Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), Teil B

Verhältnis der VOB/B zum neuen BGB-Bauvertrag

Im März letzten Jahres wurde das neue BGB-Bauvertrags-Recht im Parlament verabschiedet. Seither gab es einige voreilige Aussagen zu der Frage, ob die VOB/B noch wirksam ist und ob die VOB-Bauverträge der öffentlichen Hand rechtssicher sind. In den vergangenen Monaten ist die Fachdiskussion über das Verhältnis zwischen der VOB/B und dem BGB-Bauvertrag sachlicher und differenzierter geworden.

Zunächst ist festzustellen:

– Die VOB/B bleibt (zunächst) unverändert.

– Die VOB/B ist nach wie vor wirksam.

– An ihrem Verhältnis zum BGB hat sich grundsätzlich nichts 

geändert hat.

Dennoch ist eine etwas genauere Betrachtung erforderlich.

Welche Rolle spielt das AGB-Recht im Rahmen der VOB/B-Verträge?

a) AGB-Recht = Recht der Allgemeine Geschäftsbedingungen – §§ 305 ff BGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind vertragliche Regelungen (= Klauseln), die von einem der Vertragspartner regelmäßig verwendet werden, d.h. über diese Regelungen wird bei Vertragsabschluss nicht verhandelt, sondern sie werden als Grundlage des Vertrages vorgegeben. Der Vertragspartner ist daher besonders schutzwürdig.

Im Deutschen Zivilrecht herrscht zwar Vertragsfreiheit und die Parteien dürfen vom BGB abweichende Regelungen vereinbaren, auch in AGB. Aber eine AGB-Klausel darf den Vertragspartner nicht „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn, die Klausel gegen den Grundgedanken der entsprechenden gesetzlichen Regelung im BGB („Leitbild“) verstößt (§ 307 BGB).

Wenn eine AGB-Klausel zu sehr vom BGB abweicht und der Auftragnehmer (AN) hierdurch unverhältnismäßig („treuwidrig“) benachteiligt wird, ist diese Klausel unwirksam (nicht die gesamten AGB oder der gesamte Vertrag!). Sie entfällt, ohne „geltungserhaltende Reduktion“, und an ihrer Stelle tritt die gesetzliche Regelung des BGB in den Vertrag ein.

Ein vielleicht allseits bekanntes Beispiel aus dem Mietrecht veranschaulicht dieses Prinzip – die Kleinstreparatur-Klausel:

Nach dem gesetzlichen Mietvertrag im BGB muss der Vermieter die Wohnung in einem mangelfreien Zustand zur Verfügung stellen und bewahren. D.h. wenn der Wasserhahn tropft (Materialfehler), muss der Vermieter ihn reparieren. In Mustermietverträgen sind oft AGB enthalten, wonach der Mieter Kleinstreparaturen bis 75,00 € selbst bezahlen muss. Wenn eine solche Regelung einen höheren Betrag enthält, benachteiligt dies den Mieter unverhältnismäßig stark. Die Regelung ist dann unwirksam und entfällt. Sie wird nicht in ihrer Geltung „reduziert“ auf den zulässigen Betrag von 75,00, sondern sie entfällt komplett. An ihre Stelle tritt die gesetzliche Regelung: Der Vermieter muss alle Reparaturen ausführen und bezahlen.

b) Das AGB-Recht gilt im Rahmen der Bauverträge der öffentlichen Hand, weil die VOB/B ein Muster-Bauvertrag ist, der mehr oder weniger gleich in so gut wie allen Baumaßnahmen vereinbart wird. Jede einzelne VOB/B-Regelung ist folglich eine AGB und muss sich (grundsätzlich) am BGB messen lassen: Sie darf nicht zu sehr zulasten des AN vom BGB abweichen, um wirksam zu sein.

c) In der VOB/B gibt es einige Regelungen, die nicht AGB-konform sind. Vornehmlich zu nennen ist hier § 16 Abs.3 Nr. 2-5 VOB/B: „Wenn der AN die Schlusszahlung vorbehaltlos angenommen hat, ist er danach mit weiteren Lohnforderungen aus dem Vertrag ausgeschlossen.“ Im Fall der AGB-Kontrolle würde ein Gericht feststellen, dass diese Regelung AGB-widrig ist, so dass sie unwirksam wäre und der AN trotz vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung letzte Lohnforderungen geltend machen kann, solange die Verjährung noch nicht eingetreten ist.

d) Dennoch kann die VOB/B in Bauverträgen der öffentlichen Hand unverändert vereinbart werden. Denn die VOB/B ist AGB-rechtlich „privilegiert“: Die Klauseln der VOB/B werden nicht AGB-rechtlich überprüft und am BGB gemessen, wenn die VOB/B „in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen“ wurde (§ 310 Abs. 1 Satz 3 BGB).

VOB/B gegen BGB-neu?

Es könnte sein, dass AN künftig die Wirksamkeit der VOB/B-Regelungen verstärkt in Frage stellen und gegen die VOB/B-Verträge klagen werden. Denn der BGB-Bauvertrag ist in einigen Regelungen für den Auftragnehmer (AN) vorteilhafter als die VOB/B.

Die Diskussion in den Fachkreisen (juristische Literatur) über die AGB-Festigkeit der VOB/B-Klauseln verläuft divers, eine klare Linie hat sich noch nicht gebildet. Eine Kompromisslösung, die VOB/B dem neuen BGB anzunähern, fand im Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) keine Mehrheit.

Für die öffentlichen Auftraggeber (AG) entscheidend ist, dass sich an der Privilegierung nichts geändert hat: Wenn die VOB/B unverändert und vollständig in den Vertrag einbezogen wird, ist die Erfolgsaussicht von AGB-Prozessen gering.

Aus diesem Grund wurde das Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) überarbeitet: Zusätzliche und Weitere Besondere Vertragsbedingungen (ZVB & WBVB) wurden stark entschlackt, und auch einige andere Formblätter wurden überarbeitet, z. B. die Bürgschaftsmuster FBl. 421-423 (diese enthalten nur noch den Verzicht des Bürgschaftsgebers auf die Einrede der Vorausklage, nicht mehr den Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit, und entsprechen so § 17 Abs.4 VOB/B). Darüber hinaus sind die Bauverwaltungen angehalten, in die Verträge auch keine ergänzenden Vereinbarungen aufzunehmen, die von der VOB/B abweichen (individuelle WBVB, Vorbemerkungen/Hinweise o.ä. im LV).

Wenn es zur AGB-Klauselkontrolle kommt?

Ist es nicht gelungen, die VOB/B unverändert zu vereinbaren, dann gilt die AGB-rechtliche Privilegierung der VOB/B nicht mehr und jede Vertragsklausel ist AGB-rechtlich am Maßstab des BGB (Leitbild) zu messen. Wurde z. B. die förmliche Abnahme abweichend von § 12 Abs. 4 VOB/B bereits in den WBVBs festgeschrieben, ist die VOB/B nicht mehr unverändert vereinbart und nicht mehr AGB-rechtlich privilegiert: Die Klausel-Kontrolle am Maßstab des BGB ist für den ganzen Vertrag eröffnet, so dass nicht nur die Vereinbarung zur förmliche Abnahme selbst überprüft werden kann, sondern auch z. B. die §§ 1, 2 und 16 der VOB/B. Dieser Verlust der Privilegierung und Öffnung der Klauselkontrolle ist unabhängig von der Frage, ob die von der VOB/B abweichende Regelung für sich genommen AGB-rechtlich zulässig ist (wie z. B. die Vereinbarung der förmlichen Abnahme). Jede Abweichung von der VOB/B eröffnet den Weg in die AGB-rechtliche Prüfung aller VOB/B-§§, die den Vertragspartner mehr belasten als das Gesetz. Da insbesondere zu den §§ 1 und 2 (Anordnungsrecht, Vergütungsanpassung) die künftige AGB-Rechtsprechung noch nicht abgesehen werden kann, ist besondere Vorsicht bei der Vertragsgestaltung geboten.

Im Extremfall könnten – über den Klageweg – folgende Regelungen des neuen BGB-Bauvertrags in den VOB-Vertrag „hineinrutschen“:

a) § 650 b I BGB    

Änderungswunsch + Verhandlungspflicht (§ 1 III, IV VOB/B)

(1) 1Begehrt der Besteller

1. eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Absatz 2) oder
2. eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist, streben die Vertragsparteien Einvernehmenüber die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung an.2Der Unternehmer ist verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen, im Falle einer Änderung nach Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist. 3Macht der Unternehmer betriebsinterne Vorgänge für die Unzumutbarkeit einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 geltend, trifft ihn die Beweislast hierfür. 4Trägt der Bestellerdie Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat. 5Begehrt der Besteller eine Änderung, für die dem Unternehmer nach § 650c Absatz 1 Satz 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zusteht, streben die Parteien nur Einvernehmen über die Änderung an; Satz 2 findet in diesem Fall keine Anwendung.

> Bevor der AG eine Änderung (aufgrund geänderter Planung, oder eine Änderung der Ausführung) anordnen kann, muss

– er die Änderung planen

– der AN ein Nachtragsangebot erstellen (frei kalkulierbar)

– der AG mit dem AN über die gewünschte Änderung und den daraus ggf. folgenden Nachtragswerklohn verhandeln, („was“ & „ob“ & „wieviel“), wobei die Reihenfolge dieser Schritte vom Gesetz nicht vorgesehen ist.

Das Anordnungsrecht besteht im BGB-Bauvertrag nicht, wie wir es aus § 1 VOB/B kennen, sofort, sondern ist zeitlich durch einen Verhandlungsvorbehalt aufgeschoben.

Die Planungspflicht des AG, der Zumutbarkeitsvorbehalt und die Verhandlungspflicht an sich erschrecken nicht, das kennen wir auch i. R. d. VOB/B. Dass aber auch dringliche Änderungen nicht sofort verbindlich gefordert werden können, kann einen Bauablauf empfindlich stören.

b) § 650 b II BGB Anordnungsrecht (§ 1 III, IV VOB/B)

(2) 1Erzielen die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1, kann der Besteller die Änderung in Textform anordnen. 2Der Unternehmer ist verpflichtet, der Anordnung des Bestellers nachzukommen, einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung zumutbar ist. 3Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

> Können sich AG und AN nicht über Inhalt und/oder Vergütung des Nachtrags einigen, erstarkt der Änderungswunsch des AG zum Anordnungsrecht.

Die Verhandlungsphase muss max. 30 Tage dauern, beginnend mit der Äußerung des Änderungswunsches. In dem Fall dringender Änderungen steht dem AN im BGB-Bauvertrag mithin ein nicht unerhebliches Druckpotential zu Seite, durch Auskosten der 30 Tage den AG zur Annahme überzogener Nachtragsforderungen zu bewegen.

> Vorsicht auch im VOB/B-Vertrag:

Die Textform der Anordnung ist eine gesetzliche Formvorschrift und daher gem. §§ 126, 127 BGB nicht abdingbar. D.h. es ist zu erwarten, dass die Formfreiheit der Anordnung gem. § 1 VOB/B künftig nicht mehr gilt. Es sollte daher künftig darauf geachtet werden, dass Anordnungen zumindest per E-Mail erklärt werden.

c) § 650 c I+II BGB

Berechnung des Nachtragslohns (§ 2 V, VI VOB/B)

(1) 1Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Absatz 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln. 2Umfasst die Leistungspflicht des Unternehmers auch die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, steht diesem im Fall des § 650b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zu.

(2) 1Der Unternehmer kann zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückgreifen. 2Es wird vermutet, dass die auf Basis der Urkalkulation fortgeschriebene Vergütung der Vergütung nach Absatz 1 entspricht.

> Der Nachtragswerklohn soll im BGB-Bauvertrag nicht auf Basis der Angebotskalkulation berechnet werden, wie gem. § 2 VOB/B, sondern den tatsächlich erforderlichen Kosten entsprechen. BGK sind konkret für die Nachtragsleistung zu berechnen, evtl. Zuschläge für AGK und W&G sind angemessen zu berechnen.

Noch ist jedoch unklar, was die tatsächlich erforderlichen Kosten sind – Marktpreise (tagesaktuell?), oder der übliche Preis (Datenbanken?) – und ob die Preise des NU für den AN immer tatsächlich erforderliche Kosten sind, oder ob er sich ggf. nach einem neuen NU umsehen muss, der ihm günstigere Preise anbietet.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass

- der AN nicht die erforderlichen sondern seine IST-Kosten zugrunde legt und diese für den AG aufwändig zu prüfen und ggf. zu widerlegen sind,

- mögliche Lieferanten-Boni des AN unsichtbar bleiben und folglich keine Berücksichtigung finden (Informations-Asymmetrie zugunsten des AN).

> Die geforderten Zuschläge für AGK und W&G muss der AN als „angemessen“ darlegen. Wie ihm dies gelingen kann, sind sie doch in der Regel unabhängig von der Baumaßnahme zeitabhängig für sein ganzes Jahresgeschäft geschätzt, ist noch offen. Ein pauschaler Rückgriff auf die Urkalkulation ist dem AN verwehrt, wenn er die Teilkosten nach tatsächlich erforderlichen Kosten berechnen will.

> Der AN darf für seine Nachtragslohnberechnung auf seine Urkalkulation zurückgreifen. Voraussetzung ist aber, dass

-   eine solche Urkalkulation im Vergabeverfahren oder später – jedenfalls vor der Anordnung – vereinbart und hinterlegt wurde, und

-   der AG die Erforderlichkeit der Preise in der Urkalkulation nicht widerlegt.

d) § 650 c III BGB  80%

Abschlag auf Nachtragslohn (§ 16 I VOB/B)

(3) 1Bei der Berechnung von vereinbarten oder gemäß § 632a geschuldeten Abschlagszahlungen kann der Unternehmer 80 % einer in einem Angebot nach § 650b Absatz 1 Satz 2 genannten Mehrvergütung ansetzen, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe geeinigt haben oder keine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht. 2Wählt der Unternehmer diesen Weg und ergeht keine anderslautende gerichtliche Entscheidung, wird die nach den Absätzen 1 und 2 geschuldete Mehrvergütung erst nach der Abnahme des Werks fällig. 3Zahlungen nach Satz 1, die die nach den Absätzen 1 und 2 geschuldete Mehrvergütung übersteigen, sind dem Besteller zurückzugewähren und ab ihrem Eingang beim Unternehmer zu verzinsen. 4§ 288 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 und § 289 Satz 1 gelten entsprechend.

> In seiner Abschlagsrechnung kann der AN im BGB-Bauvertrag Nachtragsleistungen

- entweder anhand der „tatsächlich erforderlichen Kosten“ berechnen und diesen Wert zu 100% in die AR einstellen, worüber die Parteien dann diskutieren können (wie gem. § 16 Abs. 1 VOB/B), oder

- mit 80% seiner (Nachtrags-)Angebotssumme ansetzen, obwohl für das Nachtragsangebot keine Kalkulationsvorgaben bestehen. Denn § 650c Abs. 1 gilt seinem Wortlaut nach nur für die Nachtragsforderung, nicht für das Nachtragsangebot. Der AG kann zwar die Abschlagsrechnung ganz normal auf Bautenstand, Mängel und sonstige Zurückbehaltungsrechte prüfen, aber er darf den grdsl. Wert der Leistung im Rahmen der AR-Prüfung nicht in Frage stellen (wenn der AN hier nicht 100% seiner Forderung geltend macht, sondern die 80% gem. § 650c III berechnet).

Der AN könnte sich folglich durch ein überhöhtes und nicht konsensfähiges Nachtragsangebot einen überhöhten Abschlag sichern.

Der AG kann zwar

- die Überzahlung iRd Schlussrechnung mit 9% Zinsen über Basiszins zurückfordern (derzeit ein sehr lukrativer „Kredit“ für den AG), oder

- den tatsächlichen Wert der Nachtragsleistung per einstweiliger Verfügung feststellen lassen (§ 650d BGB).

Beide Wege bedeuten jedoch deutlichen Mehraufwand für den AG.

e) § 650 d 

Einstweilige Verfügung über Nachtragsfragen

Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung in Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gemäß § 650b oder die Vergütungsanpassung gemäß § 650c ist es nach Beginn der Bauausführung nicht erforderlich, dass der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wird.

> Dieser Weg steht beiden Vertragsparteien offen,

- dem AN zur Feststellung, dass eine Anordnung unzumutbar ist, oder zur Feststellung, dass der AG die AR zu 100% zu bezahlen hat,

- dem AG zur Feststellung, dass eine AR mit 80% der angebotenen Nachtragssumme überhöht ist.

> Der Verfügungsgrund (Dringlichkeit, Gefährdung der Vollstreckbarkeit) wird im eV-Verfahren ausnahmsweise vermutet und muss zunächst nicht glaubhaft gemacht werden (hierin liegt die Verfahrenserleichterung durch § 650d).

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dem AG die Möglichkeit offenstehen müsste darzulegen, dass

a) die Vollstreckbarkeit der Forderung des AN nicht gefährdet ist, bzw.

b) dem AN sein Antrag nicht wirklich dringlich ist.

Letzteres ist voraussichtlich der Fall, wenn der AN zwischen AR und eV-Antrag zu lange zuwartet.

Der öffentlichen Hand wäre die Darlegung zu a) grdsl. möglich. Denn aufgrund der fehlenden Insolvenzfähigkeit der öffentlichen Hand ist die Durchsetzbarkeit der Lohnforderung des AN nie gefährdet es sei denn er selbst steht kurz vor der Insolvenz und kann nicht bis zur SchlussRE-Prüfung warten. Ob der Gesetzgeber der Widerlegbarkeit des Anordnungsgrundes solchen Raum geben wollte, wird aus der Gesetzesbegründung nicht klar. Wie die Gerichte sie auslegen werden, bleibt abzuwarten.

> Grundsätzlich ist die Möglichkeit eines vereinfachten eV-Verfahrens zu begrüßen.
Da jedoch zu erwarten ist, dass sämtliche Einwendungen des AG gegen die Forderung dem Grunde nach (Leistung wurde nicht „angeordnet“, Leistung ist bereits Teil der Hauptleistung, Bauablaufstörungen sind geringer als behauptet), wegen Mängeln oder Schadensersatz in das Verfahren eingebracht werden und somit fast der komplette Streitgegenstand aufbereitet werden wird, ist vermutlich kaum mit wirklich schnellen Entscheidungen zu rechnen.

Dem Wortlaut nach bezieht sich § 650d nur auf Anordnungsfragen gem. §§ 650b und c BGB und wäre folglich auf VOB/B-Sachverhalte nicht anzuwenden.

Es gibt jedoch Stimmen, die §§ 1 und 2 VOB/B als bloße „Ausgestaltung der §§ 650b+c BGB“ betrachten, so dass § 650d auch im Rahmen von VOB/B-Verträgen Anwendung finden könnte. Auch dies bleibt abzuwarten.

f) Besonderheit bei kleineren Instandhaltungen:

Für kleinere Instandhaltungsleistungen, die nicht „für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung“ sind, gilt der BGB-Bauvertrag nicht (§ 650a Abs. 2 BGB). Denn die Rechtfertigung der besonderen Regelungen des Bauvertrags im Abweichung vom „normalen“ Werkvertrag liegen in der zeitlichen Dauer und der inhaltlichen Komplexität des Vertrages begründet, die es den Parteien bei Vertragsabschluss unmöglich machen, bereits im Voraus die Leistungen zu 100% richtig zu planen und den Ablauf der Leistungserbringung vorauszusehen. Dieses Problem wird bei unwesentlichen Instandhaltungsarbeiten nicht gesehen.

> Der AN einer solchen Werkleistung, die keine „Bauleistung“ im Sinne des BGB ist, kann sich auch im Fall einer AGB-rechtlichen Klauselkontrolle der §§ 1, 2 VOB/B nicht auf die §§ 650b+c BGB berufen. Die §§ 650a ff BGB gelten für ihn nicht.

4) Fazit

- Im VOB/B-Vertrag gelten die neuen BGB-Regelungen grundätzlich nicht.

- Die VOB/B wird AGB-rechtlich nicht am BGB-Leitbild gemessen,
wenn der Vertrag keine Regelungen enthält, die von der VOB/B abweichen („Privilegierung“).

- Wenn der Vertrag von der VOB/B abweicht, unterstehen alle VOB/B-§§ (soweit sie für den AN ungünstige und den AG günstige Regelungen enthalten) der AGB-rechtlichen Klauselkontrolle.
- Dann könnte der BGB-Bauvertrag in den VOB/B-Vertrag „hineinregieren“.

- Ob die Gerichte §§ 1 und 2 VOB/B als teilweise AGB-widrig bewerten werden, ist noch völlig offen!

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2017

Was ab 2018 im privaten Baurecht gilt

Das neue gesetzliche Bauvertragsrecht steht kurz vor seiner Verabschiedung. Nachdem sich die Fraktionen seit Sommer 2016 im Bundestags-Rechtsausschuss zu einigen Kernpunkten des Gesetzentwurfs...

mehr
Ausgabe 03/2018

Beschluss des DVA: Keine Änderung

Der Hauptausschuss Allgemeines des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA), in dem Vertreter der Bauwirtschaftsverbände und der öffentlichen Auftraggeber über die VOB...

mehr