Urteile

Fristlose Kündigung, unpünktliche Mietzahlungen, Transferleistungen einer Behörde

BGB § 278, § 543 Abs. 1 Satz 2

Eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen erbringt, wird nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters tätig, wenn sie für ihn die Miete an den Vermieter zahlt (Bestätigung der Senatsurteile vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 27 ff.; sowie vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 20).

Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB kann auch - unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Mieters - allein in der objektiven Pflichtverletzung unpünktlicher Mietzahlungen und den für den Vermieter daraus folgenden negativen Auswirkungen liegen, wenn die Gesamtabwägung ergibt, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist.

Bei der - dem Tatrichter obliegenden - Abwägung kann von Bedeutung sein, ob zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind, diese jeweils einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge betreffen oder der Vermieter in besonderem Maße auf den pünktlichen Erhalt der Miete angewiesen ist, beispielsweise weil er daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder hiermit Kredite bedienen muss. Zudem kann es eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis abgesehen von den unpünktlichen Zahlungen bisher störungsfrei verlaufen ist oder kurze Zeit vorher bereits eine berechtigte fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, die erst durch eine Zahlung innerhalb der Schonfrist während des Räumungsprozesses unwirksam geworden ist.

BGH, Urteil vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 173/15 – (LG Hamburg)

Betriebskostennachforderungen, Verjährung, Mietsicherheit

BGB § 216 Abs. 3, § 551

Der Anspruch des Mieters auf Rückgabe einer Mietsicherheit wird erst fällig, wenn eine angemessene Überlegungsfrist abgelaufen ist und dem Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen darf (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteile vom 24. März 1999 - XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160, 162, sowie vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 71/05, NJW 2006, 1422 Rn. 9).

Betriebskostennachforderungen aus Jahresabrechnungen des Vermieters sind wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 216 Abs. 3 BGB.

Dem Vermieter ist es deshalb nach § 216 Abs. 3 BGB verwehrt, sich wegen bereits verjährter Betriebskostennachforderungen aus der Mietsicherheit zu befriedigen.

BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - VIII ZR 263/14 – (LG Erfurt)

Kündigung wegen Zahlungsverzugs sieben Monate nach der ersten Kündigungsmöglichkeit

BGB § 314 Abs. 3, §§ 543, 569

§ 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-)Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung.

BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - VIII ZR 296/15 – (LG Düsseldorf)

Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung für ein Mandantengespräch

WEG § 24

Die Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung für ein Mandantengespräch zwischen den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümer und ihrem Prozessbevollmächtigten entspricht nur bei Vorliegen besonderer Umstände ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung.

BGH, Urteil vom 8. Juli 2016 - V ZR 261/15 – (LG Karlsruhe)

Grenz – Überbau, Begriff, Sachenrechtsbereinigung

SachenRBerG § 3 Abs. 2; BGB § 912

Wurde im Beitrittsgebiet vor dem 3. Oktober 1990 über die Grenze gebaut, folgt daraus allein kein Anspruch auf Ankauf der überbauten Flächen zu den Bedingungen des SachenRBerG.

Die entsprechende Anwendung von § 912 BGB auf einen nachträglichen über die Grenze gebauten Anbau hängt nicht davon ab, in welchem Umfang der Anbau auf dem überbauten Grundstück steht, sondern von den mit dem Abbruch des Anbaus verbundenen Folgen für das auf dem Grundstück des Überbauenden stehende Gebäude.

BGH, Urteil vom 15. Juli 2016 - V ZR 195/15 – (OLG Rostock)

Jahresabrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft, Kosten des Betriebsstroms der Heizung

WEG § 28 Abs. 3; HeizkostV § 7 Abs. 2 Satz 1

In der Jahresabrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft müssen die Kosten des Betriebsstroms der zentralen Heizungsanlage nach Maßgabe der Heizkostenverordnung verteilt werden; wird der Betriebsstrom nicht über einen Zwischenzähler, sondern über den allgemeinen Stromzähler erfasst, muss geschätzt werden, welcher Anteil an dem Allgemeinstrom hierauf entfällt.

BGH, Urteil vom 3. Juni 2016 - V ZR 166/15 – (LG Saarbrücken)

Fristlose Kündigung wegen Mietrückstand, Aufrechnung, Schonfrist

BGB § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b, § 556 Abs. 3, § 569 Abs. 3 Nr. 2

HeizkostenV §§ 9, 9a

Ist durch Auflauf eines Rückstands in der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a oder Nr. 3 Buchst. b BGB genannten Höhe ein Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses entstanden, wird dieses nach § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB nur durch eine vollständige Zahlung des Rückstandes vor Zugang der Kündigung ausgeschlossen (Bestätigung des Senatsurteils vom 14. Juli 1970 - VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27, unter II 4).

Nach § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB wird die Kündigung des Vermieters nur unwirksam, wenn durch unverzügliche Aufrechnung die gesamten Rückstände getilgt werden.

Die Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB setzt eine vollständige Tilgung der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a BGB innerhalb der dort genannten Frist voraus.

Für die formelle Ordnungsgemäßheit einer Heizkostenabrechnung ist es ohne Bedeutung, ob die der Abrechnung zugrunde gelegten Verbrauchswerte auf abgelesenen Messwerten oder auf einer Schätzung beruhen und ob eine vom Vermieter vorgenommene Schätzung den Anforderungen des § 9a HeizkostenV entspricht. Es bedarf deshalb weder einer Erläuterung, auf welche Weise eine Schätzung vorgenommen wurde noch der Beifügung von Unterlagen, aus denen der Mieter die Schätzung nachvollziehen kann (Bestätigung des Senatsurteils vom 12. November 2014 - VIII ZR 112/14, NJW 2015, 406 Rn. 18).

BGH, Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 261/15 – (LG Bonn)

Gebäudeversicherung für Gebäude einer Wohnungseigentümergemeinschaft

VVG § 43 Abs. 1, § 95 Abs. 1

Schließt eine Wohnungseigentümergemeinschaft für das gesamte Gebäude eine Gebäudeversicherung ab, handelt es sich - mit Ausnahme von etwaigem Verbandseigentum - um eine Versicherung auf fremde Rechnung.

Erbringt die Gebäudeversicherung zur Regulierung eines Schadens an dem Sondereigentum eine Versicherungsleistung an die Wohnungseigentümergemeinschaft, ist diese verpflichtet, die Versicherungsleistung an diejenige Person auszuzahlen, der sie nach den versicherungsvertraglichen Regeln zusteht.

Ist die Eigentumswohnung nach Eintritt des Versicherungsfalls veräußert worden, steht der Anspruch auf die Versicherungsleistung aus diesem Versicherungsfall grundsätzlich dem Veräußerer und nicht dem Erwerber zu.

BGH, Urteil vom 16. September 2016 - V ZR 29/16 – (LG Frankfurt am Main)

Änderung der Nutzung eines Teileigentums durch die Wohnungseigentümer, Kostentragung

WEG § 10 Abs. 2 Satz 3, § 23 Abs. 1, § 10 Abs. 2 Satz 3

Das Belastungsverbot schränkt die Mehrheitsmacht der Wohnungseigen­tümer ein, schließt aber nicht den Änderungsanspruch nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aus.

Die (ggf. ergänzende) Auslegung der Gemeinschaftsordnung hat Vorrang vor einer Anpassung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG.

BGH, Urteil vom 13. Mai 2016 - V ZR 152/15 – (LG Düsseldorf)

Haftung des Bestellers bei fehlerhafter Objektplanung gegenüber Architekten für Planung der Außenanlage

BGB § 254 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 278

Beauftragt der Besteller einen Architekten mit der Objektplanung für ein Ge­bäude und einen weiteren Architekten mit der Planung der Außenanlagen zu diesem Objekt, trifft ihn grundsätzlich die Obliegenheit, dem mit der Planung der Außenanlagen beauftragten Architekten die für die mangelfreie Erstellung sei­ner Planung erforderlichen Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hat der mit der Objektplanung beauftragte Architekt diese fehlerhaft erstellt, muss sich der Besteller dessen Verschulden gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 BGB im Verhältnis zu dem mit der Planung der Außenanlagen beauftragten Architek­ten zurechnen lassen (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 ­ VII ZR 257/11, BGHZ 197, 252).

BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - VII ZR 193/14 – (OLG Celle)

Verjährungsfristen bei nachträglicher Errichtung einer Photovoltaikanlage auf Dach einer Tennishalle

BGB § 634a Abs. 1 Nr. 2

Die (lange) Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB von fünf Jahren für ArbeitenBauwerken findet für die nachträgliche Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Tennishalle Anwendung, wenn die Photovoltaikanlage zur dauernden Nutzung fest eingebaut wird, der Einbau eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle darstellt, die einer Neuerrichtung gleich zu achten ist, und die Photovoltaikanlage der Tennishalle dient, indem sie eine Funktion für diese erfüllt.

Eine auf dem Dach einer Tennishalle nachträglich errichtete Photovoltaikanlage erfüllt eine Funktion für die Tennishalle, wenn die Tennishalle aufgrund einer Funktionserweiterung zusätzlich Trägerobjekt einer Photovoltaikanlage sein soll. Unerheblich ist, dass die Photovoltaikanlage der Stromversorgung der Tennishalle nicht dient (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 ­ VII ZR 287/95, BauR 1997, 1018; Abweichung von BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - VIII ZR 318/12, NJW 2014, 845 = NZBau 2014, 558).

BGH, Urteil vom 2. Juni 2016 - VII ZR 348/13 – (OLG München)

Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen

BGB §§ 307, § 309 Nr. 8 b) ff); §§ 242, 634 , 640

WEG § 10 Abs. 2, §§ 21, 23

Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich bei nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossenen Bauträgerverträgen weiterhin grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, mag auch das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, BauR 1985, 314, 315).

Ergeht in der ersten Eigentümerversammlung im Jahr 2002 ein Beschluss gemäß einer Bestimmung in der Teilungserklärung dahingehend, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme des Gemeinschaftseigentums auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme des Gemeinschaftseigentums eine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber weder aufgrund der genannten Bestimmung in der Teilungserklärung noch aufgrund des genannten Beschlusses in der ersten Eigentümerversammlung.

Die von einem Bauträger in einem Erwerbsvertrag gegenüber Nachzügler-Erwerbern gestellten Formularklauseln

„Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. ... am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben“

sind unwirksam.

Dem Bauträger ist es als Verwender dieser von ihm gestellten, unwirksamen Formularklauseln nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde und deshalb ein Anspruch aus § 637 Abs. 3 BGB nicht bestehe (Anschluss an BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 49/15, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

BGH Urteil vom 12. Mai 2016 - VII ZR 171/15 – (OLG Schleswig)

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Ausgabe 03/2010

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