Nachgefragt

BBB-Interview: …, dass wirklich alle mitein­ander kommunizieren können

„EinBlicke – Leben, Wohnen, Arbeiten in der Welt von morgen“ lautete das Thema des 25. Aareon-Kongresses. Mit Dr. Manfred Alflen, Vorstandsvorsitzender der Aareon AG, sprach Jola Horschig, Redakteurin des BundesBauBlattes, im Rahmen der Veranstaltung über aktuelle Entwicklungen, Trends und Datensicherheit.

Herr Dr. Alflen, welche Chancen bietet die Digitalisierung der Wohnungswirtschaft?

Dr. Manfred Alflen: Die Digitalisierung bietet der Wohnungswirtschaft die Chance, den großen Trends, die im Zusammenhang mit den Themen Demografie und Energiewende stehen, zu begegnen und für das eigene Unternehmen und für die Mieter zu nutzen. Dies betrifft beispielsweise die Optimierung und Veränderung bestehender Prozesse und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Welche Voraussetzungen braucht die Wohnungswirtschaft dafür?

Dr. Manfred Alflen: Sie sollte in einem ersten Schritt im Unternehmen die Voraussetzungen in Form einer klaren Strategie schaffen. Dazu gehört, sich mit den genannten Themen auseinander zu setzen und die Entscheidung zu treffen, in welche Geschäftsfelder man gehen und wie man die Kundenbeziehungen in Zukunft pflegen will. Hier stellt sich dann auch die Frage, welche Technologien dafür erforderlich sind und welchen Betrag man zu investieren bereit ist.

Im zweiten Schritt geht es darum, die IT entsprechend auf- und umzubauen. Bislang wird die Digitalisierung in den Wohnungsunternehmen sehr gekapselt genutzt. Ich meine damit, dass sie sich im Wesentlichen auf die Optimierung der Verwaltungsprozesse beschränkt. Aspekte wie das mobile Arbeiten und die entsprechende IT-Unterstützung sowie die digitale Vernetzung mit Partnern und das so genannte Internet der Dinge spielen derzeit noch eine eher untergeordnete Rolle. Der Zugang der Mitarbeiter zum Internet ist mittlerweile Standard, doch damit ist noch keine vernetzte Umgebung geschaffen, wie wir sie aus anderen Industrien kennen.

Berät Aareon die Wohnungswirtschaft hinsichtlich Strategie und Implementierung?

Dr. Manfred Alflen: Wir weisen in unseren Projekten darauf hin, dass im Vorfeld gewisse organisatorische Themen geklärt werden müssen und dass vor einer Erweiterung des digitalen Angebots erst das unternehmensinterne Change-Management ansteht. Wir selbst sind auf die Umsetzung durch unsere IT-Lösungen aus der Aareon Smart World fokussiert und arbeiten bei den Beratungsthemen mit bewährten Partnern aus der Wohnungswirtschaft zusammen.

Wie bedeutsam das ist, möchte ich anhand des Beispiels eines Mieterportals erklären. Grundlegende Voraussetzung dafür ist die Schaffung einer Organisation, die in integrierten Prozessen arbeitet. Damit verbunden ist ein Verständnis über die Verzahnung verschiedener Unternehmensbereiche, um dem Kunden einen guten Service bieten zu können. Die digitale Welt erfordert viel schnellere Reaktionszeiten und bietet den Mietern viel mehr Transparenz über die Abläufe. Um dieser Erwartungshaltung gerecht werden zu können, sollte sich ein Wohnungsunternehmen über den erforderlichen Veränderungsprozess Gedanken machen. Wenn, um bei dem Beispiel zu bleiben, der Mieter in seinem Mieterportal einen Instandhaltungsauftrag abgibt, kann er auch sehen, was aus seiner Anfrage geworden ist. Also, ob die Meldung weitergeleitet wurde und ob der Handwerker schon kontaktiert wurde. Idealerweise hat der Handwerker bereits einen Termin erhalten. Den Vorgang beendet der Mieter nach Umsetzung und Abschluss der beauftragten Maßnahme mit einem Feedback. Auf die Transparenz innerhalb des gesamten Prozesses sind die Organisationen der Wohnungswirtschaft heute häufig nicht entsprechend eingestellt. Gleiches gilt für die Taktung und die Schnelligkeit. Die Idee einer Online-Plattform für Mieter funktioniert nur, wenn der Mieter einen echten Vorteil davon hat. Stellt er aber fest, dass die Reparatur über das Online-Portal länger dauert, als wenn er anrufen würde, wird es wenig positive Resonanz geben.

Gibt es schon realisierte Beispiele?

Dr. Manfred Alflen: Ja. Wir sind mit mehreren Projekten international und in Deutschland gestartet. Zum einen besitzt das Thema Mieterzufriedenheit einen besonders hohen Stellenwert. Zum anderen ließ sich in Frankreich eine Verbesserung der Effizienz generieren, weil Zahlungsverkehr und Rechnungsstellung anders ablaufen als bei uns. Wir haben mit zwei großen Kunden – in Marseille und in Paris – das System entwickelt und setzen es bereits seit einiger Zeit erfolgreich ein. Ein deutscher Referenzkunde, der ein Mieterportal von Aareon einsetzt, ist eines der größten Wohnungsunternehmen in Berlin. Das Unternehmen hat im Vorfeld intensive Kommunikation betrieben, um die Mieter dafür zu begeistern und bekommt auch ein entsprechend positives Feedback. Nach aktuellem Stand nehmen bereits ca. 5.000 Mieter daran teil.

Die Voraussetzungen für diesen Erfolg hat das Unternehmen im Vorfeld in der eigenen Organisation geschaffen. Darauf aufbauend haben sich die Verantwortlichen gefragt, was dafür zu tun ist und anschließend die interne Organisation entsprechend geändert. Nachdem dies abgeschlossen war, haben wir im Rahmen einer IT-Beratung unterschiedliche Realisierungswege vorgeschlagen und dann das Projekt umgesetzt. Das ist der idealtypische Ablauf: Strategie, Prozessmanagement und die IT als Werkzeug zum Erfolg.

Wo bieten sich aus Ihrer Sicht weitere Optimierungen bzw. Neuerungen an?

Dr. Manfred Alflen: Da gibt es mehrere. Im Bereich des mobilen Arbeitens außerhalb von Büros beispielsweise, so dass die Mitarbeiter vor Ort den Mietern direkt Auskunft geben können, Wohnungsabnahmen durchführen oder den Verkehrssicherungspflichten nachkommen. Ein weiteres Gebiet sind Assistenzsysteme für ältere Menschen, die es ermöglichen, länger in der eigenen Wohnung zu leben. Hier haben wir das europäische Forschungsprojekt „I stay @home“ durchgeführt, um die grundsätzliche Nutzung und Akzeptanz durch die Menschen zu erforschen und entsprechende IT-Lösungen zu entwickeln.

Dann gibt es noch das spannende Thema technische Gebäudeausrüstung, das über den 2. Nationalen Energieeffizienz-Aktionsplan (NEEAP) der Bundesrepublik Deutschland forciert wird. Dies betrifft beispielsweise das Energiemanagement über das Steuern und Messen von Heizungsanlagen. Hinzu kommen Sicherheitseinrichtungen wie Rauchmelder.

Ein noch unterentwickelter Bereich sind Leitstände, mit denen die Industrie ihre Anlagen überwacht und steuert. Das ist in der Immobilienwirtschaft vollkommen anders. Hier weiß in Regel nur der Hausmeister vor Ort, was los ist. Mit einem Leitstandkonzept ließen sich die Anlagen in Gebäuden und Wohnungen vom Verwaltungsgebäude aus überwachen und steuern. Dafür muss allerdings erst noch die Infrastruktur geschaffen werden.

Ist die Aareon Smart World dazu geeignet?

Dr. Manfred Alflen: Hinter der Aareon Smart World steht die Idee, all diese Beteiligten miteinander zu vernetzen. Es geht darum, Mieter, Partner und Kunden sowie die Geräte mit dem Wohnungsunternehmen zu vernetzen. Ziel dieses Konzepts ist, dass alle an einem Prozess beteiligten Personen/Geräte usw. miteinander kommunizieren können. Der Mieter kann über die Plattform mit dem Handwerker den Termin ausmachen und das Feedback zurückgeben, ob die Arbeit in Ordnung war, oder aber sehen, wie sich seine Heizkosten entwickeln. Am Ende geht es darum Kosten zu senken, Prozesse effizienter oder qualitativ besser zu machen oder eben neue Geschäftsmodelle umzusetzen.

Für diese vernetzte Kommunikation haben wir bereits Komponenten, die wir sukzessive ausbauen und weiter miteinander vernetzen. Weil ein Online-Portal für das Customer Relationship Management (CRM) zur Folge hat, dass der Mieter genauestens informiert ist, braucht auch der Hausmeister ein mobiles Gerät, mit dem mindestens so viel weiß wie der Mieter und zudem seine Prozesse abwickeln kann. Damit sehen Sie, wie die Verbindungen zustande kommen. Das ist das Schöne an der Internet-Welt: alle sind miteinander vernetzt.

Wie stellen Sie sicher, dass die Daten von Mietern, Handwerkern und natürlich den Unternehmen sicher sind und kein Unfug damit getrieben wird?

Dr. Manfred Alflen: Datensicherheit ist für uns sehr wichtig und wir investieren kontinuierlich in diesem Bereich. Wir schützen unser Rechenzentrum und lassen es regelmäßig angreifen. Wir bestellen also „Hacker“, um zu gucken, wo es Schwachstellen gibt und schließen sie dann. Wir versuchen so viel Sicherheit wie möglich aufzubauen. Dabei kümmern wir uns um einen angemessenen Schutz für die Daten unserer Kunden und lassen uns extern bestätigen, dass wir alle Regeln und Vorschriften einhalten. Unter anderem haben wir bereits mehrfach das DQS-Gütesiegel-Datenschutz erhalten, sind nach dem Standard von PS 880 sowie nach dem IDW-Prüfungsstandard PS 951 Typ A und B zertifiziert. Wir werden hier auch entsprechend weiter investieren und unseren Kunden damit sichere IT-Lösungen anbieten können, die höchsten Ansprüchen genügen.

Abschließend noch eine Frage zum Kongressthema. Es lautet: „EinBlicke – Leben, Wohnen, Arbeiten in der Welt von morgen“. Welche Einblicke haben Sie mitgenommen?

Dr. Manfred Alflen: Wir sehen diesen Kongress als einen Kommunikationspunkt für eine Diskussion, die in der Branche stattfindet. In den letzten Jahren konzentrierte sich alles auf die Digitalisierung in der Branche und darauf, dass Wohnungsunternehmen neue Dinge ausprobieren. Interessant finde ich den vom GDW eingebrachten Vorschlag, mit dem die Branche klar artikuliert, was sie von den Anbietern braucht und wünscht. Der Wohnungswirtschaft eröffnen sich damit auch sehr gute Chancen für die Gestaltung der digitalen Zukunft.

Eröffnen sich da auch für Aareon neue Geschäftsfelder?

Dr. Manfred Alflen: Ja, wir arbeiten unter anderem mit dem GDW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen zusammen, um entsprechende Projekte zur Zukunftsgestaltung auf den Weg zu bringen. Natürlich ist eine selbstbewusstere Branche für jeden Partner eine Herausforderung. Aber das Prinzip gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft die Themen zu entwickeln, entspricht unserem Grundverständnis.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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