesamten Wohnungsbestands kurzfristig nicht realisieren.

Das Dilemma: Ohne zügige Emissionsreduktion drohen die Verfehlung nationaler und europäischer Klimaziele – und in der Folge hohe Strafzahlungen. Diese zusätzlichen Belastungen erhöhen mittelbar auch den Kostendruck auf die Bruttomieten. Hier kommen digitale Technologien ins Spiel – nicht als Ersatz, sondern als beschleunigender Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Retrofit-Lösungen statt Baustelle

Digitale Retrofit-Lösungen, also nachrüstbare Systeme, die sich in den vorhandenen Gebäudebestand integrieren lassen, bieten einen pragmatischen Weg, schnell und kosteneffizient messbare Effizienzgewinne zu erzielen. Sie setzen genau dort an, wo der größte Hebel liegt: bei der Steuerung und Optimierung der Wärmeversorgung. Ein Beispiel hierfür sind smarte Thermostate. Eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) aus dem Jahr 2023 belegte durchschnittlich 15 % Einsparungen durch ihren Einsatz in Mehrfamilienhäusern. Das deckt sich mit den Einsparergebnissen weiterer Studien aus dem Bereich der privaten Einfamilienhäuser, etwa von der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. oder der Stiftung Warentest.

Die dafür notwendigen Investitionen liegen bei lediglich 12 bis 15 Euro pro Quadratmeter und sind zudem über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) förderfähig. Im Vergleich zu einer klassischen energetischen Sanierung sind die Kosten also um ein Vielfaches geringer und die Wirkung tritt sofort ein.

Digitaler hydraulischer Abgleich und KI-basierte

Heizungsoptimierung

Ein weiteres Beispiel für geringinvestive digitale Lösungen auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand ist der adaptive hydraulische Abgleich über smarte Thermostate. „Die smarten Thermostate – wir bei noventic nennen diese ‚Heat Control‘ – sorgen im Hintergrund kontinuierlich für eine bedarfsgerechte und optimale Wärmeverteilung im Sekundärkreislauf, ohne, dass aufwendig Ventile getauscht oder komplexe Eingriffe in die Heizanlage vorgenommen werden müssen“, erklärt Dr. Bardia Rostami, Leiter Business Development bei KALO, das als eigenständiges Unternehmen zur noventic group gehört. „So können Wohnungsunternehmen den Vorgaben des GEG §60c rechtssicher entsprechen und zugleich Energie, CO₂- und Verbrauchskosten einsparen.“

Noch weiter geht KI-gestütztes Heizanlagen-Monitoring: „Bei unserer Lösung ‚Heat Sense‘ erfassen Sensorik und intelligente Algorithmen kontinuierlich den tatsächlichen Zustand der Zentralheizung und gebäudeweiten Wärmebedarfe und leiten daraus Optimierungsvorschläge für die Einstellungen der Zentralheizung ab“, so Rostami. Im Gegensatz zu pauschalisierenden Modellannahmen spiegelt diese datenbasierte Optimierung die heterogene Realität des deutschen Gebäudebestands präziser wider und spart dauerhaft Energie, ohne den Wohnkomfort der Mieter zu beeinträchtigen.

Echtzeitdaten schaffen Investitionssicherheit

Neben den unmittelbaren Einsparungen liefern die Lösungen einen weiteren, oft unterschätzten Mehrwert: die kontinuierliche Erhebung und Auswertung von Echtdaten über den tatsächlichen Wärmebedarf. Diese Transparenz schafft belastbare Grundlagen für Investitionsentscheidungen. „Traditionell planen Wohnungsunternehmen bei der Dimensionierung von Heizungsanlagen großzügige Sicherheitsreserven ein, was nicht selten zu überdimensionierten und damit teuren Anlagen führt. Echtzeitdaten zeigen dagegen präzise, welcher Bedarf tatsächlich besteht, und ermöglichen eine passgenaue Auslegung neuer Technik. So werden Fehlinvestitionen vermieden und die wirtschaftlich tragfähige Dekarbonisierung des Bestands erleichtert“, sagt Rostami.

Balance zwischen Regulierung, Wirtschaftlichkeit und Mieterinteressen

Digitale Retrofit-Lösungen schlagen also die Brücke zwischen den regulatorischen Anforderungen und den Interessen von Vermietern und Mietern. Die CO₂-Bepreisung schafft ökonomische Anreize für Emissionsminderung – gleichzeitig erwarten Vermieter und Mieter ökonomisch schulterbare und langfristig planbare Szenarien für klimafreundliches, bezahlbares und sicheres Wohnen. Zudem fördern Apps, die den Bewohnern Einblick in den eigenen Energieverbrauch geben und individuelle Steuerungsmöglichkeiten eröffnen, ein sparsames Heizverhalten. Während Vermieter gesetzliche Vorgaben erfüllen und gleichzeitig Betriebskosten senken, können Mieter – aber auch Vermieter – von den Effizienzgewinnen wirtschaftlich profitieren. So entsteht ein ausgewogener Kosten-Nutzen-Ausgleich, der die Akzeptanz für die Transformation deutlich erhöht.

Digitale Technologien sind daher keine Konkurrenz zu klassischen Sanierungsmaßnahmen, sondern eine notwendige Vorstufe. Sie reduzieren kurzfristig vermeidbare Energieverbräuche, bereiten den Weg für den späteren Technologiewechsel und verschaffen der Wohnungswirtschaft die nötige Zeit, langfristige Investitionen strategisch zu planen. Schon heute zeigen die Erfahrungen: Wo digitale Lösungen etabliert sind, lassen sich CO₂-Emissionen schneller und wirtschaftlicher senken, ohne den Spagat zwischen Klimaschutz und bezahlbarem Wohnen zu überdehnen.

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